Sportlicher Vorteil

FIA begründet endlich das 100-Mio-Urteil

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Mit fast 24-stündiger Verspätung hat die FIA die Begründung für die "Jahrhundert-Strafe" gegen McLaren veröffentlicht.

Die Formel 1 war am Freitag nach der vermutlich härtesten Strafe ihrer Geschichte in Aufruhr. Der Automobil-Weltverband FIA hatte das Spitzenteam McLaren-Mercedes am Donnerstagabend in Paris für die Spionage-Affäre mit dem Ausschluss aus der Konstrukteurs-WM und dem Abzug von 100 Millionen US-Dollar (72 Mio. Euro) bestraft. Einen Tag später begründete die FIA ihr Urteil auf 14 Seiten. Ein Transkript aller Anhörungen wird kommende Woche veröffentlicht.

Lesen Sie hier: Die härtesten Strafen in der F1

Neue Beweise
Die aktuelle Urteilsbegründung bestätigte, was im Vorfeld bereits bekanntgeworden war. Als neue Beweise nannte die FIA belegte Kontakte zwischen den Auslösern der Affäre, Ex-Ferrari-Chefmechaniker Nigel Stepney sowie Ex-McLaren-Chefingenieur Mike Coughlan, sowie zum Teil brisante E-Mails von McLaren-Fahrern. Laut Einschätzung des FIA-Weltrates haben geheime Ferrari-Informationen McLaren "einen signifikanten sportlichen Vorteil" beschert. Das dementiert das verurteilte Team und zieht einen Protest in Erwägung.

Verräterische E-Mails
Der Weltverband veröffentlichte allerdings E-Mails die belegen, wie gut Weltmeister Fernando Alonso und Testfahrer Pedro de la Rosa über den neuen Ferrari Bescheid gewusst haben. Diese hatten die Piloten dem Weltverband auf Anfrage zur Verfügung gestellt und dafür Straffreiheit in Aussicht gestellt bekommen. Sonst wären auch die Fahrer bestraft worden, denn De la Rosa und Alonso hatten sich unter anderem über die Gewichtsverteilung des neuen Ferrari sowie ein Gas in dessen Reifen - angeblich CO2 - unterhalten.

Lesen Sie hier: Die Chronologie der Spionage-Affäre.

Die FIA zitierte etwa ein E-Mail von De la Rosa an Coughlan vom 21. März 2007: "Hi Mike, weißt du die Gewichtsverteilung des roten Autos? Es wäre sehr wichtig für uns, wenn wir sie im Simulator testen könnten." Vier Tage später versicherte De la Rosa in einer Nachricht an Alonso: "Alle Informationen von Ferrari sind sehr zuverlässig. Sie kommen von Nigel Stepney, ihrem ehemaligem Chefmechaniker. Derselben Person, die uns gesagt hat, dass Kimi (Räikkönen) in Australien in der 18. Runde an die Box kommt. Er ist ein Freund von Mike Coughlan und hat ihm das erzählt."

Polizei-Ermittlungen
Zudem hatte die italienische Polizei zwischen 11. März und dem 3. Juli von 288 SMS und 35 Telefonkontakten zwischen Stepney und Coughlan berichtet. Damit dokumentierte die FIA, dass McLaren vertrauliches Material besessen und demnach Artikel 151(c) des Internationalen Sport-Codes gebrochen habe. Beweise, dass die Ferrari-Daten direkt im eigenen Auto verwendet worden sind, müsse man nicht erbringen. Das will McLaren nicht auf sich sitzen lassen und erwägt nun rechtliche Schritte.

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So wird die Strafe bezahlt
Finanziell scheinen die 100 Mio. Dollar, die nicht direkt, sondern über gestrichene Forderungen einbezahlt werden müssen, für das florierende Team allerdings verkraftbar zu sein. "Das werden sie überleben", meinte Ex-Pilot Gerhard Berger. "Wir haben als Ausgleich die Einnahmen für die Punkte, die wir bisher geholt haben. Das wird die Summe auf dem Scheck, den wir unterschreiben möglicherweise halbieren, falls wir die Strafe überhaupt akzeptieren", erklärte McLaren-Teamchef Ron Dennis.

Kritik von Lauda
Ex-Weltmeister Niki Lauda kritisierte das "extrem harte Urteil" und befürchtet einen nachhaltigen Imageschaden für die Formel 1. "Ich habe noch nie in irgendeiner Sportart von einer solch hohen Strafe gehört", betonte Lauda und teilte damit die Auffassung mehrerer Experten. Die internationalen Zeitungen waren dagegen geteilter Meinung. Die italienische "Tuttosport" etwa bezeichnete das Urteil als "Farce", weil McLaren nur in der Konstrukteurs-WM bestraft worden war. Dort geht der Titel nun mit Sicherheit an Ferrari.

Fahrer-WM gehört weiter McLaren
In der Fahrer-WM führt allerdings weiter McLaren-Pilot Lewis Hamilton drei Punkte vor Titelverteidiger Alonso, der am Freitag im Freien Training zum Grand Prix von Belgien in Spa-Francorchamps der Schnellste war. Die Ferraris von Räikkönen und Felipe Massa liegen vier Rennen vor Schluss bereits 18 bzw. 23 Punkte zurück. "Wir haben die besten Fahrer und das beste Auto und nun wollen wir auch die WM gewinnen", hatte McLaren-Boss Dennis schon am Abend der Urteilsverkündung leicht trotzig angekündigt.

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