Formel-1-Aufreger

Toto, holen Sie Verstappen zu Mercedes?

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"Liebend gern" würde er Max Verstappen nehmen. Im Wirbel um die Horner-Affäre und einen möglichen Abgang des Dreifach-Weltmeisters bei Red Bull fand Toto Wolff (52) überraschend klare Worte. oe24 fühlte dem Mercedes-Boss auf den Zahn.

oe24: Herr Wolff, was sagen Sie zur täglichen Red-Bull-Soap?
TOTO WOLFF: Von außen betrachtet kriegen wir viel Drama serviert. Aber für ein Team wie Red Bull ist so eine Situation nicht großartig.

oe24: Sind auch Sie von den Wendungen, die die Affäre um Christian Horner nimmt, überrascht?
WOLFF: Nein, weil wir leben in einer sehr transparenten Welt. Wenn man etwas nicht sagt, dann wird es nur noch mehr interessant: Das führt zu mehr Fragen, mehr Geschichten und zu mehr Spekulationen.

oe24: Warum schafft es Red Bull nicht, durch mehr Transparenz einen Schlussstrich zu ziehen?
WOLFF: Es gibt die wahre Geschichte im Hintergrund, nämlich das wirklich wichtige Thema. Warum ist eine Frau, die sich unwohl gefühlt hat, zur HR (Personalmanagement, d. Red.) gegangen? Warum hat man darüber noch nicht gesprochen? Dazu kommt eine Informationsstrategie, die von außen betrachtet ein bisschen verwirrend aussieht.

oe24: Haben Sie eine Erklärung dafür?
WOLFF: Ich denke, dass die Österreicher professionell sind, in England versuchen sie alles klein zu halten, was aber heutzutage nicht mehr möglich ist. 

"Letztlich geht es um die Personalie Horner"

oe24: Zur Prognose von Gerhard Berger: "Horner bleibt, Marko und Newey hören auf und Max geht zu Mercedes", meinte Helmut Marko: "Interessante Variante". Was halten Sie von dieser Theorie?
WOLFF: Ich sag nur: Wenn Horner bleibt (bei Red Bull, d. Red.) gibt es spannende Szenarien. Letztlich geht es um die Personalie Horner. Aber wie gesagt: Was bei denen (bei Red Bull, d. Red.) intern passiert, les ich auch nur in den Medien.

oe24: Aber Sie haben sich inzwischen dahingehend deklariert, dass sie Max "liebend gerne nehmen" würden ...
WOLFF: Jedes Team würde Max gern nehmen, weil er der stärkste Fahrer ist, ist doch logisch! Aber wie gesagt: Der Fahrer wird immer versuchen, im stärksten Auto zu sitzen. Deswegen müssen wir vorher unsere Hausaufgaben machen, damit das Auto performt. So könnte Mercedes eine echte Alternative für Max werden.

"In diesem verrückten Karussell ist alles möglich"

oe24: Wäre in diesem verrückten Karussell sogar denkbar, dass Verstappen Designer Newey zu euch mitbringt?
WOLFF: In diesem verrückten Karussell ist immer alles möglich, ich würde überhaupt nichts ausschließen. Aber wir haben ein hervorragendes Techniker-Team mit dem fühl ich mich wohl und zu hundert Prozent richtig aufgestellt, auch wenn die Rundenzeit das im Moment noch nicht widerspiegelt.

oe24: Und dass Ihr Lieblingsfeind Marko zu Mercedes mitkommt?
WOLFF: Es dreht sich alles um Max, und seine Perspektiven. Um beurteilen zu können, wie wichtig Marko für Max wirklich ist, kenn ich die Dynamik zwischen den beiden zu wenig.

oe24: Zudem tauchte am Saudi-Arabien-GP-Wochenende ein Foto auf, das Sie bei einer intensiven Unterhaltung mit (Verstappen-Papa) Jos zeigt. Was wurde da besprochen?
WOLFF: Nix Besonderes. Ich hab zum Rennen gratuliert. Jos und ich sind derselbe Jahrgang (1972, d. Red.), wir haben seit vielen Jahren ein gutes Verhältnis.

Wolff-Crash beim Test in Imola: "Nach zwei Runden in der Wand gepickt"

oe24: Sind Sie gegen Jos Verstappen früher Rennen gefahren?
WOLFF: Nein, Jos war eine Stufe über mir unterwegs (und schaffte es in die Formel 1, d. Red.). Jetzt könnte ich gegen ihn Rallye fahren, aber dazu fehlt mir die Zeit. Abgesehen davon ist mein fahrerisches Können nicht ideal. Unlängst hab ich in Imola getestet. Dabei hatte ich ein Problem mit der Traktionskontrolle und bin nach zwei Runden in der Wand gepickt. Zum Glück geht's mir danach gut.

oe24: Zurück zur Formel 1: Nachdem Lewis Hamilton Mercedes verlässt, hättet ihr tatsächlich ein Cockpit und das Budget für Verstappen ...
WOLFF: In jeder Karriere gibt es Momente, in denen du etwas Neues versuchen willst oder auch sollst. Deswegen hab ich auch keine Bad Feelings, was den Lewis betrifft. Nur das Timing hat mich gewundert, weil die Saison noch nicht begonnen hat. Aber wie sich jetzt herausstellt, könnte das ganz gut passen: Im Gegensatz zu uns haben Ferrari und McLaren ihre Verträge so früh abgeschlossen, dass sie in den nächsten Jahren freien Plätze mehr haben.

oe24: Was halten Sie von der oe24-Prognose, dass Verstappen auf den WM-Titel im nächsten Jahr verzichtet, um mit euch gemeinsam den Mercedes für 2026 zu entwickeln und danach durchstartet und wieder alles in Grund und Boden fährt?
WOLFF: Tatsächlich gibt es ab 2026 ein völlig neues Reglement, vor allem, was den Motor betrifft. Das gibt uns die Gelegenheit, es hoffentlich gleich gut zu machen, wie uns das 2014 gelungen ist. Wenn man als Fahrer früh dabei sein kann, ist das natürlich ein Vorteil.

oe24: Dazu gibt's die Variante, dass Mercedes 2025 mit Alonso überbrückt - oder könnte sogar Kimi Antonelli (aus dem Mercedes-Nachwuchsprogramm) eine Chance bekommen?
WOLFF: Ich werde mich jetzt noch nicht festlegen, und den Sitz so lang wie möglich frei lassen.

oe24: Hat Oliver Bearman mit seinem 7. Platz beim nicht geplanten Debüt für Ferrari in Saudi-Arabien gezeigt, was für einen Rookie möglich ist?
WOLFF: Bearman hat eine super Leistung abgeliefert, aber die junge Generation ist allgemein sehr stark. Und Kimi (Antonelli, d. Red.) ist für mich der Herausragende unter den Jungen. Die Formel-1-Autos heute sind leichter zu fahren, weil sie im Gegensatz zur Formel 2 eine Servolenkung haben. Das macht es weniger anstrengend.

oe24: Letzte Frage zur aktuellen Saison: Würden Sie wie im Vorjahr nach zwei Rennen wieder darauf tippen, dass Red Bull heuer alle Rennen gewinnt? 
WOLFF: Ich hoffe zumindest, dass das nicht der Fall ist! 

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