Helmut Marko spricht über seinen Österreich-GP-Coup und Wegbegleiter Niki Lauda (70) - Auch mit Lewis Hamilton scheinen die Differenzen beseitigt zu sein.
Bevor Helmut Marko in die "Red-Bull-Blase" in Spielberg übersiedelt, nahm er sich in seinem neuen Kai-36-Kunsthotel in Graz Zeit fürs große ÖSTERREICH-Interview. "Ich komm gerade vom dritten Coronatest innerhalb weniger Tage", schildert der "Doktor" und atmet durch: "Alle negativ."
ÖSTERREICH: Herr Marko , haben Sie Angst, dass beim historischen F1-Comeback nach Corona noch etwas schiefgehen könnte?
Helmut Marko: Eigentlich nicht. Wir bekommen ständig neue, seitenlange Anweisungen, was wir zu tun haben. Die FIA-Vorschriften sind so was von streng, und wir halten uns penibel daran. Schließlich sind wir die Musterveranstaltung für alle weiteren Rennen.
ÖSTERREICH: Wie kamen Sie in einer Zeit, als links und rechts alles abgesagt wurde, auf die Idee, für den Österreich-GP zu kämpfen?
Marko: Ich habe genau verfolgt, was sich um uns herum abgespielt hat. Im Hinterkopf hatte ich immer unseren Termin und die Frage, wie man daran festhalten könnte. Die Anlage mit dem Flughafen daneben, den Hotels usw. ist ideal. Also habe ich bei Chase Carey (F1-Geschäftsführer, d. Red.) vorgefühlt. Als der angetan von meiner Idee war, bin ich zu Didi Mateschitz gegangen.
ÖSTERREICH: Wie hat der reagiert?
Marko: Mateschitz hat sofort gesagt: "Ja, machen wir!" Auch bei der steirischen Landesregierung war man sofort Feuer und Flamme, und auf Bundesebene hat uns Sportminister Kogler signalisiert, dass er uns nix in den Weg legen will. Also hat das Projekt Spielberg alles mobilisiert und nur mehr auf das Okay gewartet. ÖSTERREICH: Warum ist der geplante Auftakt in Australien gescheitert? MaRko: Weil die das dort komplett versemmelt haben. Alles war bereit, aber nach dem positiven Fall bei McLaren ist die große Hysterie ausgebrochen.
ÖSTERREICH: Warum kann so was bei uns nicht passieren?
Marko: Weil wir keine Fans haben, komplett abgeschirmt und mit Isolierstationen, Amtsarzt usw. auf alle Eventualitäten vorbereitet sind.
ÖSTERREICH: Wie wäre Ihr Freund Niki Lauda mit der Corona-Problematik umgegangen?
Marko: Für den Niki wäre das alles ein Wahnsinn. Mit Nierentransplantation und Lungenvorgeschichte wäre er ein Hochrisikopatient und extrem gefährdet. Aber wer weiß: Vielleicht hätte er auch das cool genommen. Ich erinnere mich an den Ausbruch des Vulkans mit dem unaussprechlichen Namen. Niki hat sich damals ohne Passagiere in den Flieger gesetzt und ist wie nix durch die Wolken geflogen."
Marko: »Lewis hat sich bei mir entschuldigt"
ÖSTERREICH: Nicht zuletzt auf Ihr Betreiben hin startet die Saison auf der Strecke, auf der Verstappen zuletzt zwei Mal gewonnen hat. Hat sich Max persönlich bei Ihnen bedankt?
Marko: Der weiß schon, was er an uns hat. Die Chance, jüngster Weltmeister aller Zeiten zu werden, ist tatsächlich sehr groß. Durch die beiden Rennen in Spielberg haben wir vielleicht einen psychologischen Vorteil. Mercedes hat sich in den vergangenen Jahren hier generell sehr schwergetan.
ÖSTERREICH: Woran lag das?
Marko: An ihrem Turbo-Konzept, am generellen Setup -in der Höhenlage haben sie Leistung verloren. Und weil es Vorjahr sehr heiß war, mussten sie ihre Karosserie aufschneiden. Ich nehme aber an, dass sie inzwischen gelernt haben.
ÖSTERREICH: Was heißt das für die WM?
Marko: Es wird extrem spannend. Auf der einen Seite haben wir Max, der wie gesagt heuer die letzte Chance hat, jüngster Weltmeister zu werden. Trotzdem ist Hamilton Topfavorit. Der will unbedingt seinen 7. Titel holen in seinem vertrauten Umfeld. Leicht möglich, dass Mercedes von der Teamstruktur her nach dieser Saison nicht mehr so aufgestellt ist.
ÖSTERREICH: Und welche Rolle wird Ferrari spielen?
Marko:Ich glaub nicht, dass die da mithalten können. Das große Duell um die WM heißt Hamilton gegen Verstappen. Der Druck, den die beiden von allen Seiten bekommen, ist riesig.
ÖSTERREICH: Wobei Sie meinten, dass es für Verstappen ein Vorteil sein könnte, dass er sich voll auf die Formel 1 konzentriert, was Hamilton falsch ausgelegt und Sie schwer kritisiert hat...
Marko: Lewis hat sich inzwischen schriftlich bei mir entschuldigt. Ein völlig unnötiger Wirbel war das.
ÖSTERREICH: Wie die Aufregung um Ihre Aussage in ÖSTERREICH, wonach Renault in Spielberg bei den Tests in Österreich neue Motoren ins 2018er-Auto gebaut hatte.
Marko: Ich habe ein sofort eine SMS von Cyril Abiteboul (Renault-Teamchef, d. Red.) bekommen. Ich hab' ihn nur erinnert, dass er mir noch fünf Flaschen Champagner schuldet und dass er sich aufs Wesentliche konzentrieren soll. Offiziell haben sie einen 2018er-Motor drinnen gehabt. Gut, sollen sie. Da gibt's ja dieses berühmte Zitat: "When the flag drops, the bullshit stops". Höchste Zeit, dass das Rennfahren wieder losgeht. Dann haben wir endlich Zeiten und Ergebnisse, dann wird nicht jeder Satz, den man sagt, aufgebauscht.
ÖSTERREICH: Wer könnte von der wegen Corona verkürzten Saison mehr profitieren: Hamilton oder Verstappen?
Marko: Hoffentlich der Max. Der ordnet dem großen Ziel alles bedingungslos unter. Das geht bis zum eigenen Physiotherapeuten, der ihm das tägliche Konditions-und Krafttraining vorgibt und ihm bei der Ernährung hilft. Sollte es tatsächlich nur acht Rennen geben, muss jedes Ergebnis sitzen. Wobei uns der Start in Spielberg entscheidend helfen kann.