OE24-Interview

Gunnar Prokop (83): "Fußballer müssen das erst nachmachen"

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Trotz der bitteren Niederlage gegen Island und der verpassten Mega-Sensation: Österreich war das Überraschungs-Team der Handball-EM. Dass ausgerechnet die Truppe von Teamchef Ales Pajovic es schaffte, den zweifachen Welt- und Europameister Spanien aus dem Turnier zu werfen ist historisch.

oe24 erkundigte sich beim ehemaligen Frauen-Jahrhunderttrainer Gunnar Prokop (8x Champions-League-Sieger mit Hypo Niederösterreich), ob wir jetzt auch eine Männer-Handball-Nation werden.

oe24: Herr Prokop, hat Sie der Erfolgslauf unserer Handballer an Ihre goldenen Zeiten als Frauen-Zampano erinnert?

Gunnar Prokop: Also, die Medaillen haben wir damals gewonnen (lacht). Aber ich muss zugeben, dass ich es dieser Mannschaft nie zugetraut hätte, dass sie überhaupt so weit kommt. Trotzdem bin ich enttäuscht, dass wir die Partie gegen Island - entschuldigen Sie den Ausdruck - verschissen haben. Mit depperten Fehlern. Wobei ich es wieder sensationell fand, wie sie sich noch einmal herangekämpft haben nach der Pause. Unterm Strich muss ich sagen: Sie hätten sich die ganz große Sensation verdient gehabt. Aber die haben sie schon letzte Woche versemmelt ...

OE24: Und zwar?

Prokop: Das Deutschland-Spiel hätten sie gewinnen müssen. Nach den Unentschieden gegen Kroatien und Spanien und dem Sieg über Ungarn war das bei fünf Toren Vorsprung zum Greifen nahe.

OE24: Warum haben die Österreicher den Sack nicht zugemacht?

Prokop: Ich kenne dieses Phänomen, diese Angst vor der ganz großen Sensation. Der Spieler sagt sich: Ich darf ja nix Falsches machen, und dann passieren plötzlich unglaubliche Fehler. Ich hab das mit meinen Spielerinnen im Europacup gegen Kiew miterlebt. Wir haben das beste Match unserer Karriere gespielt und hätten es fast noch verloren wegen dieser Angst vorm Gewinnen. Dass wir auch gegen Frankreich vorn waren, war die nächste Überraschung. Aber die Franzosen sind uns eine Gasse zu hoch. Die haben so viele absolute Weltklassespieler, die wir nicht haben. Zwischen Weltklasse zeigen für zwei, drei Spiele und Weltklasse sein, ist ein großer Unterschied. Da muss auch das Coaching Weltklasse sein.

OE24: Höre ich da Kritik heraus?

Prokop: Zum Beispiel, dass er (Teamchef Pajovic, d. Red.) unseren sensationellen Tormann Möstl so lange raus genommen hat, hab ich nicht verstanden. Aber im Nachhinein ist man immer klüger. 

OE24: Wird die Handball-Euphorie über die EM hinaus anhalten?

Prokop: Das haben wir auch nach der Heim-EM 2020 geglaubt (Österreich schaffte als 8. beste EM-Platzierung, d. Red.). Passiert ist nix. Das beginnt bei der Nachwuchs-Arbeit und geht bis über die Politik, die nix unternimmt mit geeigneten Hallen usw. und endet bei der Pressearbeit. Die Fußballer müssen den Handballern diese Leistung erst nachmachen.

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