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Fünf-Stunden-Krimi

Thiem nach Aus: 'Fühle mich schlecht und leer'

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Österreichs Tennis-Star hat gegen Schwartzman alles gegeben: 'Ich habe mir wenig vorzuwerfen."

Nach sieben Siegen bis zum Triumph bei den US Open und vier Erfolgen in Roland Garros ist der Erfolgslauf von Dominic Thiem vorerst vorüber. Der 27-jährige US-Open-Sieger musste sich trotz bereits leerer Batterien erst nach einem 5:08 Stunden Fünf-Satz-Marathon im French-Open-Viertelfinale geschlagen geben. Thiem unterlag Diego Schwartzman (ARG-12) mit 6:7(1),7:5,7:6(6),6:7(5),2:6.
 
Der zuletzt zweifache Roland-Garros-Finalist verpasste damit ein mögliches Halbfinal-Duell mit Sandplatz-König Rafael Nadal, der später noch gegen Jannik Sinner (ITA) sein Viertelfinale spielen musste.
 

"Absolut alles gegeben"

Thiem resümierte seinen Auftritt enttäuscht, aber auch irgendwie zufrieden: "Es war ein besonderes Match. Es war das erste Match für mich über fünf Stunden in meiner Karriere, ziemlich brutale Bedingungen, eine richtige Achterbahn-Fahrt", erklärte er. Sowohl er als auch Schwartzman hätten in den ersten vier Sätzen Chancen gehabt. "Natürlich fühle ich mich jetzt schlecht und leer, aber auf der anderen Seite habe ich absolut alles gegeben, was gegangen ist. Ich habe mir wenig vorzuwerfen."
 
Spielerisch sei es keine Topleistung mehr von ihm gewesen, was verschiedene Gründe habe. "Es ist wirklich nur übers Fighten gegangen am Schluss noch und da habe ich 100 Prozent gegeben."
 

"Mit gutem Gefühl Richtung Heimat"

Thiem hatte vor seinem achten Grand-Slam-Viertelfinale von einem "nicht mehr vollem Tank" gesprochen. Das Fünf-Satz-Achtelfinale gegen Hugo Gaston sowie natürlich die anstrengenden Wochen in Flushing Meadows haben Thiem mental wie körperlich viel Kraft gekostet. Trotzdem quälte sich Thiem gegen Schwartzman mit großem Willen über fünf Sätze, die Reise war aber vor dem fünften Semifinale en suite in Paris zu Ende.
 
Rund sechs Wochen, auf die er dennoch stolz sein kann. "Wenn man die ganze Reise, die viereinhalb Wochen New York plus jetzt da die zwei Wochen, hernimmt, glaube ich, habe ich mir nicht viel vorzuwerfen und ich fliege definitiv mit einem guten Gefühl Richtung Heimat."
 
Bis zu den nächsten French Open bleiben Thiem wegen der Corona-Sonderregeln dennoch die 1.200 Punkte vom Finale 2019 im ATP-Ranking stehen. Er kassiert für das Viertelfinale 283.500 Euro. Schwartzman erreichte erstmals in seiner Karriere die Vorschlussrunde eines Grand-Slam-Turniers und wird am Montag erstmals in den Top Ten stehen.
 

Krimi über fünf Sätze

Der Spielverlauf war im ersten 5-Stunden-Match in Thiems Karriere mitreißend und spannend. Im ersten Satz sicherte er sich das erste Break zum 4:2, musste aber sein Service gleich wieder abgeben. Bei 4:3 ließ sich Thiem zwei Chancen zum nächsten Break entgehen und der Satz ging nach 56 umkämpften Minuten ins Tiebreak. In diesem war allerdings der Argentinier Chef auf dem Platz: Einer raschen 5:0-Führung hatte Thiem nichts mehr entgegenzusetzen. Satz eins ging nach 62 Minuten mit 6:7(1) verloren.
 
Thiem fehlte es teilweise an der letzten Intensität und Schwartzman erwies sich als der unermüdliche Läufer, als den man ihn kennt. Dennoch gelang Thiem ein Auftaktbreak, und er ging in der Folge mit 3:1 in Führung. Diskussionen, man möge wegen einsetzenden Regens das Dach schließen, blieben ohne Erfolg: Supervisor und Schiedsrichterin entschieden sich dagegen. Die 15-minütige Pause wäre Thiem da wohl entgegengekommen.
 
Thiem gab den Aufschlag zum 3:3 wieder ab, kämpfte aber verbissen weiter. Beim Stand von 4:4 ließ Thiem im 15 Minuten langen Service-Game des Südamerikaners nicht weniger als sieben Breakchancen ungenutzt. Thiem ließ sich davon nicht beirren und schaffte das 5:5. Mithilfe Schwartzmans gelang Thiem dann zum 6:5 aber doch noch das Break. Und Thiem stellte nach 2:13 Stunden auf 1:1-Sätze.
 

Entscheidung im 5. Satz

Mit dem Hoch des Satzgewinns durchbrach Thiem erneut den Aufschlag Schwartzmans zum 1:0, doch dann musste Thiem gleich zweimal sein Service zum 1:3-Rückstand abgeben. Dem 17-fachen Turniersieger gelang aber erneut nach langen Rückhand-Cross-Duellen das Rebreak zum 2:3. Nach 2:40 Stunden schaffte der bisher vierfache Major-Finalist zu Null nochmals den Ausgleich zum 3:3. Thiem geriet neuerlich 3:5 in Rückstand, schaffte das Rebreak und musste bei 4:5 einen Satzball abwehren. Im elften Game holte Thiem neuerlich Schwartzmans Aufschlag zum 6:5, doch er selbst verzeichnet den insgesamt achten Serviceverlust dieses verrückten Satzes. Neuerlich musste das Tiebreak entscheiden. Und auch dieses verlief dramatisch: Thiem führte 5:1, Schwartzman kam auf 4:5 heran und bei 6:4 konnte Thiem zwei Satzbälle nicht nutzen. Doch den dritten verwertete Thiem nach 3:21 Stunden zur 2:1-Satzführung.
 
Auch im vierten Durchgang wogte das Match hin und her: Thiem zog auf 2:0 davon und hatte Kurs aufs Halbfinale genommen. Doch Schwartzman verwandelte das 0:2 nach schon 3:53 Stunden zum 4:2. Dazwischen nahm er ein kurzes "medical timeout" um sich an den Händen neu tapen zu lassen. Schwartzman erhöhte auf 5:3 und hatte bei 5:4, 40:0 drei Satzbälle. Thiem wehrte sie alle ab, darunter mit einer krachenden Vorhand entlang der Linie, und stellte von 3:5 auf 6:5. Bei 5:5 musste er dabei erneut einen Breakball abwehren. Zwei Punkte vom Sieg entfernt musste Thiem dann doch auch das dritte Tiebreak zulassen. Doch nicht Thiem holte sich den ersten Satzball, der gleichbedeutend mit Matchball gewesen wäre, sondern Schwartzman bei 6:5 seinen vierten. Und diesen nutzte er - nach 4:34 Stunden ging die Partie in den entscheidenden fünften Durchgang.
 
Bis zum 3:2 für Schwartzman ging nun alles programmgemäß, doch nach exakt fünf Stunden gelang dem Argentinier ein Break zu Null zum 4:2. Nun war bei Thiem der Saft draußen. Zum 2:6 gab er sein Service nochmals ab, Schwartzman nutzte seinen erste Matchball.
 
Thiem wird sich nun zweieinhalb Wochen erholen. Der nächste Einsatz steht beim Erste Bank Open in Wien an, danach will er noch in Paris-Bercy und bei den ATP-Finals in London spielen.
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