Gilligans Plan

Aus Ö soll echte A-Nation werden

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Nach dem gelungenen Wiederaufstieg wälzt der Teamchef große Pläne.

Bill Gilligan hat geschafft, was vor ihm auch Jim Boni (2006) und Lars Bergström (2008) gelungen ist: Die österreichische Eishockey-Nationalmannschaft wieder zurück in die A-WM zu führen. In der Slowakei 2011 gilt es aber zu vermeiden, was seinen beiden Vorgängern passiert ist, nämlich sofort wieder abzusteigen. Gilligan wird dafür einige Änderungen im Kader vornehmen, um eine echte A-Nation zu werden fordert er aber langfristig ein Umdenken in mehreren Bereichen.

Routine als Trumpf
War nach dem Abstieg im Vorjahr noch von einer Verjüngung der Mannschaft die Rede gewesen, fuhr Gilligan mit der ältesten österreichischen Nationalmannschaft seit Jahren nach Tilburg. Vor allem in der Verteidigung setzte er auf Routine, dazu holte er nach drei Jahren den ehemaligen NHL-Torhüter Reinhard Divis zurück ins Team, der es ihm mit ausgezeichneten Leistungen dankte. Gilligan setzte auch Matthias Trattnig so wie bei dessen Club in der Verteidigung ein, der Salzburg-Spieler fühlte sich in der Rolle derart wohl, dass er zum besten Verteidiger des Turniers gewählt wurde.

Probleme mit dem Tempo
"Die Spieler sind sehr willig und diszipliniert, sie sind reif, sie setzen sehr gut um, was wir verlangen, ohne zu jammern. Das ist sehr professionell", lobte der US-Amerikaner sein Team. Bei der Kaderzusammenstellung "haben wir vielleicht keine Fehlentscheidung getroffen, aber das heißt nicht, dass die gleiche Mannschaft in der A-WM spielt. Da brauchen wir vielleicht andere Qualitäten. Läuferisch muss man besser sein, einige Spieler haben mit der Schnelligkeit Probleme", sagte Gilligan.

Abwehr als Baustelle
So sind in der Abwehr die langjährigen Teamspieler Andre und Philippe Lakos Alternativen, von den jüngeren dürfen sich Martin Oraze (25) oder Stefan Ulmer (19) Chancen auf eine WM-Teilnahme ausrechnen, auch Martin Schumnig (20) steht bei ihm im Notizblock. Einige Stürmer wie die Harand-Brüder könnten sich in einer neuen Position als Abwehrspieler finden. Mit Raffael Rotter (22) und Michael Raffl (21), die heuer verletzt fehlten, könnten auch im Angriff zwei junge Spieler frischen Wind bringen. Der ebenfalls verletzte Philipp Lukas sowieso. Gilligan hat aber auch weitere Spieler im Visier, immerhin testete er im ersten Jahr als Teamchef 47 Kandidaten. Ob die NHL-Spieler Thomas Vanek, Michael Grabner und Andreas Nödl 2011 dabei sein können, hängt wie immer vom Play-off-Erfolg ihrer Clubs ab.

Teamchefvertrag frühzeitig verlängert
Gilligan wird jedenfalls auch im nächsten Jahr seine Vorstellungen umsetzen können. Denn mit dem siebenfachen Vereins-Meister (viermal mit dem KAC, dreimal mit Bern) scheint der Verband eine guten Griff gemacht zu haben. Seriöse Arbeit und guten Draht zu den Spielern nannte Verbandskapitän Dieter Kalt als Grund, warum schon vor dem Turnier eine Zusammenarbeit um ein weiteres Jahr vereinbart worden ist. Das "Finale" in Tilburg gegen die Ukraine (2:1) bestätigte ihn nur. "Die Mannschaft hat das gehalten, was ich schon bei anderen Turnieren erwartet habe, nämlich in der richtigen Phase des Spieles die Nerven zu bewahren und über die Zeit zu bringen", erklärte Kalt.

Nachwuchs endlich fördern
Mit dem Aufstieg ist es für Gilligan aber nicht getan. Will sich Österreich in der Elite der 16 besten Mannschaften etablieren, muss ein Umdenken stattfinden, wird er nicht müde zu betonen. "Nur weil man einmal nach oben kommt, ist man nicht unbedingt eine A-Nation. Man muss viel im Nachwuchs machen, dass man eine richtige A-Nation ist und bleibt. Wir brauchen mehr Spieler, die in der Meisterschaft eine Rolle spielen, nicht nur ein paar. Wir brauchen auch mehr Verteidiger", sagte der 55-Jährige.

Konzepte auch umsetzen
Der Teamchef soll daher auch am neuen Nachwuchskonzept des Verbandes mitarbeiten und als "sportliche Leitfigur" (Kalt) dienen. Gilligan will aber nicht zu viel Optimismus verbreiten. "Ein Konzept zu schreiben ist wichtig und schön, umgesetzt muss es erst werden. Die Lösungen sind da, sie umzusetzen ist schwieriger. Viele Leute wissen ungefähr, was das Problem ist. Wir müssen viel verbessern, im Nachwuchs, im Verband, in der Liga. Wir haben nur sechs Clubs, zu wenig einheimische Spieler, wenige einheimische Goalies", so der US-Amerikaner, der mangelnde Zusammenarbeit und Kompromissbereitschaft ortet.

Gilligan, der gleichzeitig Clubtrainer der Graz 99ers ist, will da mithelfen, er wird die Doppelbelastung aber nicht ewig auf sich nehmen, sagte er nach dem Erfolg. "Ich mache die Arbeit gerne, weiß aber nicht, ob ich beide Jobs langfristig ausüben will und kann. Ich habe noch immer viel Energie, aber ohne Pause ist das eine lange Saison", sinnierte der Teamchef. Dazu kommt das ständige Abwägen zwischen den Interessen des Clubs und des Verbands.

Ziel ist der Klassenerhalt
Im nächsten Frühjahr wird er aber alle Energie aufbringen, dass Österreich von 29. April bis 15. Mai in Bratislava und Kosice erstmals seit 2004 in Prag unter Herbert Pöck wieder den Klassenerhalt schafft. Gilligan sieht durchaus Chancen: "Meiner Meinung nach ist es schwieriger aufzusteigen als oben zu bleiben. Auch wenn für Österreich beides nicht einfach ist."

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