Linkes Bündnis möglich

Berliner wählten Rot-Schwarz ab

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Die AfD schaffte es aus dem Stand zweistellig in den Landtag.

Die deutsche Hauptstadt kann nur noch von einem Bündnis aus drei Parteien regiert werden. Rot-Schwarz ist am Ende, das schlechte Abschneiden beider Parteien alarmiert viele. Die Sozialdemokraten bleiben dennoch im Roten Rathaus.

Linkes Bündnis

In Berlin zeichnet sich das bundesweit erste Regierungsbündnis von SPD, Linken und Grünen unter Führung der Sozialdemokraten ab. Nach dem vorläufigen Ergebnis gewann die SPD die Wahl zum Abgeordnetenhaus vor ihrem bisherigen Koalitionspartner CDU. Die früheren Volksparteien verloren zusammen über zwölf Prozentpunkte und fuhren ihr jeweils schlechtestes Nachkriegsergebnis in Berlin ein. Die SPD kann zwar weiter regieren, muss sich aber zwei Partner suchen. Zweierbündnisse haben keine Mehrheit mehr.

Ein Jahr vor der Bundestagswahl könnte von einem linken Bündnis in der Hauptstadt ein Signal ausgehen. Führende Unionspolitiker warnten davor. CDU-Generalsekretär Peter Tauber betonte: "Es gilt, eine rot-rot-grüne Regierung zu verhindern." Bundesweit regiert in Thüringen noch eine solche Dreierkoalition - mit einem Linken-Ministerpräsidenten.

Vorläufiges Ergebnis

Nach dem vorläufigen Ergebnis erreichte die SPD 21,6 Prozent (2011: 28,3). Die Union kam mit 17,6 Prozent auf Platz zwei (2011: 23,3). Die Linkspartei landete mit 15,6 Prozent auf Platz drei (2011: 11,7) und überflügelte knapp die Grünen, die 15,2 Prozent verbuchten (2011: 17,6). Die AfD kam aus dem Stand auf 14,2 Prozent und sitzt nun in 10 von 16 Landesparlamenten. Die Rechtspopulisten holten fünf Direktmandate. Die FDP kehrt mit 6,7 Prozent ins Parlament zurück (2011: 1,8). Erwartungsgemäß flogen die Piraten mit 1,7 Prozent (2011: 8,9) raus.

Die Sitzverteilung sieht so aus: SPD 38 Sitze, CDU 31, Linke 27, Grüne 27, AfD 25, FDP 12 Sitze. Die Wahlbeteiligung war mit 66,9 Prozent deutlich höher als 2011 (60,2 Prozent).

Fünf Parteien nur 7,4 Prozentpunkte auseinander - so eng wie jetzt in Berlin lagen in Deutschland noch nie so viele Parteien bei einer Landtags- oder Bundestagswahl zusammen. Die Linke legte als einzige der im Bundestag vertretenen Parteien zu. Die Grünen blieben unter ihrem Rekordergebnis von 2011. Beide Parteien stehen für ein Bündnis mit der SPD bereit.

Negativ-Serie für Merkel

Parallel wurden die Kommunalparlamente in den zwölf Bezirken gewählt, die Bezirksverordnetenversammlungen (BVV). Die AfD hat nach den Wahlergebnissen dort einen rechnerischen Anspruch auf sieben Stadtratsposten. Diese Ämter würden ihr bundesweit erstmals im Zuge einer Wahl konkrete Verwaltungsmacht verleihen.

Für die CDU von Kanzlerin Angela Merkel, deren Flüchtlingspolitik auch in der Union selbst umstritten ist, markiert der Sonntag die Fortsetzung einer Negativ-Serie: Bei allen Landtagswahlen in diesem Jahr verlor die Partei Stimmen.

Die SPD, die im Bund mit CDU/CSU regiert, sackte in Berlin allerdings mit knapp sieben Prozentpunkten noch stärker ab als die Union. Noch nie in Deutschland hatte ein Sieger bei Landtagswahlen ein so mageres Ergebnis.

Sondierungsgespräche nicht mit AfD

SPD-Spitzenkandidat Michael Müller (51), dessen Partei seit 15 Jahren den Regierenden Bürgermeister im Roten Rathaus stellt, kündigte Sondierungsgespräche zur Regierungsbildung mit allen Parteien außer der AfD an. Er fügte hinzu: "Ich sehe mehr Schnittmengen mit Grünen und Linken." SPD-Chef Sigmar Gabriel betonte: "Berlin bleibt sozial und menschlich anständig."

CDU-Spitzenkandidat und bisheriger Innensenator Frank Henkel lehnte einen Rücktritt ab. Seine Partei stehe für Sondierungsgespräche bereit.

Grünen-Chef Cem Özdemir sieht einen Regierungsauftrag für seine Partei. "Die Leute wollen eine seriöse Regierung, wir können das." Die Grünen könnten in Berlin erstmals seit 2002 wieder an die Macht kommen. Eine Koalition mit der CDU lehnten sie ab.

Großartiges Signal für Linke und AfD

Linken-Vorsitzende Katja Kipping wertete das Abschneiden ihrer Partei als großartiges Signal. "Das macht Mut für linke Mehrheiten." In Berlin hatte die Partei bereits von 2002 bis 2011 als Juniorpartner mit der SPD zusammen regiert. Für FDP-Generalsekretärin Nicola Beer hat eine Regierungsbeteiligung der Liberalen keine Priorität.

AfD-Vize Beatrix von Storch sagte, ihre Partei sei auf direktem Weg in den Bundestag. Mit der AFD will keine der anderen Parteien zusammenarbeiten. Im Abgeordnetenhaus sitzen künftig sechs Parteien. Das gibt es noch in den Stadtstaaten Bremen und Hamburg.

Schwache CDU

Die Berliner SPD verdankt ihren Wahlsieg nach einer Analyse der Forschungsgruppe Wahlen Müller und der Schwäche der CDU. Müller, für den es die erste Wahl war, habe die höchste Reputation aller Kandidaten. Die SPD genieße soziale Kompetenz. Müller war erst vor knapp zwei Jahren auf Klaus Wowereit gefolgt. Die Berlin-CDU habe neben personellen Defiziten ein Imageproblem.

In einer ZDF-Umfrage gaben 64 Prozent an, entscheidend sei für sie die Landespolitik, 31 Prozent sagte, für sie sei die Bundespolitik wichtiger. Allerdings gaben auch 55 Prozent der Wähler an, Müller als Bürgermeister behalten zu wollen. Laut einer ZDF-Analyse kamen von der CDU mit 22 Prozent die meisten Wähler einer anderen Partei zur AfD, und 47 Prozent der Nichtwähler entschieden sich für die Rechtspopulisten. In einer ARD-Umfrage gaben nur 26 Prozent an, sie würden die AfD aus Überzeugung wählen. 69 Prozent sagten, sie seien von den anderen Parteien vor allem wegen der Flüchtlingspolitik und der inneren Sicherheit enttäuscht.

Bis zur Bundestagswahl im September 2017 gibt es mit den Wahlen im Saarland (26. März), in Schleswig-Holstein (7. Mai) und in Nordrhein-Westfalen (14. Mai) drei weitere politische Stimmungstests in Deutschland.
 

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