Herbert Bauernebel

ÖSTERREICH-Reporter: "Ich war in Fukushima"

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"Im Atom-Krisen-Zentrum sah ich die nackte Panik."

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Ich habe viel gesehen in meinem Reporter­leben, im letzten Jahr etwa die Ölpest in New Orleans, das Katastrophenbeben in Haiti. Aber das hier ist anders, das stellt alles in den Schatten. Es ist der Kampf gegen einen unsichtbaren Feind. Das Bittere: Er scheint verloren zu gehen.

Japan: Bilder der Verwüstung

Lokalaugenschein im Krisenstab beim Katastrophen-AKW Fukushima. Ich bin auf dem Weg von Sendai Richtung Tokio. Die Nachrichten sind beunruhigend. Die Atomwolke soll Japans Hauptstadt erreicht haben. Alle haben Angst.

Die Autobahn von Sendai nach Tokio führt in 40 Kilometer Entfernung am Schrottreaktor Fukushima vorbei. Bei der Hinfahrt vor zwei Tagen war ich schon einmal in der Stadt. Damals herrschte gespannte Ruhe. Die Katastrophe – sie schien beherrschbar.

Atom-Angst: So schützt sich Japan

Nach einer Explosion im AKW in Fukushima ist eine radioaktive Wolke auf dem Weg nach Tokio.

Hunderte Menschen versammeln sich bei "Scan-Zentren".

Überall sieht man Menschen in Schutzanzügen.

Die Supermärkte sind leergeräumt.

Die Regierung rät von Hamsterkäufen eigentlich ab.

Die Angst und der Schock ist den Menschen ins Gesicht geschrieben.

Auch das Militär bereitet sich auf die Strahlen-Bedrohung vor.

Gesichtsmasken kennzeichnen das Bild von Tokio.

Ein Beitrag zum langfristigen Schutz: "Atoms of Peace" testen in Thailand japanische Lebensmittel auf Strahlen-Kontamination.

Die Maske mag vor verstrahlten Partikeln schützen, gegen fallende Kurse kann sie aber nichts ausrichten.

Wer in den Trümmern gräbt, kommt um Helm und Anzug nicht herum.

Eine Taschenlampe hilft diesem Feuerwehrmann, auch am späten Abend noch Verschüttete aufzuspüren.

Atomare Strahlung macht auch vor Zügen nicht halt.

Das ärztliche Personal ist standesgemäß ausgerüstet.

In der Nähe des Wassers empfiehlt sich das Tragen von Schwimmwesten.

Jetzt ist keine Rede mehr von der sprichwörtlichen Coolness der Japaner. Im Einsatzzentrum mitten in der Stadt (300.000 Einwohner) ist spürbar: Jetzt sind alle in Panik.

Drei Explosionen in vier Tagen, große Mengen an Radioaktivität, die aus den Reaktoren austreten, das sorgt für Angst. Vor allem aber macht es ratlos. Das Schlimmste: Niemand weiß offenbar mehr, was den Super-GAU jetzt noch aufhalten kann.

Den Leitern des Krisenstabes steht die Angst ins Gesicht geschrieben. Ihre Mienen sind versteinert. Sie plärren Anweisungen an die Mitarbeiter, die diese eilfertig ausführen. Nichts wirkt so, als geschähe es nach Plan.

Polizei und Rettungskräfte im Dauereinsatz

Das Miltär rettet die Menschen aus den Fluten.

Überall wurden Notschlafstellen eingerichtet.

Die Einsatzkräfte suchen nach Überlebenden.

Es ist kaum Platz für die vielen Verletzten.

Viele Tote werden abtransportiert.

Schlauchboote sind jetzt das Fortbewegungsmittel Nummer 1.

Die endlose Suche.

Eine alte Frau bei ihrer Rettung.

Mitten im Raum werden Operationen durchgeführt.

Die Hoffnung stirbt zuletzt.

Aufgebrachte Einwohner gehen auf Manager los
Die Stimmung kippt. Vor zwei Tagen noch hatte die Bevölkerung Vertrauen in Krisenmanagement und Politik. Jetzt ist der Zorn da. "Wir wurden belogen, beschwindelt, in Sicherheit gewogen", sagen viele. Am Weg ins Krisenzentrum muss sich der Einsatzleiter einen Weg durch ein Spalier aufgebrachter Einwohner bahnen.
Die Mitarbeiter verteilen DIN-A4-Zettel auf Umweltschutzpapier an die Menschen, die mit erstaunten Gesichtsausdrücken auf die Zahlenkolonnen starren. Die neuesten Messwerte aus den Gebäuderuinen der durch die Explosionen schwer beschädigten Havarie-Reaktoren stehen drauf – am Ende, ohne viel Erklärung, handgekritzelt: 8:31 Uhr 1,5 m/s, 8:35 Uhr 1,6 m/s, 8:50 Uhr 1,8 m/s.

Ein Raunen geht durch die Menge. Die Zahlen zeigen schwarz auf weiß, wie dramatisch die radioaktive Belastung gestiegen ist. Wild reden die Menschen am Gang durcheinander, wollen mit lautstark zugerufenen Fragen nachbohren. "Ich habe noch gar nicht gesagt, um welche Uhrzeit die Evakuierungen beginnen", stiftet ein Sprecher der Kraftwerksgesellschaft noch mehr Verwirrung.

Auch rundherum nichts als Hektik: Notärzte schleppen Kartons mit Medikamentenschachteln durch das Gebäude, draußen stellen sich Bewohner mit Reisetaschen für die Busse an – jetzt will jeder weg. Eine Mutter huscht mit ihrem Baby über die Straße, eine Familie steigt in ein Taxi. Über dem Gebäude knattern schwere Militärhubschrauber.

Dazwischen immer wieder das Gebrüll im Koordinationszentrum. Die Szenen machen deutlich: Das hier ist kein Krisen­management mehr, das ist der Vorhof zur Hölle.
 

Einmal Hölle und retour

Seit vergangenem Samstag ist ÖSTERREICH-Reporter Herbert Bauernebel in Japan, berichtet seither für Tageszeitung und Internet aus dem Katastrophengebiet. Der Reporter ist inzwischen gefragter Interviewpartner für Radiostationen bis hin zur "Zeit im Bild".

Bauernebel Route Japan
© TZ ÖSTERREICH

Montag fuhr Bauernebel von Tokio nach Sendai, die zerstörte Millionenstadt. Auf der Rückfahrt bog er Richtung Fukushima ab, besuchte das Krisenzentrum in der Nähe der Desaster-
Reaktoren. Mitten im Katastrophengebiet erlebte er hautnah den (vermutlich vergeblichen) Kampf mit.

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Ein Land geht durch die Hölle

Erdbeben, Tsunami, Atom-GAU: Japan wird von der schlimmsten Katastrophe seit dem 2. Weltkrieg heimgesucht. Hier alle Bilder als Fotostrecke.

Japan am Freitag Nachmittag, es scheint ein Tag wie jeder anderer zu sein.

Doch dann erzittert die Erde: Großalarm, Behörden und Medien melden 650 km südlich von Japan ein starkes Erdbeben.

Bereits die erste Folgen der Erschütterungen sind heftig: Gebäude stürzen ein, Strassen brechen auf.

In Tokio fallen zahlreiche Transportmittel aus, es kommt zu einem Verkehrschaos.

Alles, was noch fährt, ist brechend voll mit verunsicherten Bewohnern und Pendlern.

Geschäftsauslagen bersten, Regale kippen um, Lastwägen entleeren sich auf offener Straße.

Andernorts sind die Folgen viel gravierender: In Sendai geht eine Erdölfabrik in Flammen auf.

Das Feuer kann lange nicht gelöscht werden. Die Gegend ist verwüstet und verschmutzt.

Wieder und wieder wird das Land von heftigen Nachbeben erschüttert, die weitere Schäden auslösen. Doch es kommt noch schlimmer.

Nach dem Rekord-Beben rollt nun eine Killer-Welle auf Japan zu.

Als sie auf Land trifft, kann nichts ihrer Urgewalt standhalten.

Zahllose Menschen werden von den Wassermassen verschluckt, Schiffe, Autos und selbst Kleinflugzeuge wie Spielzeug weggespült.

Auch dieses kleine Gebäude wird von der Gewalt der Welle hinfortgerissen.

Die Flut treibt ein Schiff in die Küstenstadt Ofunato und verwüstet den Ort.

Der Riesen-Tsunami macht die Stadt Minamisanriku (Nordost-Japan) dem Erdboden gleich.

Auch in Rikutenzakada (Präfektur Iwate) ist die Lage mehr als katastrophal.

Viele Menschen haben alles verloren. Ihre einstigen Häuser sind Teil eines riesigen Trümmerfelds.

Pure Verzweiflung angesichts des Unfassbaren. Auch die Stadt Natori ist nach Erdbeben und Tsunami nur noch ein Trümmerhaufen.

Allerorts hat man mit den Auswirkungen der Katastrophe zu kämpfen.

Binnen weniger Stunden schnellen die Opferzahlen in die Höhe. Doch während das Land von Flut und Feuer heimgesucht wird, bahnt sich eine viel größere Katastrophe an.

Japan betreibt zahlreiche Atomkraftwerke, die sich nun als tickende Zeitbomben erweisen

Noch am Freitag knallt es das erste Mal im AKW Fukushima Eins. Auch in Fukushima Zwei und Onagawa kommt es zu schweren Problemen.

Während man in den anderen Kraftwerken die Lage unter Kontrolle bekommt, fallen in Fukushima die Kühlsysteme mehrerer Reaktoren aus. Es gibt erneute Explosionen.

Die Notmaßnahmen schlagen nicht an. Das Areal um das Kraftwerk wird großzügig evakuiert. Vermutlich haben mehrere Kernschmelzen eingesetzt.

Egal ob Frau, Mann oder Kind - jeder muss sich gründlich auf Verstrahlung untersuchen lassen.

Umhüllt vom grünen Licht der Quarantänekammer, wird dieser Japaner auf seine Strahlungswerte gescannt.

Die Angst vor der Strahlung löst eine Massenflucht aus. An der Küste entstehen kilometerlange Staus.

Aus Angst vor Knappheit sind die Supermarktregale in vielen Gegenden bald leergekauft.

Viele Japaner sind zu spät, und müssen auf die nächsten Lieferungen warten.

Um den Andrang unter Kontrolle zu bekommen, hat dieses Geschäft eine Liste der dauerhaft ausverkauften Artikel ausgehängt.

Bald reagiert auch die Wirtschaft mit globalen Einbrüchen.

Und schon droht die nächste Gefahr: Bald soll der Wind drehen und Regen einsetzen.

Die Atom-Wolke könnte dann die Hauptstadt Tokio erreichen und verstrahlen. Dort leben 40 Millionen Menschen.

Angesichts der Dramatisierung der Lage, fühlen sich auch viele Tokioter nicht mehr sicher. Zahlreiche Menschen flüchten in südlicher gelegene Gebiete.

Auch wenn der Alltag in Tokio vorerst noch seinen normalen Lauf nimmt: Ohne Schutzmaske geht sicherheitshalber kaum jemand auf die Straße.

Jeder verfolgt gespannt die Ereignisse um das AKW Fukushima.

Immer mehr Menschen nehmen rund um den Globus Anteil an der Tragödie in Japan.

Selbst die europäische Fußballorganisation UEFA bekundet ihr Beileid. Am Dienstagabend gibt es vor den Champions League-Partien eine Schweigeminute.

Viele im Ausland lebende Japaner sind geschockt von der Tragödie in ihrer Heimat. Hier: Inter Mailand-Kicker Nagamoto nach dem Rückspiel gegen Bayern München.

Auch im eigenen Land, dort wo das Schicksal nicht so hart zugeschlagen hat, ist man in Gedanken bei den Opfern der Katastrophe.

Nun meldet sich sogar Kaiser Akihito persönlich zu Wort.

Der "Tenno" ist "zutiefst besorgt" über die Lage. Es ist äußerst selten, dass der oberste Monarch ein öffentliches Statement abgibt.

Die internationale Hilfe läuft schnell an. Die USA sind mit mehreren Schiffen, Helfern und Militär vor Ort. Hier fährt die "USS Preble" vor Sendai auf.

Auch die Streitkräfte auf der "USS Ronald Reagan" arbeiten auf Hochtouren.

Mit zahlreichen Helikoptern machen die Helfer sich ein Bild der Lage...

...doch fast überall sieht es ähnlich trist wie hier in Miyagi aus.

Inmitten der Katastrophe muss man mit provisorischen Landeplätzen Vorlieb nehmen.

Die ausländischen Helfer unterstützen nicht nur die Aufräum- und Sucharbeiten...

...sondern liefern dringend benötigte Güter an jene, die sie dringend brauchen.

Auch die japanische Armee ist rund um die Uhr auf den Beinen. Über 70.000 Soldaten wurden mobilisiert, dazu gesellen sich mehrere tausend Reservisten.

Neben Treibstoff wird in den betroffensten Gebieten die Nahrung knapp. Umso dramatischer, denn am Mittwoch verschlimmert sich die Lage erneut.

Eisige Temperaturen und Schneefall in vielen Gegenden, machen den Überlebenden von Erdbeben und Tsunami das Leben noch schwerer.

Tausende Menschen müssen neben der Strahlengefahr nun auch den Erfrierungstod fürchten.

Die wachsende Schneedecke macht es für Helfer und Freiwillige...

...zunehmend schwerer, ihrer Arbeit nachzugehen.

Die Chancen, in den Trümmern der Katastrophe noch Überlebende zu finden, sinken nun dramatisch.

In Fukushima brodelt es noch, der Rest des Landes findet langsam Zeit, die Opfer von Beben und Flut zu betrauern.

Viele Menschen erliegen auch heute noch den Verletzungen, die ihnen die Naturkatastrophen beigebracht haben.

Und auch manche der Helfer bezahlten ihren Einsatz mit dem Leben.

Zahlreiche Menschen nahmen...

...an den ersten Trauerzeremonien teil.

Auch aus den Nachbarstaaten gab es Kondolenzbotschaften. Der südkoreanische Ministerpräsident Lee Myung-Bak bekundete Japan sein Mitgefühl.

Sein japanischer Amtskollege, Naoto Kan, schwörte sein Volk bei einer TV-Ansprache auf den Wiederaufbau des Landes ein. Es gelang ihm nur unter Tränen.