Menschen nutzen kreative Maßnahmen, um Madrids Verbot zu umgehen.
Vor dem geplanten Referendum über die Unabhängigkeit Kataloniens von Spanien liefern sich die spanische Polizei und die katalanischen Behörden ein Katz-und-Maus-Spiel. Obwohl Madrid das Votum am Sonntag um jeden Preis verhindern will, halten die katalanischen Unabhängigkeitsbefürworter ungeachtet eines Verbots des spanischen Verfassungsgerichts daran fest.
Wird die Abstimmung am Sonntag stattfinden?
Das Referendum wird abgehalten werden, allerdings nicht in einer so flächendeckenden und unstrittigen Form, dass der Ausgang als repräsentativ anerkannt werden könnte. Die spanische paramilitärische Polizeieinheit Guardia Civil hat bereits fast zehn Millionen Stimmzettel beschlagnahmt, die Wahlkommission wurde aufgelöst und tausende Polizisten stehen bereit, um die Wahllokale zu sperren.
Um die spanischen Gegenmaßnahmen zu umgehen, lassen sich die Katalanen einiges einfallen: Der Sprecher der Regionalregierung, Jordi Turull, rief die Wähler auf, ihre Wahlzettel selbst zu Hause auszudrucken. Auch die Wahlurnen hat die Polizei noch nicht gefunden, und die spanischen Behörden haben den Verdacht, dass Bäckerei- und Supermarkt-Fahrer sie in ihren Lieferwagen bereits in Rathäuser in ganz Katalonien gebracht haben, wie die Zeitung "El Mundo" berichtete.
Die Liste der Wahllokale wurde nicht vollständig veröffentlicht. Die Wähler müssen sich zum Auffinden ihres Wahllokals mit persönlichen Daten in Websites einloggen, die ständig wechseln, weil sie von den spanischen Behörden immer wieder geschlossen werden.
Der katalanische Vize-Präsident Oriol Junqueras erklärte am Mittwoch, die etwa 5,5 Millionen Wähler könnten auch über den verschlüsselten Telegram-Messengerdienst herausfinden, wo sie wählen könnten. Laut Regionalregierung stehen über 2.300 Wahllokale bereit, die in Schulen oder öffentlichen Gesundheitszentren eingerichtet werden könnten.
Sind Zusammenstöße am Wahlsonntag zu erwarten?
Von den 948 Kommunen wollen sich 712 an dem Votum beteiligen. Ein Richter ordnete am Mittwoch an, dass die Polizei ab Freitagnacht die Wahllokale abriegeln und bis Sonntag überwachen soll. In einem Umkreis von hundert Meter um die Wahllokale soll eine Abstimmung ebenfalls untersagt sein.
Auch die katalanische Polizei Mossos D'Esquadra ist an die Anweisungen aus Madrid gebunden, hat aber bekannt gegeben, dass sie diesen nur folgen werde, solange dadurch nicht die öffentliche Ordnung in Gefahr sei. Die katalanische Regionalregierung hat die Unabhängigkeitsbefürworter auf jeden Fall aufgerufen, "friedlich" zu bleiben.
Insgesamt haben die Mossos D'Esquadra 16.800 Polizisten zur Verfügung, die spanische Guardia Civil hat 6.000 Polizisten ständig in Katalonien. Madrid hat nun 10.000 zusätzliche Sicherheitskräfte in die Region entsandt.
Wird es doch Verhandlungen zwischen Barcelona und Madrid geben?
Da die Gegner des Unabhängigkeitsreferendums am Sonntag nicht zur Wahl gehen, dürfte ein klares "Ja" zur Abspaltung das Ergebnis der Abstimmung sein. Die katalanische Regionalregierung könnte das für sich nutzen, auch wenn das Votum nicht repräsentativ ist. So könnten die Separatisten die Mobilisierung ihrer Anhänger verstärken.
Die CGT-Gewerkschaft hat für Dienstag bereits zu Streiks aufgerufen wegen der "Aufhebung der Bürgerrechte" in Katalonien. Da das wirtschaftsstarke Katalonien rund 19 Prozent zur Wirtschaftskraft Spaniens beiträgt, könnte ein noch breiterer Ausstand das Land empfindlich treffen. Die Regionalregierung könnte dann laut Politikprofessor Gabriel Colome von der Autonomen Universität in Barcelona über Finanzen und Autonomie mit Madrid verhandeln.
Eine einseitige Ausrufung der Unabhängigkeit hätte wohl eine harte Reaktion Madrids zur Folge - womöglich bis hin zum Entzug der Autonomie und der Festnahme von Regionalpräsident Carles Puigdemont. Das würde aber nur den Separatisten in die Hände spielen, meint Colome, die das Referendum zu einer Abstimmung über "die Verteidigung der Demokratie gegen einen repressiven Staat" machen wollten. Im Falle von Neuwahlen in Katalonien könnten die Befürworter der Unabhängigkeit ihre Mehrheit dann womöglich ausbauen.