In Charkow

Ukraine: Prorussische Demonstranten verhaftet

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Gebäude der Regionalverwaltung eingenommen. Klitschko warnt vor Invasion.

Nach Ausschreitungen prorussischer Demonstranten in der Stadt Charkow (Charkiw) im Osten der Ukraine hat die Polizei 70 Protestteilnehmer festgenommen. Nachdem die Demonstranten mehrere Räume des Gebäudes der Regionalverwaltung in Brand gesetzt hatten, habe man eine "Anti-Terror-Operation" gestartet. NATO-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen warnte Moskau vor einem Einmarsch in der Ostukraine.

Bei der Aktion wurde das Gebäude gesichert und 70 Menschen wegen "Separatismus", "Massenunruhen" und "Gefährdung der Gesundheit anderer" festgenommen worden, teilte die örtliche Vertretung des Innenministeriums am Dienstagmorgen mit. Prorussische Demonstranten hatten das Gebäude am Sonntag besetzt, nach Verhandlungen mit Innenminister Arsen Awakow aber wieder verlassen. Dennoch blieb auch am Montag die Lage angespannt, wiederholt gab es Zusammenstöße zwischen den rund tausend prorussischen und einer kleineren Gruppe proeuropäischer Demonstranten.

Das russische Außenministerium ermahnte die Übergangsregierung in Kiew am Dienstag, keine Entscheidungen zu treffen, die zu einer weiteren Eskalation der Lage beitragen könnten. "Wir rufen dazu auf, umgehend alle militärischen Vorbereitungen einzustellen, die zum Ausbruch eines Bürgerkriegs führen könnten", erklärte das Ministerium. Vorwürfe der USA, die Proteste im Osten der Ukraine würden von Moskau gesteuert und Provokateure von Russland bezahlt, wies das Außenamt zurück. In einem Artikel für den britischen "Guardian" konterte Lawrow, der Westen würde grundlos die Spannungen aufschaukeln. Gleichwohl vereinbarten Kerry und Lawrow, innerhalb der nächsten zehn Tage eine Treffen zu erwägen.

Diplomatische Lösung angestrebt
Die USA und Russland vereinbarten angesichts der aufgeheizten Lage einen neuen Anlauf für eine diplomatische Lösung der Krise.

In Donezk hatten die Besatzer des Gebäudes der Gebietsverwaltung am Montag eine souveräne Volksrepublik ausgerufen. Sie kündigten spätestens für den 11. Mai ein Referendum über einen Anschluss an Russland an - nach dem Vorbild der Schwarzmeer-Halbinsel Krim. Zudem forderten die Protestierer Kremlchef Wladimir Putin auf, "Friedenssoldaten" zu entsenden. Auch in Charkow verkündeten prorussische Kräfte eine autonome Republik. Aus Lugansk und Nikolajew wurden ebenfalls Auseinandersetzungen gemeldet.

Anders als auf der Krim gibt es in den ostukrainischen Gebieten an der Grenze zu Russland aber keine Mehrheit für einen Beitritt zur Russischen Föderation. Zudem hat Moskau die selbst ernannte Vertretungen bisher nicht anerkannt und hat auch - im Gegensatz zur Schwarzmeerflotte auf der Krim - keine Truppen dort stationiert.

Nach Angaben des US-Außenministeriums drängte Ressortchef John Kerry seinen russischen Kollegen Sergej Lawrow bei einem Telefonat, sich von den "Separatisten, Saboteuren und Provokateuren" zu distanzieren. Die Aktionen seien anscheinend keine "spontane Reihe von Ereignissen", sondern eine "orchestrierte Kampagne mit russischer Unterstützung". Jeder weitere Versuch Moskaus, die Ex-Sowjetrepublik zu destabilisieren, werde "weitere Kosten" nach sich ziehen. Beide Politiker vereinbarten direkte Gespräche binnen zehn Tagen. Daran sollten auch Vertreter der Europäischen Union und der Ukraine teilnehmen, teilte das US-Außenministerium weiter mit.

Prorussische Kräfte wurden bezahlt
Der Sprecher von US-Präsident Barack Obama sprach von "starken Hinweisen", dass zumindest einige der prorussischen Kräfte bezahlt worden seien. Eine offene oder heimliche Intervention in der Ostukraine bedeute eine "ernsthafte Eskalation", sagte Jay Carney.

Moskau wies jede Verantwortung zurück. "Genug der Anschuldigungen gegen Russland, das für alle aktuellen Probleme der Ukraine verantwortlich gemacht wird", teilte das russische Außenministerium mit. Auf dessen Facebookseite hieß es, auch gewaltbereite nationalistische Gruppen sowie 150 Spezialisten einer privaten US-Militärfirma seien in der Ostukraine aktiv.

"Wir fordern, alle militärischen Vorbereitungen unverzüglich einzustellen, die einen Bürgerkrieg nach sich ziehen können", teilte das Außenamt bei Facebook mit. "Die Organisatoren und Teilnehmer dieser Provokation sind verantwortlich für eine riesige Bedrohung der Rechte und Freiheiten sowie des Lebens unschuldiger Bürger der Ukraine und für die Stabilität des ukrainischen Staates." Moskau hatte stets betont, notfalls seine Bürger im Nachbarland auch militärisch zu schützen. Präsident Putin will sich am 17. April im Staatsfernsehen zu dem Konflikt äußern.

Klitschko warnt vor russischer Invasion
Der ukrainische Oppositionsführer und ehemalige Profi-Boxer Vitali Klitschko warnte vor einer russischen Invasion. "Wenn ich die Bilder aus der Ost-Ukraine sehe, dann denke ich sofort an die Krim", sagte Klitschko der Zeitung "Bild" (Dienstagausgabe) einem Vorabbericht zufolge. Was im Februar mit vermeintlichen Protesten begonnen habe, sei in Wahrheit ein Einmarsch Russlands gewesen. Die westliche Welt müsse diesmal entschiedener reagieren, "deutliche Worte finden und weitere Zeichen der Unterstützung", sagte er.

Die deutsche Regierung zeigte sich besorgt. "Tägliche Meldungen von Erhöhungen des wirtschaftlichen Drucks durch Russland und die Besetzung öffentlicher Gebäude führen zu neuen Verhärtungen", sagte Außenminister Frank-Walter Steinmeier der "Bild"-Zeitung (Dienstag). "Unsere Aufforderung geht an alle, Nerven zu bewahren und jetzt nicht noch Öl ins Feuer zu gießen."

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