Nach dem tödlichen Messerangriff von Solingen laufen Polizeiaktionen in ganz Nordrhein-Westfalen und im gesamten deutschen Bundesgebiet.
Das sagte der Düsseldorfer Polizeiführer Thorsten Fleiß am Samstag bei einer Pressekonferenz in Wuppertal. Er sprach von "umfangreichen Ermittlungsmaßnahmen". Auch Bundesbehörden seien beteiligt. Bei einem Stadtfest waren am Freitagabend drei Menschen bei einem Messerangriff getötet und fünf Personen schwer verletzt worden.
- Reaktionen nach Messer-Attacke: "Akt brutalster und sinnloser Gewalt"
- Messer-Attacke in Solingen: Das ist bisher über den Täter bekannt
- Messer-Amok: Drei Menschen bei Solinger Stadtfest getötet
Auch einen Terrorhintergrund schließen die Ermittler nicht aus. "Wir gehen nach den Gesamtumständen davon aus, dass der Anfangsverdacht einer terroristisch motivierten Tat nicht ausgeschlossen werden kann", so Düsseldorfs Oberstaatsanwalt Markus Caspers. Ein anderes Motiv sei derzeit nicht ersichtlich. Sollten sich die Hinweise auf eine terroristische Straftat verdichten, komme eine Übernahme des Falles durch den Generalbundesanwalt in Betracht.
Samstagfrüh sei ein 15-Jähriger festgenommen worden, ergänzte Fleiß. Nun werde ermittelt, ob es sich bei dem Festgenommenen um den Täter handelt. Als möglicher Vorwurf gegen den 15-Jährigen steht demnach momentan die Nichtanzeige geplanter Straftaten im Raum. "Nach vorliegenden Zeugenaussagen soll eine bislang unbekannte Person kurz vor dem Angriff mit dem Jugendlichen über Absichten gesprochen haben, die zur Tatausführung passen würden", so Caspers.
Noch kein gezieltes Bild vom Täter
Klar zugeordnetes Bildmaterial vom mutmaßlichen Täter liegt noch nicht vor. Es sei ein Hinweisportal geschaltet, es laufe "umfangreiches" Material ein, erklärte Fleiß. Die Auswertung laufe aber noch, "sodass wir im Moment noch kein gezieltes Bild vom Täter veröffentlichen können, weil wir es noch nicht gezielt zuordnen können". Wenn man ihn frage, ob Bildmaterial vom Täter vorliege, müsse er im Moment mit "Nein" antworten.
Die mutmaßliche Tatwaffe des Messerangriffs dürfte mittlerweile in einem Mülleimer in der Solinger Innenstadt gefunden worden sein. Das verlautete aus Ermittlerkreisen. Zuvor hatte die "Bild"-Zeitung berichtet.
Während des Stadtfests attackierte ein Mann am Freitagabend gegen 21.40 Uhr mehrere Menschen mit einem Messer. Den Opfern sei gezielt in den Hals gestochen worden, hieß es seitens der Polizei. Es sei dem Mann gelungen, im Tumult und in der sich anfangs ausbreitenden Panik nach der Tat zu entkommen, sagte ein Sprecher des NRW-Innenministeriums.
Sirenen rund um die Innenstadt zu hören
Laut "Solinger Tageblatt" riefen die Behörden die Bürger dazu auf, die Innenstadt zu verlassen. Das Festival sei vorerst beendet. Sirenen waren rund um die Innenstadt zu hören. Tausende Besucher folgten der Aufforderung, den Platz ruhig zu verlassen und nicht in Panik zu verfallen. "Die Menschen sind geschockt, aber friedlich vom Platz", berichtete Philipp Müller, einer der Mitorganisatoren des Festes, dem Bericht zufolge. Die Düsseldorfer Polizei mahnte die Bevölkerung indes weiter zur Vorsicht: "Menschen im Innenstadtbereich sollen vorsichtig sein", sagte ein Sprecher.
Der gebürtige Solinger DJ Tobias Topic schilderte auf seinem Instagram-Account mit mehr als 200.000 Followern, wie er seinen Auftritt bei dem Fest in seiner Heimatstadt erlebte. "Es lief alles unfassbar, danach habe ich noch spontan aufgelegt auf der 650-Jahr-Feier von Solingen", schrieb er. "Dann kam schon nach zehn, 15 Minuten jemand auf die Bühne und hat gesagt: "Hey, wir wissen nicht, was los ist. War wohl eine Messerstecherei. Bitte mach einfach weiter, wir wollen keine Massenpanik.'" Er habe dann weitergespielt und so getan, als wenn nichts wäre. Einige Minuten später sei die Musik dann abgestellt worden. Er denke an alle Opfer des Angriffs, betonte der DJ.
Politiker zeigen sich erschüttert
In Deutschland löste die Attacke zahlreiche erschütterte Reaktionen aus. "Wir dürfen so etwas in unserer Gesellschaft nicht akzeptieren und uns niemals damit abfinden. Mit der ganzen Härte des Gesetzes muss hier vorgegangen werden", meinte etwa Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD). "Der brutale Anschlag auf das Stadtfest in Solingen erschüttert uns zutiefst", sagte Innenministerin Faeser (SPD). "Schlimme, schlimmste Nachrichten aus Solingen", so Vizekanzler Robert Habeck (Grüne). Auch Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne), Finanzminister Christian Lindner (FDP) sowie CDU-Chef Friedrich Merz zeigten sich betroffen.
Herbert Reul (CDU), Innenminister von Nordrhein-Westfalen, machte sich noch in der Nacht ein Bild vor Ort und gab der Presse ein Statement.
Zu Wort meldete sich auch der deutsche Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier. "Der Täter muss zur Rechenschaft gezogen werden. Stehen wir zusammen - gegen Hass und Gewalt", erklärte das Staatsoberhaupt nach einem Telefonat mit dem Oberbürgermeister von Solingen, Tim Kurzbach, in Berlin.
Forderungen nach Messerverboten
Aus der SPD wurden indessen neue Forderungen nach Messerverboten laut. "Für mich ist klar, dass unsere Sicherheitsdienste mehr Befugnisse haben müssen, um solche Täter frühzeitig zu entdecken, insbesondere im digitalen Raum", sagte der stellvertretende Vorsitzende der SPD-Bundestagesfraktion, Dirk Wiese, der "Rheinischen Post". "Ebenso müssen wir endlich bei den Messerverboten vorankommen."
Aus Anlass des 650. Geburtstags der Stadt Solingen hatte am Freitag ein "Festival der Vielfalt" begonnen. Es sollte bis Sonntag dauern, wurde aber in der Nacht auf Samstag unter dem Eindruck der Ereignisse beendet. Die übrigen Programmpunkte wurden abgesagt, wie es in einer Mitteilung hieß. In den nahegelegenen Städten Hilden und Haan würden ebenfalls für dieses Wochenende geplante Feste kurzfristig abgesagt.