Börsen-Feuerwerk

Europa 
feiert das
 EU-Paket

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Aufatmen nach EU-Gipfel-Triumph: Optimismus statt Europa-Skepsis.

Die Börsen reagierten euphorisch und mit starkem Plus. Der Euro stieg deutlich über $ 1,40. Nach Tagen der Ungewissheit haben sich die Euro-Länder nun doch in der Nacht auf Donnerstag in Brüssel auf ein umfassendes Paket zur Griechenland-Rettung und Euro-Stabilisierung geeinigt. Das Paket wurde vor allem von Deutschlands Kanzlerin Angela Merkel und Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy ausverhandelt:

Schuldenschnitt
Am schwierigsten war die Entscheidung zum Schuldenschnitt für Griechenland. Die wichtigsten 60 Banken der EU rebellierten bis zuletzt. Um die Pleite des Landes zu verhindern, werden die privaten Gläubiger – Banken und Versicherungen – Griechenland nun aber doch 50 Prozent seiner Schulden erlassen. Das sind rund 100 Milliarden Euro. Merkel und Griechenland selbst hatten auf 60 Prozent gehofft. Da spielten aber Sarkozy und die Banken nicht mit.

Griechenland retten
Das Ziel dieser teilweisen Entschuldung: Der Schuldenstand Griechenlands soll bis 2020 von 160 auf 120 Prozent des Bruttoinlandsproduktes gesenkt werden. Die Hoffnung dahinter: So soll Griechenland mittelfristig nicht mehr von ausländischen Finanzhilfen abhängig sein. Die EU-Staaten behalten ihre Anleihen indes, dafür werden Griechenland bis 2014 weitere 100 Milliarden von der EU geborgt.

Rettungsfonds
Bislang waren 440 Milliarden Euro im EFSF – dem Euro-Rettungsfonds. Mittels Hebel soll er eine Schlagkraft von einer Billion Euro erhalten. Die EU will Investoren – China? – ködern, die einen Teil der Schulden von Ländern übernehmen sollen. Mit dieser Erhöhung des Fonds werden bereits Probleme von Italien und Co. einberechnet. Italien alleine hat derzeit Schulden in Höhe von 1,9 Billionen Euro. Silvio Berlusconi wird bis November einen konkreten Sparplan vorlegen müssen.

Rekapitalisierung
Beim EU-Gipfel wurde auch eine Rekapitalisierung der Banken beschlossen, damit sie durch den Schuldenerlass nicht selbst ins Wanken geraten. Insgesamt müssen die 60 wichtigsten Banken laut Europäischer Bankenaufsicht 106 Milliarden Euro zusätzlich aufstocken. Die deutschen Banken müssen rund 5,2 Milliarden Euro davon einbringen, Frankreichs Institute haben einen Bedarf von 8,8 Milliarden Euro. Die heimischen Banken benötigen 2,9 Milliarden Euro.

SP-Bundeskanzler Werner Faymann und VP-Finanzministerin Maria Fekter zeigen sich mit dem Ergebnis äußerst zufrieden.

Skeptischer sind hingegen Wirtschaftsexperten. WIFO-Experte Stephan Schulmeister etwa meint in ÖSTERREICH, dass das beschlossene Paket „nur eine Symptomkur“ sei. Die „Brandstifter“ seien hingegen ungeschoren davongekommen …
 

Fekter: "Vertrauen ist wieder da!"

ÖSTERREICH: Frau Minister, ist die Euro-Krise jetzt überstanden?
MARIA FEKTER: Wir haben einen neuen Weg der Krisenbewältigung beschritten und endlich ein Gesamtpaket geschnürt, das viele Probleme löst. Es hilft Griechenland, aus der Schuldenfalle zu kommen, und ist ein substanzielles Rettungspaket. Die Lösung bringt endlich eine wirtschaftliche Koordination in der EU, damit klare Regeln für die Schuldensünder. Ganz wichtig ist, dass die Schuldenbremsen künftig in allen EU-Staaten in die Verfassungen kommen. Das ist etwas, was ich seit Langem fordere und für Österreich schon vorbereitet habe. Meinen Entwurf dafür habe ich dem Koalitionspartner bereits vor sechs Wochen übergeben.

ÖSTERREICH: Haben wir die Krise damit überstanden?
FEKTER: Der Euro hatte nie eine Krise, das ist eine sehr stabile Währung. Wir hatten eine Griechenland-Krise, die zu einer sehr gefährlichen Schuldenkrise für ganz Europa geworden ist. Diese Krise ist noch nicht beseitigt, aber jetzt gibt es die richtigen Lösungsansätze.

ÖSTERREICH: Sie waren immer gegen den Schuldenerlass für Griechenland.
FEKTER: Ich war immer vehement dagegen, dass unsere Steuerzahler einen Schuldennachlass für die Griechen zahlen müssen. Die jetzige Lösung ist eine sehr gute. Sie kostet unsere Steuerzahler keinen Euro, sie wird freiwillig von den Banken getragen – und sie gibt den Griechen die Chance, ihr Land auf neue starke Beine zu stellen.

ÖSTERREICH: Geht’s jetzt mit Europa wieder aufwärts?
FEKTER: Aber sicher – ich bin da sehr optimistisch. Sie sehen ja, wie positiv die Märkte, die Börsen, die Anleger ­reagieren. Es ist jetzt wieder Vertrauen da in die Politik und auch in die EU. Die EU hat endlich gezeigt, dass sie handlungsfähig ist und auch große Entscheidungen rasch treffen kann. Ich bin sehr froh, dass wir dieses Gesamtpaket geschafft haben.
 

Auf der nächsten Seite: Das Reise-Protokoll und große Interview von SPÖ-Kanzler Faymann.

24 Stunden entschieden über Europas Schicksal

Die ganze Welt fieberte mit im Ringen von Europas Staatschefs mit den Banken.
ÖSTERREICH begleitete Kanzler Werner Faymann zum Gipfel. Das Protokoll:

  • 7 Uhr, Nationalfeiertag: Bei Faymann läutet der Wecker, ab 9.30 Uhr Feierlichkeiten am Heldenplatz.
  • 16.10 Uhr, Abflug: Faymann besteigt die gecharterte Falcon 2000. Er wirkt konzentriert und ernst wie selten zuvor. Keine Spur von Dauerlächeln.
  • 16.10 Uhr, Briefing: Im Flieger geht der Kanzler mit seinen Beratern alle anstehenden Beschlüsse und die Positionen der einzelnen Länder durch.
  • 17.55 Uhr, Fahrt zum Gipfel: Ein Indiz, wie wichtig dieses Treffen ist: Trotz Stoßzeit dauert die Fahrt nur zehn Minuten, für die Gipfelteilnehmer ist eine Spur freigeräumt. Die Belgier stehen im Stau.
  • 18.20 Uhr, Gipfelstart: Alle 27 EU-Staatschefs am Tisch. Der Pressesaal, groß wie ein Fußballplatz, ist bis auf den letzten Platz mit Journalisten besetzt.
  • 20 Uhr, 1. Ergebnis: Polens Tusk verkündet: „Banken müssen Kernkapital auf 9 % aufstocken.“ Der Tagungs- ist vom Presseraum hermetisch abgeriegelt. Dennoch dringen immer wieder News per SMS durch.
  • 1.06 Uhr, Banken-Runde: Unterbrechung: EU-Ratschef Van Rompuy, Merkel und Sarkozy verhandeln direkt mit dem Bankenverband, im Presseraum schlafen die Ersten, einige spielen am Computer.
  • 3.26 Uhr, Durchbruch: Unruhe im Presseraum, erste Gerüchte: Es ist geschafft. Einige klatschen – wenige Minuten später ist klar: Der Schuldenschnitt ist durch.
  • 3.44 Uhr, Erfolg: Weitere Details werden bekannt: Einigung über EFSF-Hebel auf 1.000 Mrd. €. Die Agenturen kabeln hektisch heim: Der Gipfel ist ein Erfolg.
  • 4.30 Uhr, Rückflug: Alle eilen zum Flugzeug, Faymann ist sichtlich erschöpft. Im Jet schläft er sofort ein. Daheim um 7 Uhr endet sein Tag nach genau 24 Stunden.

Faymann: "Ab 2014 will ich Finanzsteuer"

ÖSTERREICH: Herr Bundeskanzler, sind Sie nach dem Marathongipfel zum Schlafen gekommen?
Werner FAYMANN: Im Flugzeug habe ich eine Stunde geschlafen. Aber Donnerstagabend gehe ich früh zu Bett.

ÖSTERREICH: Sind Sie zufrieden mit dem Ergebnis?
FAYMANN: Wir haben bewiesen, dass die EU, wenn es darauf ankommt, voll handlungsfähig ist. Dass all jene unrecht hatten, die in einer Zerstückelung der EU und der Eurozone die Lösung gesehen haben. Das hätte uns in die Rezession geführt.

ÖSTERREICH: Was hat die Entscheidung des griechischen Schuldenschnitts herbeigeführt?
FAYMANN: Alle Experten haben uns gesagt, dass eine Insolvenz Griechenlands Folgen für alle Mitgliedsländer haben wird. Dass der Schaden um ein Vielfaches höher sein wird, weil das Vertrauen in Staatsanleihen jedes Landes gesunken wäre. Wir mussten das vermeiden.

ÖSTERREICH: Was kann ein kleines Land wie Österreich neben Frankreich und Deutschland überhaupt ausrichten?
FAYMANN: Jeder muss zustimmen, jeder hat Gewicht, denn es geht um die gemeinsame Währung, den Euro. Bei der Diskussion um den Euro-Rettungsschirm EFSF und den Schuldenschnitt für Griechenland wollte ich eine reale Perspektive für Griechenland, aber keinen Freibrief. Die Vorschläge von Angela Merkel gingen in meine Richtung. Die Beteiligung des Finanzsektors ist für mich mit dem Schuldenschnitt aber nicht vom Tisch. Für die Eurozone will ich ab 2014 die ­Finanztransaktionssteuer. Merkel ist überzeugt, aber wir sind da deutlich energischer.

ÖSTERREICH: Die Banken brauchen jetzt trotz Schuldenschnitt mehr Eigenkapital. Braucht es wieder ein Rettungspaket?
FAYMANN: Laut EU-Bankenaufsicht sind Österreichs Banken nicht überdurchschnittlich be­troffen. Im Bankenpaket von 2008 ist aber noch Spielraum.

ÖSTERREICH: Der Rettungsschirm wird auf 1.000 Mrd. Euro aufgestockt, die Staaten geben aber nicht mehr als bis jetzt 440 Mrd. Ein Zaubertrick?
FAYMANN: Richtig ist: Der Anteil Österreichs an den Haftungen wird durch den Hebel nicht erhöht. Das ist kein Zaubertrick. Wir garantieren den Ausfall der Staatsanleihen nur zum Teil, können dadurch aber mehr Anleihen versichern.

ÖSTERREICH: Die Zukunft?
Faymann: Griechenland hat eine echte Chance auf einen Neustart ab 2020. Jetzt sind noch viele technische und juristische Fragen zu klären.

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