Eigener Zustelldienst

Amazon will Post-Gegner werden

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Online-Händler mischt Paketbranche auf - Pläne für eigenes Zustellnetz.

Die Paketzusteller in Österreich und noch viel mehr in Deutschland um DHL, Hermes und DPD sind aufgeschreckt: Der Online-Händler Amazon schickt sich an, mit dem Aufbau eines eigenen Paketnetzes dem Platzhirsch Deutsche Post DHL und seinen Konkurrenten ein dickes Stück aus dem Zusteller-Kuchen wegzuschneiden. In Österreich wird der Markt von der teilstaatlichen Post AG dominiert.

Nachdem der Online-Riese seit Oktober die Zustellung vom Verteilzentrum Olching bei München in Eigenregie testet, kündigte Amazon-Geschäftsführer Bernd Schwenger in der "Deutschen Verkehrs-Zeitung" (Freitagsausgabe) eine Ausweitung an: "Zunächst werden wir andere Metropolen angehen und in Stadtnähe Verteilzentren aufbauen", sagte er dem Blatt.

Spekuliert wird schon länger
Ganz neu sind die Pläne freilich nicht. Spekulationen über den Aufbau einer Paketzustellung in Eigenregie gibt es bereits länger. Doch Amazon hatte sich zunächst nicht konkret dazu geäußert. Ob nun mit der Ankündigung, das eigene Paketnetz in Deutschland zu erweitern, schon bald ein neuer Paketdienstleister aus den Startlöchern kommt und die Branche durchwirbelt, bleibt abzuwarten.

"Erste Erfahrungen in Olching sind gut, jetzt müssen die weiteren Ergebnisse abgewartet werden", erklärt Stephan Eichenseher von Amazon Deutschland. Auf dieser Basis falle dann die Entscheidung, ob auch in anderen Städten nach diesem Modell Verteilzentren aufgebaut werden. Diesen Schritt sieht das Unternehmen allerdings als Ergänzung zu den bestehenden Paketdiensten.

Online-Boom ist ausschlaggebend
Hintergrund ist der anhaltende Onlineboom. Immer mehr Kunden kaufen Waren im Internet. Der Bundesverband Paket und Expresslogistik (BIEK) rechnet 2016 mit einem Anstieg des Sendungsvolumens von 5 bis 5,5 Prozent. Schon 2015 waren es 400.000 Sendungen zusätzlich pro Tag. Weil immer mehr Verbraucher die Auslieferung am nächsten oder gleichen Tag nachfragten, wolle Amazon eigene Kapazitäten aufbauen und näher an die Kunden heranrücken.

Ingo Bertram vom Paketdienstleister Hermes zeigt sich betont zurückhaltend: "Wir werden sehen, was daraus wird." Gelassenheit legt der Aschaffenburger Konkurrent DPD an den Tag: "Wir sehen aktuell keine gravierende Veränderung der Wettbewerbssituation", meint Peter Rey. Der Dienstleister, eine Tochterfirma der französischen La Poste, erkennt derzeit keine Bedrohung des eigenen Geschäfts durch die Avancen von Amazon: Ein flexibles System der Zustellung mit vielen Optionen für die Kunden könne nicht einfach kopiert werden, unterstreicht der Firmensprecher.

Branchenprimus DHL sieht Amazon weiterhin als einen wichtigen Kunden, mit dem der Konzern seit vielen Jahren zusammenarbeitet. "Als Qualitätsführer im deutschen Paketgeschäft erbringen wir für Amazon täglich hochwertige Serviceleistungen und gehen deshalb davon aus, dass wir auch in Zukunft eng zusammenarbeiten werden", sagt eine Konzernsprecherin.

BIEK begrüßt den Vorstoß
"Zusätzliche Konkurrenz müssen die Unternehmen nicht befürchten", sagt BIEK-Geschäftsführer Marten Bosselmann zu den möglichen Auswirkungen des Einstiegs von Amazon in die Paketzustellung. Der Verband begrüße freien Wettbewerb, der Innovationen belebe und für neue Ideen sorge. Aber der Aufbau eines flächendeckenden Netzes werde viel Geld kosten, prophezeit Bosselmann. Da hält er es am Ende für wahrscheinlicher, dass der Online-Gigant am Ende ein Unternehmen der Branche schluckt.

Dabei gibt es in der Branche durchaus ein Beispiel, wie ein Paketzusteller aus einem Versand-Unternehmen entstehen kann. Vor mehr als 40 Jahren hatte der Otto Versand ein postunabhängiges Paketsystem entwickelt, getestet und am 1. Juni 1972 gegründet: Die Hermes Paket-Schnell-Dienst GmbH, heute einer der größten Konkurrenten der Deutschen Post.

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