Offen, ehrlich, mit dem notwendigen Tiefgang und von Sportlerin zu Sportlerin: Kira Grünberg interviewt Anna Veith. Ein Gespräch über Popularität, Freundschaft, Kindheitsträume und die Kraft, nie aufzugeben.
Was passiert, wenn zwei Spitzensportlerinnen, die weit mehr als ihre Leidenschaft und Lieben zum Sport verbindet, aufeinandertreffen? Richtig! Es wird getratscht. Zum Auftakt ihrer großen Interview-Serie für das Spitzensportförderprogramm #WirhabeneinZiel trifft Kira Grünberg (Guestspeakerin des g&f-AWARDs) Olympiasiegern, Weltmeisterin und Gesamt-Weltcupsiegerin Anna Veith. Den Talk von Powerfrau zu Powerfrau lesen Sie hier und in der aktuellen MADONNA.
Kira Grünberg: Wir sitzen hier vor traumhafter Kulisse – hinter uns die Festung Hohensalzburg. Kannst du hier in Salzburg eigentlich noch hinausgehen, ohne erkannt zu werden?
Anna Veith: Das funktioniert eher nicht. Aber ich habe es akzeptiert und mich daran gewöhnt. Inzwischen ist das ein Stück Normalität geworden – und ehrlich gesagt, manchmal genieße ich es sogar, wenn sich jemand für mich interessiert. Auf jeden Fall kann ich diese Popularität jetzt viel mehr wertschätzen als noch vor einigen Jahren.
Grünberg: Fehlt dir das „Normalsein“? Ungeschminkt zu spazieren?
Veith: Inzwischen mach‘ ich das oft genauso. Gehe ungeschminkt raus, weil ich mir denke: Ich habe nichts zu verbergen. Ich bin ich – ich habe da wirklich gelernt umzudenken. Und das tut gut.
Grünberg: Uns beide verbindet mehr, als nur die Liebe zum Sport. Beide haben wir unsere Biografie mit Co-Autor Manfred Behr geschrieben – quasi „ungeschminkt“ erzählst du aus deinem Leben, räumst mit Ängsten und Zweifeln auf. Wie ging es dir damit?
Veith: Mir war wichtig, meine ganze Geschichte, all das, was ich erlebt habe, mal in Ruhe aufzuarbeiten. Das war meine Motivation. Durch die Verletzung war ich ja erstmal komplett lahmgelegt, habe Stillstand verspürt und mir gedacht, jetzt ist der richtige Zeitpunkt, mich damit zu beschäftigen. Insgesamt war es sehr viel Arbeit, das hatte ich echt unterschätzt. Aber jetzt, so im Nachhinein, fühlt es sich an wie eine echte Errungenschaft.
Grünberg: Neben deinem harten Kampf zurück auf die Piste schreibst du auch von deiner Kindheit und dem schmerzvollen Weg vom Ausnahmetalent zur Ausnahmesportlerin. War für dich immer klar, „ich werde Skifahrerin?“
Veith: Ich wollte schon immer einfach nur Ski fahren. Das hab ich richtig gern gemacht und bin da quasi hineingewachsen. Und als mir dann irgendwann klar war, dass Skifahren auch ein Beruf ist, war es genau das, was ich wollte.
Grünberg: Was, wenn es nicht geklappt hätte?
Veith: Meine Absicherung war die Hotelfachschule – aber dort wurde mir schnell klar, dass ich das eigentlich nicht machen will. Ich bin dadurch sogar noch motivierter ans Skifahren rangegangen. Und mit der Frage, was, wenn es nicht klappt – mit der habe ich mich nie beschäftigt. Das mach‘ ich jetzt auch nicht, wenn es um die Zeit nach meiner Karriere geht. Das ist jetzt kein Thema.
Grünberg: Wow! Woher kommt eigentlich die ganze Kraft, die du versprühst? Gibt es einen Ort, der dir hilft, deine Kraftreserven wenn nötig aufzuladen?
Veith: Bei mir ist das kein direkter Ort, wo ich sage: Da muss ich hin. Mir ist es einfach wichtig, rauszugehen, allein zu sein, keinen zu sehen und einfach nur die Natur zu spüren.
Grünberg: Stichwort „Alleinsein“. Haben sich bei dir im Skisport Freundschaften entwickelt oder überwiegt das Konkurrenzdenken?
Veith: Ich hatte meine beste Freundin im Kader – mittlerweile hat sie lange Zeit mit dem Sport aufgehört und ist zweifache Mama. Die Kirchi (Anm. Michaela Kirchgasser) und ich waren anfangs Zimmerkolleginnen – über die Jahre wurde daraus richtige Freundschaft. Heuer machen wir sogar gemeinsam Urlaub.
Grünberg: Glaubst du, hast du den schönsten Tag deines Lebens schon erlebt?
Veith: Das kann man schwer beantworten, weil man nicht weiß, was da noch auf einen zukommt. Ich durfte schon so viele schöne Tage erleben.
Wenn keiner mehr käme, wärst du mit dem, was war, zufrieden?
Anna Veith: Ja, das wäre ich.
✏ Förderprogramm Leistung wird im Spitzensport über Medaillen definiert. Aber neben dem Medaillengewinn verfolgt das vor den Olympischen Sommerspielen in Rio 2016 initiierte Projekt (ein Spitzenförderprogramm des Bundesministeriums für Landesverteidigung und Sport) auch mittel- und langfristige Ziele. So werden zum Beispiel infrastrukturelle Verbesserungen angestrebt, um künftige Generationen zum Leistungssport zu animieren. Kira Grünberg ist Botschafterin dieses Projekts, das nun auch Wintersportler unterstützt. |