Zahnstein verrät:

Auch Neandertaler nahmen Schmerzmittel & Antibiotika

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Die Untersuchung von Zahnstein brachte erstaunliche Erkenntnisse über das Ernährungsverhalten und Wissen über Heilpflanzen der Neandertaler.

Die Neandertaler, denen moderne Europäer ein paar Prozente ihres Erbguts verdanken, besiedelten einst fast den ganzen Kontinent. Je nach Region hatten sie jedoch sehr unterschiedliche Ernährungsgewohnheiten, fand ein Forscherteam mit österreichischer Beteiligung heraus. Außerdem konsumierten sie schon Schmerzmittel und Antibiotika, berichteten die Wissenschafter im Fachjournal "Nature".

Forscher nahmen Zahnstein unter die Lupe

Die Forscher um Laura Weyrich von der Universität Adelaide (Australien) haben bei Zähnen von fünf Individuen, die in der "Spy"-Höhle in Belgien, der "El Sidron"-Höhle in Spanien und in der "Breuil"-Grotte in Italien gefunden worden waren, etwas Zahnstein abgekratzt und die DNA darin untersucht. "Im Zahnstein bleiben nicht nur Spuren von im Mund lebenden Mikroorganismen und von Pathogenen aus den Atemwegen und dem Magen-Darm-Trakt über Tausende Jahre erhalten, sondern auch Reste von damals konsumierten Lebensmitteln", erklärte Weyrich in einer Aussendung ihrer Uni.

Unterschiedliche Ernährungsgewohnheiten

Im Zahnstein der Neandertaler, die im heutigen Belgien lebten, fanden die Forscher DNA vor allem von Wollnashörnern und Wildschafen (Mufflons), sowie von essbaren Tintlings-Pilzen. Solche Mahlzeiten sind typisch für Jäger der Steppe.

Auf der iberischen Halbinsel war die Küche damals hingegen fleischarm, die von dort stammenden Neandertalerzahnsteine zeugten lediglich vom Verzehr des "Kleinen Blasenmützenmooses", Kiefernsamen und ebenfalls von Pilzen (gemeiner Spaltblättling). Die "spanischen" Neandertaler lebten also von gesammelten, vegetarischen Snacks aus den Wäldern. Was man zu dieser Zeit im heutigen Italien speiste, bleibt weiterhin unklar, denn die DNA aus dem Zahnstein des Breuil-Neandertalers war nicht mehr analysierbar.

Nicht nur, dass die Neandertaler von der "El Sidron"-Höhle offensichtlich viel kargere Mahlzeiten zwischen die Zähne bekommen haben als ihre Verwandten im Norden, litten sie auch noch an gesundheitlichen Problemen. Die Forscher fanden bei ihnen Spuren von krankmachenden Pilzen. Vielleicht haben sie verschimmelte Pflanzen gegessen, meinen sie. Ein Individuum von dort hatte außerdem einen Zahnabszess und eine chronische Magen-Darm-Entzündung, was er wohl mit Schmerzmitteln sowie Antibiotika zu kurieren versuchte.

Neandertaler- Apotheke: Penicillium und Aspirin

In seinem Zahnstein waren nämlich Spuren der DNA von Pappeln und Pinselschimmel (Penicillium). Die Triebe, Blätter und Rinde von Pappeln enthalten Salicylsäure, dem Wirkstoff in heutigen Aspirin-Schmerztabletten. Vermutlich hat der Neandertaler daran gekaut, um seine Zahnschmerzen zu stillen. Penicillin-Pilze wiederum enthalten natürlicherweise Antibiotika, was wohl gegen den bei ihm gefundenen Erreger von chronischen Entzündungen im Verdauungstrakt geholfen hat.

"Natürlich wissen wir nicht im Detail, wie Wissen und Konsum von Heilpflanzen erworben und umgesetzt wurden, aber mit Sicherheit waren sie vorhanden", erklärte einer der Studienautoren, der Dental-Anthropologe Kurt W. Alt vom Zentrum für Natur- und Kulturgeschichte der Danube Private University (DPU) in Krems (NÖ), der APA. Denn es sei wohl kein Zufall, dass gerade Hinweise auf Schmerzmittel und antimikrobielle Substanzen bei dem Individuum mit einem Zahnabszess und einer Magen-Darm-Infektionen gefunden wurden, sagte er.

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