Wenn der Körper spricht

Die Basics der Körpersprache

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80 Prozent unserer Umwelt werden über die Augen wahrgenommen

Körpersprache ist universell, direkt, allgegenwärtig und irgendwie bedrohlich – sie verleiht Worten Bedeutung. Noch bevor wir rational denken, spricht der Körper. Jeder versteht sie und kann sie deuten. Der Experte Stefan Verra erklärt, was hinter dem Phänomen steckt.

Der Experte erklärt, wie das Werkzeug Körper funktioniert
Sie kennen sie, diese Binsenweisheit: Denken, bevor man den Mund aufmacht! Klingt vernünftig, ist aber leider so gut wie nicht möglich. Denn ehe wir beginnen, Reize und Signale von außen wahrzunehmen, diese im Gehirn zu sortieren und dann vielleicht auch noch darüber nachzudenken oder gar zu entscheiden, wie wir darauf reagieren, hat uns einer längst verraten: unser Körper. Das ist Körpersprache und die ist nun mal allgegenwärtig. „Denken passiert im bewussten Verstand, dem Neocortex. Beginnt man, sich über Körpersprache Gedanken zu machen, ist das Meiste schon passiert“, erklärt Körpersprache-Experte, Autor und Coach Stefan Verra. Doch wie funktioniert es, dass unser Körper spricht? Vornweg: Wer sich an dieser Stelle Life-Hacks erwartet, die einen Erfolg beim Flirten garantieren, Lügner sofort entlarven lassen und helfen, Menschen zu manipulieren, der ist hier falsch. Denn Körpersprache ist weit mehr. Was dahintersteckt, verrät der Experte.

Sinne als Schnittstelle zur Außenwelt
Unser Gehirn ist in ständiger Bereitschaft. Erhält es einen Reiz, reagiert unser Körper innerhalb kürzester Zeit – in 250 Millisekunden (!) – auf dieses Signal, noch bevor Sie rational darüber nachdenken können. „Denn Körpersprache passiert im Stamm- und Mittelhirn – sprich, viel früher als das rationale Denken (Vernunftdenken). Für ‚vernünftige‘ Überlegungen bleibt da keine Zeit!“ Doch woher bezieht das Gehirn die Infos aus der Außenwelt? Die „Schnittstellen“ bilden fünf Sinneskanäle: Haut, Nase, Ohren, Mund, allem voran die Augen. „Nein, auch Frau hat keinen sechsten Sinn, auch wenn sie Mann regelmäßig beim Schwindeln erwischt. Einfach erklärt: Sie ist beim Wahrnehmen über ihre Sinne geschickter als er beim Kontrollieren seiner Körpersprache“, räumt Verra den Irrglauben aus dem Weg.
 

Die Sinneskanäle
Unser Hirn ist in ständiger Bereitschaft, um Signale von außen zu verarbeiten. Die „Schnittstelle“ zur Außenwelt teilt sich in fünf spezialisierte Kanäle auf – unsere Sinne, die wichtigsten körpersprachlichen Grundlagen. Für die Wahrnehmung von Körpersprache am wichtigsten: der Sehsinn.
  • Augen – sehen (ca. 80 Prozent)
  • Haut – fühlen
  • Ohren – hören
  • Nase – riechen
  • Mund – schmecken


Die Körpersprache als Reaktion

Ist das äußere Signal erst mal über die Sinne (meist visuell) bis ins Gehirn fortgeschritten, wird Wahrgenommenes verarbeitet und in „Gut, will mehr davon“ oder „Weg damit, Gefahr“ klassifiziert. Achtung: Hier beginnt Körpersprache – denn wie gesagt, unser Körper ist der Vernunft meilenweit voraus. So viel zu „Der Mensch ist ein Vernunftwesen“. „Quasi unmöglich, denn unser Gehirn wäre mit der Fülle an Möglichkeiten schlicht überfordert, wenn wir jede Entscheidung rational treffen würden“, weiß der Experte. Hätten wir alles durchdacht und rational zergrübelt/begründet, hätte sich der Mensch nie durchgesetzt – innerhalb einer Viertelsekunde reagiert der Körper auf ein Signal von außen. Evolutionstechnisch von großer Relevanz: „Im Neandertal war auch keine Zeit für die Überlegung: ‚Säbelzahntiger! Streicheln oder laufen?‘“ Doch woran erkenne ich, ob mein Gegenüber nun mehr von mir will, ein Themenwechsel klüger wäre oder ich besser gleich Reißaus nehme? Klar: an der Aufmerksamkeit!
 

Angst
Es gibt Momente, in denen Körpersprache einen tiefen Einblick in die Seele eines Menschen gewährt. Die Haltung verrät: Angst oder Sicherheit.
Achten Sie dabei auf den Muskeltonus Ihres Gegenübers. Ein entspannter Muskeltonus steht meist für Sicherheit, bei Angst hingegen spannen wir an: Der Mensch aktiviert seine Beugemuskulatur, ist angespannt und macht sich klein – man nimmt eine unterlegene Haltung ein. Wir sind geschützt und darauf vorbereitet, gleich aktiv zu werden – evolutionstechnisch sehr wertvoll. Für eine gewinnende Körperhaltung ist ein Gleichgewicht zwischen Beuge- und Streckmuskulatur wichtig – zeugt von Selbstsicherheit.


Mythos Körpersprache 1/6
Lügner verraten sich durch Körpersprache
Lügendetektor. Der Wunsch, Lügner zu erkennen, ist so alt wie der Mensch selbst. Einen guten Zugang bildet die Körpersprache: Mikromimik heißt der vermeintliche Schlüssel zum Erfolg. Der Haken: Unser Gehirn kann oft nicht zwischen Realität und Erdachtem unterscheiden, weshalb die daraus resultierende Körpersprache nicht immer eindeutig zu lesen ist. Achtung: Skepsis ist ein Auslöser verdächtiger Signale.


Die NN-Regel

Und die erkennen Sie wie folgt: Ob wir nun die ungeteilte Aufmerksamkeit haben, erkennen wir daran, dass uns unser Visavis Nase und Nabel zuwendet (NN-Regel). Denn so sind alle Sinne direkt auf uns gerichtet – die Sinneskanäle sind für unsere Signale optimal aufnahmebereit. Ist das Gegenüber abgewandt, schaut weg oder verschließt gar seine Sinneskanäle (z. B. Hand vorm Gesicht) ist eher Gegenteiliges der Fall – ganz nach dem Motto: Aus den Augen, aus dem Sinn! Das Hirn sagt: „Davon möchte ich nicht mehr“, oder es kann nicht mehr Infos aufnehmen – der Körper reagiert und wir verschließen die Eintrittspforten. Das muss aber nicht immer gleich gegen uns gerichtet sein, denn: „Betrachten Sie nie ein Signal isoliert, achten Sie auf die Person als Ganzes, welche Signale Sie noch sendet – denn ein Signal bekommt erst dann Gewicht, wenn mehrere in
die entsprechende Richtung deuten.“

Warum es Frauen besser können

Körpersprache ist mehr als nur Mimik und Gestik – ebenso definieren wir uns über Haltung und Äußerlichkeiten (Kleidung, Auto, Haus). Auch ob unser Gegenüber Flirtversuche startet oder sich generell offen präsentiert, ist in Anbetracht der Körpersprache gut abschätzbar (geschlechtsspezifische Flirtunterschiede s.u.). „Flirten ist nichts anderes, als dass alle Sinnesorgane auf ein Gegenüber gerichtet sind und man in diesem Moment beginnt, den Rest auszublenden. Treffen die ausgesandten Signale auf das Gegenüber und springt die Person darauf an, ist die Basis für mehr geschaffen – quasi verliebt auf den ersten Blick“, so Verra. Frauen werden die vom Mann ausgehenden Signale eher deuten können – dabei sind diese wesentlich geringer, da Männer weniger Mimik haben – als umgekehrt. Der Grund ist neurologisch erwiesen: Frauen haben einen besser entwickelten Hippocampus und sind so empathischer als Männer. Wenn sich Frau auf Mannes Schoß setzt, würde dieser wahrscheinlich immer noch nicht verstehen, dass sie eventuell Interesse haben könnte.

Erkennen Sie, ob er/sie flirtet: Unterschiede bei Mann & Frau
Flirt-Regeln gibt es keine! „Ein Mensch verliebt sich immer in einen ganzen Menschen. Drei magische Signale herauszufiltern, mit denen alle auf einen fliegen, widerspricht jeder Form von Menschlichkeit. Was es schon gibt, sind geschlechtsspezifische Unterschiede, die bereits in der Evolution von Nutzen waren – im Neandertal hat eine Frau mit Mann mehr Kinder durchgebracht, als eine ohne.“ Die Unterschiede:

Geschlechtsspezifische Flirtunterschiede 1/2
So flirtet Mann
Was Frau bei Mann am attraktivsten findet, sind breite Schultern – das ist wissenschaftlich erwiesen. Evolutionstechnisch zeugt ein breiter Männerkörper von Kraft und Macht, bietet Schutz. Geht ein Mann in Flirtoffensive, wird er sich so gut es geht „stark machen“ (Bauch rein, Brust raus). Der breitbeinige Stand signalisiert territoriales Verhalten. Dazu die Hände in den Hosentaschen und schon rückt das beste Stück in den Fokus – ein unterbewusstes Signal für Fruchtbarkeit/Potenz.


Die Körpersprache erlernen?
„Die grundlegende Körpersprache – somit die Persönlichkeit – kann man nicht verändern. Man kann durch Coaching einiges optimieren, aber aus Werner Faymann wird niemand mehr eine Rampensau machen. So wie man aus einer Rampensau kein Mauerblümchen macht“, scherzt der Experte. Aber auch Frau Merkel, die ob ihrer Handhaltung in die Geschichte eingeht, wird sich Tipps vom Experten geholt haben. Bei Donald Trump hat das alles nicht gefruchtet – innerhalb von 250 Millisekunden weiß man, dass man ihn nicht mag …Das Schlusswort gebührt dem Experten:

„Die Körpersprache verleiht Worten ihre Bedeutung. Zudem ist sie viel ehrlicher als Worte und wird so auch seltener missverstanden.“
Stefan Verra, Körpersprache-Experte

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