Seit wenigen Tagen sind in heimischen Apotheken Schnelltests zur Erhebung des HIV-Status rezeptfrei erhältlich. Wie sie funktionieren, wem sie empfohlen werden, wie sicher die Ergebnisse sind und was im Falle einer Diagnose „positiv“ zu tun ist.
Bei der Welt-Aids-Konferenz Ende Juni schlugen Experten Alarm. Sie warnten vor einer weiteren Ausbreitung des HI-Virus (HI steht für Humane Immundefizienz), auch als „Menschliches Immunschwäche-Virus“ bezeichnet. Das Retrovirus (es befällt bestimmte Zellen des menschlichen Immunsystems), das sich unbehandelt zum lebensbedrohlichen Immunschwächesyndrom Aids („acquired immune deficiency syndrome“) entwickelt, breitet sich weiterhin aus. In etwa 50 Ländern sei die Zahl der Neuansteckungen gestiegen, hatte Unaids-Chef Michel Sidibé kürzlich mitgeteilt. Die Zahl der jährlich neu Infizierten in Osteuropa und Zentralasien habe sich verdoppelt.
In Österreich ist die Zahl der neu Diagnostizierten leicht gestiegen. Im vergangenen Jahr wurden 510 Menschen „HIV-positiv“ getestet. Ob tatsächliche Neu-Infektionen vorliegen, lässt sich allerdings nicht beantworten. Der Anstieg könnte auch auf ein erhöhtes Risikobewusstsein und eine häufigere und vor allem frühere Testung zurückzuführen sein, was eine positive Entwicklung wäre.
Beim Risikobewusstsein setzt der HIV-Selbsttest an, der seit Ende Juli rezeptfrei in Apotheken erhältlich ist. Experten erhoffen sich mit dem sehr niederschwelligen Antikörpertest, die Hemmschwelle bei HIV-Tests senken und so einen wesentlichen Beitrag zur Früherkennung von HIV-Infektionen leisten zu können. Denn eine frühzeitige Diagnose verhindert womöglich nicht nur weitere Ansteckungen, sondern wirkt sich zudem positiv auf Therapieerfolg und Lebensqualität der Betroffenen aus. Je früher die HIV-Infektion erkannt wird, desto eher gleicht sich die Lebenserwartung an diejenige HIV-negativer Personen an.
Bleibt die Infektion hingegen unerkannt, verliert das Immunsystem schleichend und zumeist lange Zeit unbemerkt seine Funktionsfähigkeit. Ist das HI-Virus in eine Zelle eingedrungen, beginnt es, sich in den Zellen zu vermehren. Infolgedessen werden die Zellen selbst zerstört oder vom Immunsystem als Feind erkannt und eliminiert.
Nach acht bis zehn Jahren nach der HIV-Infektion entwickeln sich ob der verminderten Funktionsfähigkeit des Immunsystems sogenannte Aids-definierte Erkrankungen, wie z. B. eine besondere Form der Lungenentzündung (Pneumocystis jirovecii Pneumonie), die häufig zum Tod führen können.
Heimtest: Vor- und Nachteile
Ein HIV-Test ist die einzige Möglichkeit, herauszufinden, ob man mit HIV infiziert ist. Als Ansteckungsrisiken gelten ungeschützter Verkehr mit Personen mit unbekanntem oder positivem HIV-Status sowie gemeinsame Benutzung von Drogenbesteck. Für Testungen zur Verfügung stehen die in Labors durchgeführten ELISA-Tests, das PCR-Verfahren sowie der Schnelltest und seit Kurzem der HIV-Selbsttest. Gegenüber dem sogenannten Heimtest haben die Laboruntersuchungen der neuesten Generation einen entscheidenden Vorteil: Sie weisen ein kürzeres diagnostisches Zeitfenster auf. Es beschreibt die Zeitdauer, die zwischen einer Infektion und dem Zeitpunkt verstreicht, ab dem ein Krankheitserreger im Organismus mit einem bestimmten Test sicher nachgewiesen werden kann. Der noch relative teure Test mittels PCR-Verfahren ist bereits 15 Tage nach dem letzten Risikokontakt aussagekräftig. Der ELISA- und der Schnelltest (der 4. Generation) schaffen sechs Wochen nach dem Risikokontakt Gewissheit. Beim neuen Heimtest müssen hingegen – die bis dato üblichen – zwölf Wochen (bis dahin haben sich Antikörper gebildet, die der Heimtest nachweisen kann) verstreichen, bis eine mögliche Infektion nachgewiesen werden kann.
Auch was die Genauigkeit des Ergebnisses anlangt, sind Labortests den DIY-Schnelltests vorzuziehen. „Kein Schnelltest liefert ein zu 100 Prozent korrektes Ergebnis. Im Allgemeinen kann davon ausgegangen werden, dass bei Berücksichtigung des diagnostischen Fensters ein negatives Ergebnis bedeutet, dass keine Infektion mit HIV vorliegt. Die Genauigkeit des Tests ist darauf ausgelegt, das Übersehen einer Infektion in jedem Fall zu verhindern“, so die Apothekerkammer.
Die Vorteile des Apotheken-Selbsttests bestehen wie erwähnt in der Verfügbarkeit. Die Hemmschwelle, sich zu testen, ist viel geringer, was auf eine erhöhte Testrate in der Bevölkerung hoffen lässt. Der Test kann binnen ca. 20 Minuten und unkompliziert (s. links) durchgeführt werden. Durch einen Stich in die Fingerkuppe wird ein Bluttropfen für den Test entnommen. Nach Einbringung des Blutes in den sogenannten Testständer mit Verdünnungslösung kann zwischen Minute 15 und 20 der HIV-Status abgelesen werden.
Im Fall des Falles …
Ein positiver Test bedeutet noch keine HIV-Diagnose. Sollte der HIV-Selbsttest ein positives Ergebnis anzeigen, muss dieser durch einen weiteren Labortest verifiziert werden. Experten raten in solchen Fällen, rasch einen Arzt und/oder ein Behandlungszentrum (Anm.: Liste auf der Webpage der ÖAG) aufzusuchen, damit zeitnah mit einer Behandlung (siehe auch Interview links) begonnen werden kann.
„Es ist wichtig“, so Ass.-Prof. Dr. med. univ. Armin Rieger, Präsident Österreichische AIDS Gesellschaft, „dass jeder Mensch seinen HIV-Status kennt und diesen über seine sexuell-aktive Zeit auch regelmäßig kontrolliert. Der Anteil an ,späten‘ Diagnosen ist seit Jahren unverändert hoch und vor allem diese Fälle soll die Möglichkeit zum HIV Selbsttest helfen, zu verringern.“
Der neue HIV-Heimtest: Was Sie wissen sollten
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Was ist ein HIV-Selbsttest?
Über das Produkt. HIV-Selbsttests (oder auch HIV-Heimtests) sind HIV-Schnelltests für Blut- oder Speichelproben, die speziell für die Laienanwendung zu Hause konzipiert wurden. Die Durchführung, Ablesung und Interpretation erfolgt durch die betroffene Person selbst.
Wann durchführen?
Zeitfenster. Der Selbsttest kann eine mögliche Infektion zwölf Wochen nach
dem letzten Risikokontakt feststellen.
Ab diesem Zeitpunkt sind genug mögliche Antikörper vorhanden, die der Test nachweisen kann.
Wesentlich kürzere diagnostische Zeitfenster (Zeitdauer, die zwischen einer Infektion und dem Zeitpunkt verstreicht, ab dem ein Krankheitserreger im Organismus mit einem bestimmten Test sicher nachgewiesen werden kann) weisen Labortests auf. Das kürzeste beträgt 15 Tage und kann mittels PCR-Verfahren (Polymerase-Kettenreaktion kann das Virus direkt nachweisen) ermittelt werden.
Wie sicher ist der Test?
Sicherheit. Kein Schnelltest liefert ein zu 100 % korrektes Ergebnis. Die Genauigkeit
der Tests ist darauf ausgelegt, das Übersehen einer Infektion in jedem Fall zu verhindern. Die Wahrscheinlichkeit einer nicht infizierten Person, ein negatives Testergebnis zu erzielen, liegt bei 99,9 Prozent.
Erste Diagnose: positiv – was tun?
Schritt 1. Ein positiver Selbsttest muss unter allen Umständen durch weiterführende Tests in spezialisierten Labors bestätigt werden. Um das Testergebnis von einem HIV-Selbsttest zu bestätigen, stehen Ärzte sowie Behandlungszentren der AIDS Gesellschaft zur Verfügung.
Schritt 2. Hilfe suchen. Die AIDS Gesellschaft bietet Betroffenen rasch eine weitere persönliche Beratung, Hilfestellung und psychologische Unterstützung. www.aidsgesellschaft.info
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Ergebnis nach 20 Minuten! So funktioniert der Selbsttest
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Was ist HIV?
HIV ist die Abkürzung für Humanes Immundefizit Virus. Es handelt sich um ein Retrovirus, welches bestimmte Zellen des menschlichen Immunsystems befällt, insbesondere CD4-positive T-Zellen und Makrophagen. Diese spielen eine essenzielle Rolle in der Immunabwehr des Körpers. CD4-Zellen organisieren die Immunantwort und fördern die Entstehung von Antikörpern. Makrophagen (auch Fresszellen genannt) nehmen Viren und andere Fremdkörper in sich auf, um sie unschädlich zu machen. Sobald ein HI-Virus in die Zellen eingedrungen ist, beginnt es sich in den Zellen zu vermehren. Infolgedessen werden die Zellen selbst zerstört. Zusätzlich kann das Immunsystem diese Zellen als infiziert erkennen und eliminiert sie zum Eigenschutz. Das Resultat der unbehandelten HIV-Infektion ist somit der Verlust dieser Immunzellen.
Phasen der Erkrankung:
1. Akute HIV-Krankheit & Latenz-Phase: rasante Vermehrung der HI-Viren. Symptome wie z. B. Fieber treten auf. Daran angeknüpft ist eine Latenzzeit von bis zu zehn Jahren – Patienten haben keine Beschwerden, sind aber ansteckend.
2. Symptomatische Phase: Nach rund zehn Jahren nimmt die Virenlast so stark zu, dass die T-Helferzellen keine Chance mehr haben, gegen das Virus anzukämpfen. Symptome: Nachtschweiß, Fieberschübe, Durchfall, Pilzinfektionen, geschwollene Lymphknoten.
3. Aids („acquired immune deficiency syndrome”): Das Immunsystem wird stetig weiter geschwächt. Aids-definierende Erkrankungen entwickeln sich. Pneumocystis-Pneumonie, Pilzerkrankungen und Vireninfektionen. Gehirn sowie Nerven werden geschädigt und das Krebsrisiko steigt. Ohne Behandlung führt das Vollbild Aids über kurz oder lang unweigerlich zum Tod.
Informationen & Hilfestellung auf den Online-Seiten der Ö. AIDS Gesellschaft (aidsgesellschaft.info) sowie der Aids Hilfe Österreich (www.aids-hilfe.at).
Die HIV-Selbsttest-Hotline: 0800 25 22 89 (von Mo.–Fr. 10–17 Uhr)
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