Die Schweinegrippe-Welle hat nun auch Österreich voll erwischt. Das Klinische Institut für Virologie der Medizinischen Universität Wien meldete anhand von Hochrechnungen alleine für den Raum Wien 10.800 Erkrankungen in der vergangenen Woche. In den österreichischen Referenzlabors sei es zudem zu einem sprunghaften Anstieg an bestätigten Infektionen gekommen, betonte Leiter Franz X. Heinz.
Die Folgen dieser Beurteilung: Das Gesundheitsministerium stellte die Behandlungsstrategie um. Das Grippemittel Tamiflu ist nach einem Beschluss des Hauptverbands der österreichischen Sozialversicherungsträger ab sofort ohne chefärztliche Bewilligung erhältlich.
"Die vorliegenden Daten zeigen den Beginn einer Grippewelle - verursacht durch das neue Pandemie-Virus (H1N1v) - in Österreich an", betonte Heinz am Dienstag. "Wir haben einen starken Anstieg der positiven Fälle." An einzelnen Tagen gab es bei der Hälfte oder bei bis zu allen eingesendeten Proben eine Bestätigung für eine Schweinegrippe-Erkrankung. Eine Zunahme wurde vor allem in der Altersgruppe der Null- bis 14-Jährigen registriert.
Das Gesundheitsministerium wechselte angesichts des Ausrufens der Grippewelle im Rahmen der höchsten Pandemie-Alarmstufe 6 von Mitigation-Stufe 1 auf Stufe 2. Im wesentlichen bringt dies ab Mittwoch Änderungen bei Tests, bei der Meldepflicht sowie der Behandlung mit sich. Künftig werden nicht mehr alle Verdachtsfälle getestet. Um die Ausbreitung der Influenza weiter zu beobachten, werden Fälle in ausgewählten Arztpraxen erfasst. In Kombination mit den Daten über die Krankenstandstage der Sozialversicherungsträger wird dann eine Hochrechnung über die Zahl der Infektionen erstellt ("Sentinella-System").
Rachenabstriche (spezifische PCR-Diagnostik) werden nur mehr in diesen Praxen und bei bestimmten Ausnahmen, wie bei Spitals-Patienten oder Erkrankungen an Schulen und Kindergärten, durchgeführt. Ansonsten werden Verdachtsfälle automatisch als Infektionen gewertet. Weiters sind ab Mittwoch nur mehr laborbestätigte Erkrankungen in Spitälern und Todesfälle meldepflichtig.
Eine neue Schweinegrippe-Infektion mit schwerem Verlauf gab es am Dienstag auf einer Intensivstation der Salzburger Landeskliniken (SALK). Ein 58-jähriger Risikopatient aus Oberösterreich wird beatmet und liegt im künstlichen Tiefschlaf. Der stark übergewichtige Mann wurde mit einer schweren Lungenentzündung und einem septischen Schock eingeliefert. Den übrigen vier Intensivpatienten geht es weitgehend unverändert. Derzeit gibt es bei einem 41-jährigen Bayer in Salzburg, einem Südtiroler in Innsbruck sowie einer 28-Jährigen und 18-Jährige in Wien einen Krankheitsverlauf mit schweren Komplikationen. Die jüngste Patientin hat vor wenigen Tagen in einer Spontangeburt ein Frühgeborenes zur Welt gebracht.
In Wien, dem Burgenland, Niederösterreich, der Steiermark, Salzburg sowie Kärnten und Vorarlberg haben sich am ersten Tag knapp 9.000 Menschen gegen Schweinegrippe impfen lassen. In der Bundeshauptstadt erhielten bis Dienstag 15.00 Uhr rund 6.900 Personen eine Spritze gegen die neue A(H1N1)-Influenza. In der Steiermark wurden am Montag rund 1.300 Personen von der steiermärkische Gebietskrankenkasse (StGKK) immunisiert. Im Burgenland waren es an den ersten beiden Tagen 964 Impfwillige. Insgesamt wurden dort bisher rund 7,5 Prozent der vorhandenen Impfstoffdosen (32.000) verbraucht.
Bemerkbar macht sich die zunehmende Ausweitung der Schweinegrippe nach wie vor besonders an Einrichtungen für Kinder und Jugendliche. Erstmals wurden am Dienstag ein Kindergarten in der Elisabeth-Vorstadt in Salzburg sowie ein Kindergarten am Tivoli in Innsbruck geschlossen. In Tirol wurden weiters zwei Klasse an der HTL Jenbach im Bezirk Schwaz sowie an einer Volksschulklasse im Osttiroler Heinfels gesperrt. Betroffen war außerdem eine Polytechnische Schule in Fügen (Bezirk Schwaz), an der 20 von 77 Schülern fehlten.
In Salzburg wurde eine Klasse der Volksschule Leopoldskron/Moos gesperrt. Auch in Horn in Niederösterreich ist am Montag eine erste Klasse der Krankenpflegeschule geschlossen worden. In Vorarlberg bleibt neben der Hauptschule Lustenau-Kirchdorf, die am Montag für eine Woche zugemacht wurde, nun auch eine Klasse an der Lustenauer Volksschule Rotkreuz zu. In Wien ist derzeit die Privatvolksschule der Piaristen "St. Thekla" in Wieden wegen Schweinegrippe geschlossen.