Viel Wirbel hatte die Salbe schon im Vorfeld ausgelöst - nun ist die umstrittene Mixtur Regividerm am Mittwoch überraschend früh vom Hersteller geliefert worden. Die Auslieferung der ersten 25.000 Tuben zunächst an den Großhandel in Deutschland und in der Schweiz startete am Mittwoch, Österreich soll folgen, sagte der Sprecher der Vertriebsfirma Mavena Health Care, Marc Tenbücken, der dpa in Köln.
In den nächsten Tagen sei die Salbe dann in Deutschland in den Apotheken rezeptfrei erhältlich. Dabei steht noch eine letzte behördliche Prüfung aus. Die rosafarbene Creme soll laut Hersteller cortison- und nebenwirkungsfrei gegen die unheilbaren Hautkrankheiten Neurodermitis und Schuppenflechte helfen.
Es sei "unternehmerisches Risiko", nun den Verkauf zu starten, obwohl eine letzte Überprüfung durch die Bezirksregierung Düsseldorf noch bevorstehe. Die Behörde will prüfen, ob es sich bei der als Medizinprodukt zugelassenen Regividerm nicht doch um ein Arzneimittel handelt. Dann kämen auf den Hersteller Regeneratio (Remscheid) für eine Marktzulassung neue, hohe Hürden zu: Umfangreiche Langzeitstudien und ein Genehmigungsverfahren beim Bundesinstitut für Arzneimittel. Die Salbe basiert laut Regeneratio vor allem dem "natürlichen Wirkstoff" Vitamin B12 und auf Avocado-Öl.
Nach ersten Berichten über die Salbe vor rund zwei Wochen hatten viele Apotheken von einem wahren Ansturm berichtet. Das Interesse an Neuentwicklungen ist groß, weil unter den unheilbaren, chronischen Hautkrankheiten Neurodermitis und Schuppenflechte (Psoriasis) in Deutschland rund acht Millionen Menschen leiden. Noch in dieser Woche soll die Salbe für knapp 30 Euro rezeptfrei in den Apotheken zu kaufen sein, sagte Tenbücken.
Regividerm war im August 2009 von der unabhängigen Gesellschaft LAG Intercert (Nürnberg) - einem Unternehmen der TÜV Rheinland-Gruppe - als Medizinprodukt zertifiziert worden. Schon vor einigen Jahren hatte der TÜV Süd nach eigenen Angaben zwei Vorbewertungen vorgenommen. "Mit der finalen Zertifizierung haben wir aber nichts zu tun", stellte ein Sprecher klar. Tenbrücken zufolge hatte der TÜV Süd die klinischen Unterlagen 2004 geprüft und die Salbe in einer Abwägung zwischen Medizinprodukt und Arzneimittel als Medizinprodukt bewertet. Als solches ist Regividerm in der EU und der Schweiz zugelassen worden.
Der Remscheider Hersteller will alle erforderlichen Prüfunterlagen bis zu diesem Freitag (6.11.) an die Düsseldorfer Behörde schicken. "Die Prüfung ist ein formaler Akt. Wir arbeiten kooperativ mit der Behörde zusammen", sagte Tenbücken. Die Sprecherin der Bezirksregierung, Stefanie Paul, sagte dagegen, das Ergebnis der Prüfung - und auch die Dauer - seien "völlig offen".
Im Mittelpunkt stehe der Inhaltsstoff Vitamin B12 - und die Frage, ob es sich dabei nicht doch um einen medizinischen Wirkstoff handele. Sollte sich nach eingehender Untersuchung zeigen, dass B12 einen pharmakologischen Wert habe und es sich bei Regividerm also doch um ein Arzneimittel handele, kann die Salbe Paul zufolge auch nachträglich vom Markt genommen werden. Für diesen Fall wollen Regeneratio und Mavena Einspruch beim Verwaltungsgericht erheben.
Ein WDR-Film hatte Mitte Oktober heftige Debatten über die Salbe ausgelöst. Dem Bericht zufolge war die Rezeptur bereits vor 20 Jahren von einem Mediziner und einem Chemiker erfunden worden. Die großen Pharmahersteller hätten aber aus finanziellem Kalkül eine Produktion der Salbe abgelehnt - um eigene, teurere Präparate nicht zu gefährden, kritisierte der WDR-Beitrag. Aber auch der Film war kritisiert worden, als einseitig, ohne die nötige Distanz gemacht - oder, vom Deutschen Psoriasis Bund, sogar als "blanker Unsinn".
Einige Experten warnen vor überzogenen Erwartungen, wollen nicht von einem "Zaubermittel" oder "Durchbruch" sprechen. Manche Mediziner sehen die Salbe aber auch positiv und rechnen durchaus mit einer Linderung der Beschwerden. Die bisherigen klinischen Studien seien einwandfrei, wenn auch mit kleinem Probanden-Kreis, meinen die Pro-Stimmen. Andere - etwa der Deutsche Neurodermitis Bund - bestreiten glattweg jede positive Wirkung. Es gibt auch Zweifel mit Blick auf Vitamin B12. Kinderarzt Eckhard Korsch von den Kölner Städtischen Kliniken rät besonders bei Kinderhaut zur Vorsicht: "Zu sagen, das geht nebenwirkungsfrei, ist verwegen. Es gibt durchaus auch Vitamin B12-Allergien."