Begeisterung für Daniel Barenboim und sein junges Orchester in Salzburg.
Im Radio hören wir, im Fernsehen erleben wir, wie sie im Nahen Osten einander die Existenz streitig machen. Hier, im überfüllten Großen Festspielhaus, sitzen sie gemeinsam auf dem Konzertpodium: Israelis, Ägypter, Syrer, Libanesen, Jordanier, Tunesier und ein paar Musiker aus Andalusien. Sie leben seit Wochen zusammen. Jetzt führen sie das Ergebnis ihrer Probenarbeit vor.
Ein Statement für Vernunft
"Gemeinsam Musik machen ist
die größte Chance, miteinander leben zu können", sagt Daniel Barenboim. Den
Wahrheitsbeweis erbringt er seit Jahren und wiederholt ihn jetzt in
Salzburg. Sein Orchester mit dem Goethe'schen Titel West-Eastern Divan lässt
die Leidenschaft eines gemeinsamen Lebens und die Willenskraft des
gemeinsamen Überlebens spüren. Politisch gesehen ist dieses Kollektiv ein
Statement für Vernunft, künstlerisch ist es ein Wunder. Denn man vernimmt
nicht nur intensiv gespielte Musik, sondern auch eine humanistische
Botschaft. Selten genug ist solches in unserem kommerzialisierten
Musikbetrieb zu hören.
Kraft
Beethoven (Leonoren-Ouverture Nr. 3) und Tschaikowsky
(Pathetique) spielen die Musiker mit Überzeugungskraft, mit Homogenität und
Schönheit des Orchesterklanges, mit Sensibilität für Nuancen und großem
technischen Können. Auch Schönbergs schwierige Variationen op.31 machen sie
in beispielhafter Konzentration sinnlich erfahrbar.
Brüderlichkeit
Barenboim hat die Fähigkeit, Steigerungen
langsam aufzubauen, sie wenn immer möglich aus einem Pianissimo zu
entwickeln, die erreichte Spannung zu halten. Sein stetes Bekenntnis zu
großen Gefühlen, sein Sinn für dramatische Effekte, aber auch seine Kunst
der klar formulierten Klangrede wird von diesen Musikern mitempfunden. Der
große Dirigent und sein Orchester zeigen uns und lassen uns hören, was das
so häufig strapazierte und missbrauchte Wort "Brüderlichkeit" bedeutet.