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Der Buch-Herbst gehört Österreich

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Die heimische Literatur ist stark wie nie: Eine Flut neuer Bücher von österreichischen Autoren beherrscht den Buchmarkt im Herbst.

Vor diesem Auftritt zieht die renommierte Neue Zürcher Zeitung den Hut: Die österreichische Literatur feiere einen „Jahrhundertherbst“. Mit einem guten Dutzend Neuerscheinungen bildeten die Austro-Literaten eine „nahezu unschlagbare Truppe“, so der NZZ-Literaturkritiker.

Literatur
Sechs von ihnen haben Chancen auf den Deutschen Buchpreis, der am 8. Oktober verliehen wird: Robert Menasse, Thomas Glavinic, Michael Köhlmeier, Sabine Gruber, Peter Truschner und Peter Henisch stehen auf der sogenannten „Longlist“ mit den 20 vielversprechendsten neuen Romanen.

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Robert Menasse: Midlife-Crisis
© TZ Oesterreich, Reismann

Robert Menasse: Midlife-Crisis
(c) TZ Österreich, Reismann

Das Auffallendste an den neuen Romanen: Viele heimischeLiteraten schreiben – mehr oder weniger offen – über sich selbst. Die Lust an der Erinnerung und (meist ironisch gebrochenen) Selbstbespiegelung ist der Trend der heimischen Literatur Die eindrucksvollste Autobiografie legt Gerhard Roth vor: Das Alphabet der Zeit, erzählt auf 864 Seiten in überwältigend detailreich erinnerten Anekdoten und Alltagsbegebenheiten von einer typischen Kindheit im Nachkriegsösterreich, von Hunger, Entbehrungen, der provinziellen Enge und der unbändigen Lust auf Aufbruch. Das Buch endet, als Gerhard Roth 21 ist und bereits erste Gehversuche als Schriftsteller gewagt hat.

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Spielerisch gehen Robert Menasse und Thomas Glavinic mit autobiografischen Elementen um. Nur wer Menasse persönlich kennt, wird Züge von ihm in seinem Midlife-Crisis-geplagten, erotomanischen Helden Nathan aus Don Juan de la Mancha wiederfinden. Und Thomas Glavinic streitet glatt ab, dass der trickreich Thomas Glavinic genannte Ich-Erzähler aus Das bin doch ich mit dem Autor identisch sei: „Wenn das, was ich in diesem Roman beschreibe, wirklich mein Leben wäre, würde ich mich erschießen.“

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Thomas Glavinic: Selbstironie
© Verlag

Thomas Glavinic: Selbstironie
(c) Verlag

Das glaube, wer mag, außer Streit steht jedenfalls: Thomas Glavinics (selbst-)ironisches Porträt eines Autors und der Wiener Kulturszene wird die Buchbestenlisten im Sturm nehmen.

Die besten neuen Romane

Gerhard Roth: „Das Alphabet der Zeit“. S.Fischer, 864 Seiten, 28,80 Euro
Robert Menasse: „Don Juan de la Mancha“. Suhrkamp, 273 Seiten, 19,40 Euro
Thomas Glavinic: „Das bin doch ich“. Hanser, 240 Seiten, 20,50 Euro.
Michael Köhlmeier: „Abendland“. Hanser, 784 S. 26,70 Euro
Peter Henisch: „Eine sehr kleine Frau“. Zsolnay, 256 Seiten, 20,50 Euro
Sabine Gruber: „Über Nacht“. C.H. Beck, 237 Seiten, 18,40 Euro
Franzobel: „Liebesgeschichte“. Zsolnay, 223 Seiten, 20,50 Euro
Margit Schreiner: „Haus, Friedens, Bruch“. Schöffling, 246 Seiten, 19,50 Euro

Familiengeschichten
Auf Versteckspiele verzichten Peter Henisch und Josef Winkler, deren neue Romane dezidiert Familiengeschichten erzählen. Eine sehr kleine Frau handelt von Henischs Großmutter (Buchpräsentation heute in der Wiener Buchhandlung Kuppitsch, 19.30 Uhr). Josef Winklers am 17. September erscheinende Novelle Roppongi ist eine dramatische Auseinandersetzung mit seinem toten Vater. Keine Autobiografie, sondern eine Biografie des 20. Jahrhunderts ist Michael Köhlmeiers fulminantes 784-Seiten-Epos Abendland. Die Kritiker jubeln den „Jahrhundertroman“ in lichte Höhen.

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