Opern-Premiere

"Fidelio" überrascht bei Welser-Möst Comeback als Puppenspiel

Staatsopern-"Fidelio": Habjan entpuppt sich als repertoiretauglich. Erste Neuinszenierung des Werks nach 55 Jahren am Haus überrascht mit dezenter Stimmigkeit. Musikalisch Verbesserungsbedarf 

Manchmal kommt es anders als gedacht. Da setzt die Wiener Staatsoper 70 Jahre nach Wiederöffnung einen neuen "Fidelio" an, jenes Werk also, das einst zum Neustart erklang. Und verabschiedet damit nach 55 Jahren und 268 Vorstellungen die Inszenierung von Otto Schenk. Viel historischer Ballast also. Und dann steht am Ende keine polarisierende Deutung von Puppenmeister Nikolaus Habjan, sondern eine brauchbare Repertoirearbeit. Die Probleme des Abends liegen anderswo.

© Werner Kmetitsch

© Julia Wesely

Eine graue Wand stellt im Bühnenbild von Julius Theodor Semmelmann das auf seinen Wesenskern reduzierte Gefängnis dar. In deren Mitte grenzen anfangs die Protagonisten ihre Zone of Interest ab, während vor ihnen stetig Gefangene in das Verlies gebracht werden. Wenn sich diese Wand schließlich öffnet, findet sich der Chor der Insassen in einer aufgetürmten Käfigwand, ein hochästhetisches und zugleich pietätvolles Bild der anonymen, gequälten Massen. Im zweiten Akt geht es dann hingegen in einen handelsüblichen dunklen Keller zu Florestan. Solide, dezent, stimmig das Ganze.

Zwei an sich unbelebte Mitspieler

Dies gilt auch für den Einsatz des Habjan'schen Puppenensembles, das sich bei Beethovens Werk auf lediglich zwei, dafür überlebensgroße Exemplare beschränkt. Leonore/Fidelio und Florestan werden durch diese Alter Egos gedoppelt. In einer Oper, in der es auch um die Identitätsverschleierung geht, durchaus stimmig. Die bekannte Magie des an sich unbelebten Objekts, das im Blick der Betrachter ein Eigenleben entfaltet, wirkt auch in diesem Falle.

© Staatsoper/Werner Kmetitsch

Bisweilen interagieren die Sänger mit den Puppen, werden durch diese dupliziert, setzen sie als Verlängerung ihres eigenen Körpers ein. Dann wieder sprechen die Puppenspieler Passagen und lassen ihre Hilfsmittel gänzlich unabhängig von der Sängerriege agieren. Keine Familien-, aber immerhin eine Paaraufstellung. Hierbei sind die neuen Sprechtexte dienlich, die Paulus Hochgatterer behutsam modernisiert hat, um elegante Überleitungen zwischen den einzelnen Arien zu schaffen.

Zwei an sich belebte Spieler

Womit wir auch schon bei der Musik wären - und diese entpuppt sich anders als die Puppen als fehlbar. David Butt Philip müht sich als Florestan in den hohen Passagen seines Parts und muss hörbar forcieren, während die eigentlich solide Malin Byström als Leonore im Laufe des Abends ein wenig die Kraft verlässt. Einzig Tareq Nazmis Rocco sticht in der Riege der auch ohne Hände im Rücken belebten Spieler mit sämigem, durchgängig auf Höchstniveau verbleibendem Bass heraus.

© Staatsoper/Werner Kmetitsch

Im Graben führt Franz Welser-Möst das Staatsopernorchester über weite Strecken des Abends indes etwas unentschieden. Die Fidelio-Ouvertüre kommt fast rumpelig daher, die Tempi werden mal unmotiviert forciert, sind dann wieder beinahe stampfig gehalten. Manch Klangkaskade wird verschliffen, manch Dialog zwischen einzelnen Instrumenten liegengelassen. Bis zur Leonoren-Ouvertüre, die dann vor dem Schlussbild wieder die Klasse zeigt, die zuvor teils vermisst wurde.

Am Ende stand Applaus

Am Ende stand mit kleineren Ausnahmen Applaus für alle Beteiligten - selbst für das Regieteam um Nikolaus Habjan, was im Ringstraßenpalast eher die Ausnahme darstellt. Da entpuppt sich ein Hausdebütant möglicherweise als neuer Publikumsliebling.

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