Der Meister des Schwarzen Humors war noch im Frühjahr auf Tournee.
Er galt als Meister des Schwarzen Humors, feierte nicht nur mit teils makabren Chansons wie "Gemma Tauberln vergiften im Park", "Zwei alte Tanten tanzen Tango" und "Der guate alte Franz" Erfolge, sondern sorgte ebenso als Kabarettist, Schriftsteller und Theaterautor für Furore. Am heutigen Dienstag ist der gebürtige Wiener Georg Kreisler 89-jährig in Salzburg verstorben. Erst im Frühjahr dieses Jahres war er auf deutschen Bühnen in einer Abschiedstournee zu sehen. Das Wort vom Abschied hat sich nun schmerzlich bewahrheitet.
Als Chansonnier aus der goldenen Zeit des Wiener Nachkriegskabaretts wurde Kreisler in den 1950er und 60er Jahren bekannt, sorgte mit spitzer Feder und scharfer Zunge immer wieder für Glanzstunden heimischer Satire-Kunst. Als erster noch lebender Künstler wurde er auf dem Mainzer "Walk of Fame" des Kabaretts mit einem "Stern der Satire" geehrt. Eine Auszeichnung für sein Lebenswerk nahm er erst vor gut einem Jahr in Empfang, als ihm der Friedrich Hölderlin-Preis der Stadt Bad Homburg verliehen wurde.
Geboren wurde Kreisler am 18. Juli 1922 in Wien. Ursprünglich wollte er Dirigent werden, weshalb er zunächst das Konservatorium besuchte. Nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten emigrierte er 1938 mit seinen Eltern nach Hollywood, wo er seine Musikstudien fortsetzte. Im amerikanischen Exil arbeitete das Multitalent als Arrangeur, Pianist und Dirigent beim Film und bei Musicals, für Soldaten schrieb er als Truppenbetreuer Shows und Revueprogramme, wie er sich auch in New Yorker Bars als Chansonnier versuchte - ein Feld, das ihm Jahre später den Durchbruch verschaffen sollte.
1955 kehrte er mit amerikanischer Staatsbürgerschaft nach Wien zurück und war zunächst als Barpianist tätig, bevor er sich dem Kabarett zuwandte. Anfangs stießen die schwarzhumorigen Lieder Kreislers auf wenig Gegenliebe im heimischen Radioprogramm, während sich allerdings seine Liveauftritte in der legendären Marietta-Bar bezahlt machten: "Nichtarische Arien", "Seltsame Gesänge" oder "Lieder zum Fürchten" wurden stürmisch gefeiert. Der Erfolg ließ nicht lange auf sich warten, alleine die Platte "Gemma Tauben vergiften im Park" verkaufte sich in der Folge mehr als 100.000 mal. Gemeinsam mit Stars wie Gerhard Bronner und Helmut Qualtinger brachte er die Kabarett-Kunst ab den 1950er Jahren zu neuer Blüte.
Die zwiespältige Verbindung zu seiner Geburtsstadt schwingt in den Werken Kreislers, von Gedichten über Chansons und Bücher bis zu Hörspielen, Kabarett-Texten und Theaterstücken, deutlich mit. "Diese Stadt hat nie einen Finger für mich gerührt", erklärte der Künstler einmal. "Ich bin mehr weggebissen worden als zugelassen." Oder wie er 2009 sagte: "Wien ist ein ganz eigener Boden, wie nirgendwo sonst auf der Welt. Da fühlt man sich wohl oder auch nicht - ich tu es nicht." Verbunden fühlte sich Kreisler Österreich dennoch, wie er in seiner gewohnten Weise zu verstehen gab: "Heimat bleibt eben Heimat, auch wenn man mit ihr geschlagen ist."
1958 bis 1962 war sein Lebensmittelpunkt in München, danach kehrte er nach Wien zurück. Etliche seiner Programme präsentierte er mit seiner damaligen Frau Topsy Küppers. Anlass für einen erbitterten Urheberrechtsstreit nach der Scheidung des Paares war das Erfolgsstück "Heute Abend Lola Blau". Ab 1976 zog es den Kabarettisten nach Berlin, wo er mit seiner zweiten Ehefrau Barbara Peters auf der Bühne stand. Vom heiteren Sarkasmus und schwarzen Humor hatte er sich längst zum scharfen Gesellschaftskritiker entwickelt, wie spätere Publikationen zeigen: "Ist Wien überflüssig?" (1987), "Die alten, bösen Lieder - Ein Erinnerungsbuch" (1989) oder "Ein Prophet ohne Zukunft" (1990).
Kreisler forderte erst im heurigen Frühjahr, dass man "wieder auf den ursprünglichen Begriff des Kabaretts zurückkommen" müsse. "Das heißt: Kritik - Gesellschaftskritik." So kündigte er im Rahmen seiner Abschiedstournee noch zwei Bücher an, wiewohl auch der Bühnenabschied keine Abwendung von den Künsten werden sollte: "Da weiß man ja nie, was einem da noch so alles einfällt."
Zu seinem 80. Geburtstag veröffentlichte er eine CD mit dem Titel "Lieder gegen fast alles". 2005 erschien seine Biografie "Gibt es gar nicht", "Frühaufnahmen" war eine Platte mit alten, bis dato nicht auf Tonträger veröffentlichten Liedern, die zu seinem 85. Geburtstag erschienen ist. Umjubelt war auch die Premiere seiner zweiten Oper "Das Aquarium oder die Stimme der Vernunft", die 2009 in Rostock uraufgeführt wurde.
Zuletzt erhielt Kreisler zahlreiche Preise und Ehrungen, darunter etwa den Kabarett-, Kleinkunst- und Satirepreis "Prix Pantheon 2003", 2004 folgte der Richard-Schönfeld-Preis für literarische Satire. Bereits 1988 erhielt er die Ehrenmedaille der Stadt Wien in Gold 1988. Und 2010 wurde er schließlich mit dem Hölderlin-Preis geehrt. Dem Berliner Akademie der Künste übergab er 2007 sein Archiv, bestehend aus Manuskripten, Notenschriften und Liedern sowie Fotos, Korrespondenzen, Presseheften und Schallplatten. Für die Akademie von "besonderer Bedeutung", wie es damals hieß.