Nachtkritik

"Weites Land": Ehe im letzten Stadium

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Herbert Föttinger als Friedrich und Sandra Cervik als Genia im Ehe-Duell.

Bei Schnitzlers Weitem Land hat man natürlich vor allem das Ehepaar Hofreiter im Blick: Bühnen-Heroen wie Attila Hörbiger und Paula Wessely, Michel Piccoli und Bulle Ogier, Helmuth Lohner und Christine Ostermayer haben Friedrich und Genia gespielt, deren Verbindung sich wie ein Krebsgeschwür in einer Art schrecklichem Endstadium befindet.

Fabrikant
In der Josefstadt verkörpern nun Herbert Föttinger und (seine Ehefrau) Sandra Cervik die Hofreiters. Und auch Regisseur Josef E. Köpplinger dürfte vor allem die beiden Protagonisten im Visier gehabt haben. Föttinger spielt einen forschen Unternehmer, wie man ihm auch 2010 begegnen könnte: Er führt seine Ehe wie seine Fabrik; zur privaten Gewinnmaximierung und Verlustminimierung hat er ein paar bewährte Tricks drauf; und er hält ständig Ausschau nach neuen Märkten (Affären).

Verlieren kann er nicht, verletzt ist er so schnell wie der Börsenkurs, und sofern es ihm nicht gelingt, die jeweilige Blamage zu überspielen, ist seine Rache extrem unangenehm. Sandra Cervik als Genia leidet unter der Skrupellosigkeit ihres Mannes, scheint sich aber in ihrer weiten Seele einen Rest an Selbstachtung, Widerspenstigkeit und Entschlusskraft bewahrt zu haben. Wenn sie einander – Genia und Friedrich, Cervik und Föttinger – Psychoduelle liefern, ist man als Zuschauer elektrisiert.

Weniger elektrisch setzte Köpplinger dagegen das ständige Kommen-und-Gehen der vielen Paare und Passanten im Weiten Land in Szene. Da wird viel herumgestanden, bisweilen gewinnt man sogar den Eindruck, die Akteure, die gerade nicht dran sind, stellten sich tot. Herausragend: Helmuth Lohner als weiser Hoteldirektor und Gerti Drassl als lolitahafte Erna.

Lichtpanne
Apropos Elektrizität: Durch die temporäre wetterbedingte Stromabschaltung in Teilen der Josefstadt spielte auch das Bühnenlicht partiell verrückt – was die Premiere allerdings kaum irritierte.

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