In „Leibniz – Chronik eines verschollenen Bildes“ stellt Aenne Schwarz sich großen philosophischen Fragen. Im Interview spricht sie über den Film, Malerei und die beste aller Welten.
Ein Porträt des großen Denkers Gottfried Wilhelm Leibniz wird zur Herausforderung. Der Hofmaler schmeißt entnervt hin, da Leibniz seine Fähigkeiten anzweifelt. Fürstin Sophie von Hannover beauftragt daraufhin die niederländische Malerin Aaltje van de Meer, die ihm auf Augenhöhe begegnet. Zwischen der jungen Künstlerin und dem Philosophen entspinnt sich ein leidenschaftlicher Austausch. Das Filmporträt „Leibniz – Chronik eines verschollenen Bildes“ (ab 19. Dezember im Kino) wurde von Meisterregisseur Edgar Reitz (93) inszeniert und mit Edgar Selge, Aenne Schwarz, Lars Eidinger und Barbara Sukowa hochkarätig besetzt. In MADONNA spricht die deutsche Schauspielerin Aenne Schwarz (42) über den Film, barocke Malerei und Philosophie.
Was hat Sie an dem Stoff und an Ihrer Rolle gereizt?
Aenne Schwarz: Ich tauche sehr gerne in mir Unbekanntes ein und da ist 1704 eine interessante Welt. Dann habe ich mich schon immer für die Malerei interessiert und male selbst. Es war toll, mit dem Stoff in Berührung zu kommen, mit der Farbe. Ich durfte mit einer Malerin in München, Brigitte Stenzel, arbeiten. Das Nächste ist: Für mich ist Sprache mit das Allerschönste am Beruf. Ich konnte meiner Figur eine eigene Sprache geben, weil sie einen holländischen Akzent hat. Ich mag auch Kostüme gern. Das ist eine Hosenrolle, weil Aaltje als Frau damals nicht malen durfte. Dieses Versteckspiel mit den Kleidern war ein großer Reiz. Und es war eine wunderbare Möglichkeit, Edgar Reitz zu begegnen. Ich habe ihn schon immer verehrt.
Was konnten Sie über die Malerei noch lernen?
Schwarz: Natürlich kannte ich barocke Malerei und die flämischen Maler. Durch die Vertiefung wurde mir noch einmal klar, welche Rolle das Licht gespielt hat. Es geht viel um Kontraste, um dunkel und hell. Aaltje van de Meer sagt, sie malt das Licht. Das ist ein Schlüsselmoment zwischen ihr und Leibniz, in dem er aufhorcht. Der Maler, den er weggeschickt hat, hat seine Nase abgemalt. Diese junge Malerin kommt herein und schaut erstmal, wie das Licht fällt und wo sein Ort im Raum ist. Das passt zu Leibniz, der jemand ist, der sich sehr viel mit Übergängen beschäftigt hat, mit den Zwischentönen zwischen Körper und Geist oder zwischen Krieg und Frieden.
Der Film behandelt die Frage, was ein Porträt festhält. Was hält es für Sie fest?
Schwarz: Ich glaube, es berührt den Moment. Wie, wenn man einen kleinen Riss in den Momenten macht. In den muss man reinschauen können. Es muss wie eine Essenz von dieser Begegnung sein. Wie ein kleiner Tropfen.
Was konnten Sie über die Rolle der Frau zur damaligen Zeit mitnehmen?
Schwarz: Es gab damals Malergilden, in denen man sich geholfen – bei der Arbeit und der Ausbildung. Das war für Frauen nicht möglich. Aaltje kam aus einem Haushalt, in dem die Maler ein- und ausgingen. Sie ist bekannt mit der Welt, aber es ist eine Welt, die sie als Frau nicht betreten darf. Wir sehen mit Kurfürstin Sophie auch eine Frauenfigur, die Macht hat und diese junge Malerin einlädt. Da erlebt man zwei sehr unterschiedliche Welten. Für den Großteil der Frauen war vorgesehen, Kinder zu bekommen und den Haushalt zu führen.
Sie sprechen in dem Film über die beste aller möglichen Welten. Was wäre das für Sie?
Schwarz: Das ist eine große Frage. Von der besten aller möglichen Welten fühle ich mich gerade weit weg. Ich glaube, ich würde einen ganz großen Sprung machen. Für mich wäre die beste aller möglichen Welten eine Welt, in der ich mit vielen Tieren zusammenleben kann, irgendwo weit draußen mit vielen Bäumen und einer Wüste nebenan. Ich träume mich dann eigentlich einen Moment raus aus der Zivilisation. Aber trotzdem glaube ich an die Menschen, auch wenn das gerade nicht einfach ist und man das Gefühl hat, man ist in einer Simulation gelandet. Ich glaube an die Möglichkeit der Begegnung und an die Möglichkeit der Liebe. Darin gibt es einen Frieden und eine Zukunft.
Sie diskutieren im Film viele philosophische Fragen. Was hat das bei Ihnen angeregt?
Schwarz: Ich habe eine Zeit lang Philosophie studiert, weil ich zu scheu war, um mich an Schauspielschulen zu bewerben. Das war mir daher nahe. Wir mussten bei diesen philosophischen Gesprächen sehr darum kämpfen, dass sie nicht belehrend werden, sondern die beiden miteinander denken. Er sagt das auch: „Wollen wir miteinander denken?“ Es war eine schöne Idee, miteinander zu denken. Das bedeutet für die beiden auch, dass sie miteinander die Farbe anrühren oder miteinander dort sitzen.
Edgar Reitz hat Ihnen die Rolle ohne Casting gegeben. Was war das für ein Gefühl?Schwarz: Das war ein sehr schönes Gefühl. Man muss sich in diesem Beruf immer bewerben und es wird geschaut, ob man wirklich die Richtige ist. Wenn man an den Punkt kommt, wo man schon eine Arbeit gemacht hat, die Menschen sie sehen können und sich einfach für einen entscheiden, gibt es Vertrauen. Gleichzeitig ist da eine andere Aufregung, weil man sich nie bewiesen hat. Das ist dann eine Überraschung, wenn es losgeht. Es passiert jetzt immer öfter. Und das freut mich, obwohl ich Castings inzwischen oft genießen kann.