Bewegend. Im Film ,Eine von 8‘ schildert die Grazer Schauspielerin Frederike von Stechow ihre Ängste. Vergangene Woche starb sie.
Frederike von Stechow und Marijana Gravic dokumentieren im Film "Eine von 8" ihren Kampf gegen den Brustkrebs
Sie wollte noch leben, bis ihr Söhnchen Paul (4) in die Schule kommt; ihn an der Hand nehmen an seinem großen Tag. Ihn begleiten. Sie wollte leben, bis am 16. Oktober ihr Dokumentarfilm „Eine von 8“ Premiere feiert; sich noch einmal schön machen dafür. „Mit Perücke, Kopftuch oder oben ohne. Egal.“ Doch diese Wünsche blieben der gebürtigen Deutschen und in Graz lebenden Schauspielerin Frederike von Stechow verwehrt. Sie verstarb letzte Woche, am 16. Juli, im Alter von nur 41 Jahren an Brustkrebs – ohne ihr „Paulchen“ mit Schultüte zu sehen, ohne die Reaktionen der Premierengäste zu erfahren...
„Eine von Acht“. Dabei ist es erst wenige Monate her, da startete die junge Mutter voll Tatendrang ihr „zweites Leben“. Ihr Leben nach der Horrordiagnose Brustkrebs. Nach Brust-OP und qualvoller Chemotherapie. Der lange Kampf gegen ihr Leiden schien gewonnen. Auf die Initiative der Schauspielerin hin entstand der berührende und gleichermaßen schonungslose Dokumentarfilm (Regie: Sabine Derflinger) „Eine von 8“ (MADONNA wird eine spezielle Pink Ribbon-Leserinnen-Premiere in Memoriam Frederike von Stechow ausrichten). In Österreich erkrankt eine von acht Frauen in ihrem Leben an Brustkrebs. Die Protagonistinnen Frederike von Stechow und die Straßenbahnlenkerin Marijana Gavricˇ – die beiden Frauen lernten sich bei der Chemotherapie kennen – schildern im Film eindrucksvoll, wie sie versuchen, sich von der Diagnose Brustkrebs nicht aus der Bahn werfen zu lassen.
Intensiv. Die ungewöhnliche Entstehungsgeschichte des Films führt zu außergewöhnlichen darstellerischen Mitteln. Mit Kameras ausgestattet , filmen Stechow und Gavric ihren von der Krankheit bestimmten Alltag. Sie bestimmen den Grad der Intensität, der Offenheit in einer Extremsituation. „Wenn Frauen, die in ähnlicher Situation sind wie ich, diesen Film sehen“, so von Stechow kurz vor ihrem Tod“, „dann werden sie sehen, dass sie nicht allein sind.“ Ein emotionales Manifest zweier Frauen, die ihre Situation zu meistern versuchen.
Doch das Schicksal hat nicht mitgespielt. Stechow verlor ihren Kampf vor wenigen Tagen. Was ihr am Wichtigsten war? „Mein Sohn soll auch ohne mich glücklich werden...
"Paul soll ein schönes Leben Haben"
Abschied. Das berührende Protokoll von Schauspielerin Frederike von Stechow. Sie verlor am 16. Juli den Kampf gegen den Krebs – mit 41.
Am Anfang als ich erfahren habe, dass ich krank war, konnte ich mit niemandem darüber reden. Ich hatte Angst zu sagen, ich habe Krebs. Das kann ich auch heute noch nicht leicht sagen, jetzt wo ich wieder Krebs haben soll. Ich habe mich sogar geschämt, als ich meine Haare verloren habe während der Chemo. [ ]
Ich habe sofort, als ich von meiner Krankheit erfahren habe, beschlossen, einen Film zu machen über diese Zeit. Ich wollte immer einen Film machen. Und alles, was ich erlebte kam mir fremd vor, eben wie im Film. Wie durch ein Wunder fand ich eine Regisseurin, die fand wiederum eine Kamerafrau und einen Musiker und dann ein ganzes Team. Alle halfen mir, die Idee von meinem Film umzusetzen – er wurde von verschiedenen Stellen finanziert. Ich wollte keinen medizinischen Film machen, sondern einen Film über das Leben, über zwei Frauen, die trotz einer schweren Krankheit weiterleben und Hoffnung haben. Mein Ziel war es, wieder gesund zu sein, wenn der Film fertig ist und gezeigt wird. Leider habe ich einen Tag nach der Premiere am Filmfestival erfahren, dass mein Krebs gestreut hat. Es war wie ein Hohn. Wie wenn mir jemand sagen würde: „Du glaubst wohl, dass Du in Deinem eigenen Leben Regie führen könntest.“
Ich gehe gerade durch die Hölle. Aber ich möchte jetzt wieder etwas finden wie diesen Film, etwas, was ich machen werde. Etwas, das mich durch die nächste Zeit der Chemos trägt. Das Schlimmste, was mir passieren kann, ist, dass ich an der Krankheit sterbe oder meine Schmerzen nicht in den Griff zu kriegen sein werden. Das Furchtbarste ist, dass ich Angst um meine Familie, meine Schwestern, meine Eltern, meinen Mann und meinen Sohn habe. Und damit setze ich mich jetzt auch auseinander. Ich spreche, auch wenn niemand darüber reden will, was mit Paulchen passiert, wenn ich es nicht schaffe. Mein Mann arbeitet sehr viel und ich würde mich freuen, wenn er bei meiner Schwester und Ihrem Mann bleiben könnte, solange er noch so klein ist, weil sein Cousin sein bester Freund ist. Das tröstet mich. Er soll trotzdem ein fröhliches Kinderleben haben.
Ein Arzt aus Kiel hat mir gesagt: „Wer sagt, dass das Ihr letztes Weihnachten sein wird? Vielleicht sehen Sie Ihren Sohn aufwachsen? Es gibt neue Medikamente und Studien. Vielleicht werden Sie nie mehr ganz gesund, wir werden aber versuchen, Ihr Leben lebenswert zu machen. Gesund oder krank ist doch egal – Hauptsache sie fühlen sich gut! Das Wichtigste ist, dass wir jetzt Ihre Seele heilen von diesem schweren Schnitt, den man Ihnen zugefügt hat.“
Das hat mir diesen Druck genommen, Heilen zu müssen. Denn wie soll ich das beeinflussen. Ich war so positiv, habe alles versucht und habe trotzdem einen Rückfall erlitten. Manchmal denke ich, ich habe zu viel gearbeitet und bin jetzt deswegen wieder krank. Also das ist die Strafe. Als Kranker bekommt man auch viele Ratschläge und wenn man sie ablehnt und seinen eigenen Weg gehen will, wird die Umwelt ungehalten. Aber man kann nicht alle Ratschläge befolgen. Es ist schwierig, Hilfe zu bekommen und betreut zu werden, wenn es einem schlecht geht. Es ist schwierig, trotzdem erwachsen zu bleiben.
Heute war ich im Café und habe mir ein Eis mit heißen Himbeeren bestellt, weil ich es liebe. Ich treffe meine Kollegen, und wir reden über die Arbeit. Das lenkt mich ab. Auch wenn ich gerade keine Proben habe, arbeite ich weiterhin für meinen Film und jede Reaktion auf ihn freut mich.
Auch wenn man mir gesagt hat, dass ich wahrscheinlich immer Metastasen haben werde, habe ich mir gesagt, bis zum Kinostart im Herbst von „Eine von Acht“ bin ich wieder metastasenfrei. Und wenn nicht ganz, dann geht es mir zumindest wieder besser und ich werde hingehen mit Perücke, Tuch oder oben kahl. Egal, ich werde mich hübsch machen, mir ein schönes Kleid dafür kaufen, in ein schönes Hotel gehen. Ich werde leben, bis mein Sohn in die Schule geht und dann werde ich weiterleben bis er seinen Freischwimmer macht. Und dann werde ich weiterleben bis er eine Freundin hat, und so werde ich mir Ziele setzen.
So geht es auf und ab. Die Aufs sind die besseren Zeiten.
www.einevonacht.com.
www.krank-und-autonom.de
Sie wollte noch leben, bis ihr Söhnchen Paul (4) in die Schule kommt; ihn an der Hand nehmen an seinem großen Tag. Ihn begleiten. Sie wollte leben, bis am 16. Oktober ihr Dokumentarfilm „Eine von 8“ Premiere feiert; sich noch einmal schön machen dafür. „Mit Perücke, Kopftuch oder oben ohne. Egal.“ Doch diese Wünsche blieben der gebürtigen Deutschen und in Graz lebenden Schauspielerin Frederike von Stechow verwehrt. Sie verstarb letzte Woche, am 16. Juli, im Alter von nur 41 Jahren an Brustkrebs – ohne ihr „Paulchen“ mit Schultüte zu sehen, ohne die Reaktionen der Premierengäste zu erfahren...
„Eine von Acht“. Dabei ist es erst wenige Monate her, da startete die junge Mutter voll Tatendrang ihr „zweites Leben“. Ihr Leben nach der Horrordiagnose Brustkrebs. Nach Brust-OP und qualvoller Chemotherapie. Der lange Kampf gegen ihr Leiden schien gewonnen. Auf die Initiative der Schauspielerin hin entstand der berührende und gleichermaßen schonungslose Dokumentarfilm (Regie: Sabine Derflinger) „Eine von 8“ (MADONNA wird eine spezielle Pink Ribbon-Leserinnen-Premiere in Memoriam Frederike von Stechow ausrichten). In Österreich erkrankt eine von acht Frauen in ihrem Leben an Brustkrebs. Die Protagonistinnen Frederike von Stechow und die Straßenbahnlenkerin Marijana Gavricˇ – die beiden Frauen lernten sich bei der Chemotherapie kennen – schildern im Film eindrucksvoll, wie sie versuchen, sich von der Diagnose Brustkrebs nicht aus der Bahn werfen zu lassen.
Intensiv. Die ungewöhnliche Entstehungsgeschichte des Films führt zu außergewöhnlichen darstellerischen Mitteln. Mit Kameras ausgestattet , filmen Stechow und Gavric ihren von der Krankheit bestimmten Alltag. Sie bestimmen den Grad der Intensität, der Offenheit in einer Extremsituation. „Wenn Frauen, die in ähnlicher Situation sind wie ich, diesen Film sehen“, so von Stechow kurz vor ihrem Tod“, „dann werden sie sehen, dass sie nicht allein sind.“ Ein emotionales Manifest zweier Frauen, die ihre Situation zu meistern versuchen.
Doch das Schicksal hat nicht mitgespielt. Stechow verlor ihren Kampf vor wenigen Tagen. Was ihr am Wichtigsten war? „Mein Sohn soll auch ohne mich glücklich werden...
"Paul soll ein schönes Leben Haben"
Abschied. Das berührende Protokoll von Schauspielerin Frederike von Stechow. Sie verlor am 16. Juli den Kampf gegen den Krebs – mit 41.
Am Anfang als ich erfahren habe, dass ich krank war, konnte ich mit niemandem darüber reden. Ich hatte Angst zu sagen, ich habe Krebs. Das kann ich auch heute noch nicht leicht sagen, jetzt wo ich wieder Krebs haben soll. Ich habe mich sogar geschämt, als ich meine Haare verloren habe während der Chemo. [ ]
Ich habe sofort, als ich von meiner Krankheit erfahren habe, beschlossen, einen Film zu machen über diese Zeit. Ich wollte immer einen Film machen. Und alles, was ich erlebte kam mir fremd vor, eben wie im Film. Wie durch ein Wunder fand ich eine Regisseurin, die fand wiederum eine Kamerafrau und einen Musiker und dann ein ganzes Team. Alle halfen mir, die Idee von meinem Film umzusetzen – er wurde von verschiedenen Stellen finanziert. Ich wollte keinen medizinischen Film machen, sondern einen Film über das Leben, über zwei Frauen, die trotz einer schweren Krankheit weiterleben und Hoffnung haben. Mein Ziel war es, wieder gesund zu sein, wenn der Film fertig ist und gezeigt wird. Leider habe ich einen Tag nach der Premiere am Filmfestival erfahren, dass mein Krebs gestreut hat. Es war wie ein Hohn. Wie wenn mir jemand sagen würde: „Du glaubst wohl, dass Du in Deinem eigenen Leben Regie führen könntest.“
Ich gehe gerade durch die Hölle. Aber ich möchte jetzt wieder etwas finden wie diesen Film, etwas, was ich machen werde. Etwas, das mich durch die nächste Zeit der Chemos trägt. Das Schlimmste, was mir passieren kann, ist, dass ich an der Krankheit sterbe oder meine Schmerzen nicht in den Griff zu kriegen sein werden. Das Furchtbarste ist, dass ich Angst um meine Familie, meine Schwestern, meine Eltern, meinen Mann und meinen Sohn habe. Und damit setze ich mich jetzt auch auseinander. Ich spreche, auch wenn niemand darüber reden will, was mit Paulchen passiert, wenn ich es nicht schaffe. Mein Mann arbeitet sehr viel und ich würde mich freuen, wenn er bei meiner Schwester und Ihrem Mann bleiben könnte, solange er noch so klein ist, weil sein Cousin sein bester Freund ist. Das tröstet mich. Er soll trotzdem ein fröhliches Kinderleben haben.
Ein Arzt aus Kiel hat mir gesagt: „Wer sagt, dass das Ihr letztes Weihnachten sein wird? Vielleicht sehen Sie Ihren Sohn aufwachsen? Es gibt neue Medikamente und Studien. Vielleicht werden Sie nie mehr ganz gesund, wir werden aber versuchen, Ihr Leben lebenswert zu machen. Gesund oder krank ist doch egal – Hauptsache sie fühlen sich gut! Das Wichtigste ist, dass wir jetzt Ihre Seele heilen von diesem schweren Schnitt, den man Ihnen zugefügt hat.“
Das hat mir diesen Druck genommen, Heilen zu müssen. Denn wie soll ich das beeinflussen. Ich war so positiv, habe alles versucht und habe trotzdem einen Rückfall erlitten. Manchmal denke ich, ich habe zu viel gearbeitet und bin jetzt deswegen wieder krank. Also das ist die Strafe. Als Kranker bekommt man auch viele Ratschläge und wenn man sie ablehnt und seinen eigenen Weg gehen will, wird die Umwelt ungehalten. Aber man kann nicht alle Ratschläge befolgen. Es ist schwierig, Hilfe zu bekommen und betreut zu werden, wenn es einem schlecht geht. Es ist schwierig, trotzdem erwachsen zu bleiben.
Heute war ich im Café und habe mir ein Eis mit heißen Himbeeren bestellt, weil ich es liebe. Ich treffe meine Kollegen, und wir reden über die Arbeit. Das lenkt mich ab. Auch wenn ich gerade keine Proben habe, arbeite ich weiterhin für meinen Film und jede Reaktion auf ihn freut mich.
Auch wenn man mir gesagt hat, dass ich wahrscheinlich immer Metastasen haben werde, habe ich mir gesagt, bis zum Kinostart im Herbst von „Eine von Acht“ bin ich wieder metastasenfrei. Und wenn nicht ganz, dann geht es mir zumindest wieder besser und ich werde hingehen mit Perücke, Tuch oder oben kahl. Egal, ich werde mich hübsch machen, mir ein schönes Kleid dafür kaufen, in ein schönes Hotel gehen. Ich werde leben, bis mein Sohn in die Schule geht und dann werde ich weiterleben bis er seinen Freischwimmer macht. Und dann werde ich weiterleben bis er eine Freundin hat, und so werde ich mir Ziele setzen.
So geht es auf und ab. Die Aufs sind die besseren Zeiten.
www.einevonacht.com.
www.krank-und-autonom.de