Prozess um Horror-Tat

Vater übergießt Sohn mit heißem Wasser

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17-Jähriger flehte: "Papa, bitte bring mich nicht um".

"Ich war sehr zornig und verzweifelt" - mit diesen Worten hat ein 59-jähriger Mann am Dienstag im Wiener Landesgericht zu erklären versucht, weshalb er seinen 17 Jahre alten Sohn mit brühend heißem Wasser übergoss und den Burschen anschließend mit einem Küchenmesser attackierte. "Ich wollte ihm nicht großen Schaden zufügen. Aber ich hab' nicht Anatomie studiert", stellte der Angeklagte fest.

Tat "schwer erklärbar, schwer nachvollziehbar"

Staatsanwältin Sabine Rudas-Tschinkel legte dem Mann versuchten Mord zur Last. Die Tat sei "schwer erklärbar, schwer nachvollziehbar", räumte sie eingangs der Verhandlung ein. Das inkriminierte Geschehen hatte sich am 8. Mai 2016 in einer Reihenhaus-Siedlung in Floridsdorf abgespielt, wo der gebürtige Ägypter mit seiner Ehefrau, zwei Töchtern und dem Sohn jahrelang ein unauffälliges Leben geführt hatte. Dann ließ sich die Frau jedoch scheiden. Im Zuge der Trennung wurde festgelegt, dass sie dort mit den Kindern wohnen bleiben durfte und der Mann sich eine neue Bleibe suchen musste.

   Das dürfte der Mann, ein Akademiker, der vor 33 Jahren nach Österreich gekommen war, um - wie er dem Schwurgericht (Vorsitz: Martina Krainz) erläuterte - "in einem friedlichen Land zu leben", nicht verwunden haben. Die Frau habe ihn überlistet und erwirkt, dass er "obdachlos" wurde, beklagte er. "Mir wurde das Haus unter Betrug genommen", rief der Angeklagte im Großen Schwurgerichtssaal. Man habe ihn "zu Unrecht aus seinem Haus vertrieben". Dabei sei er gegen seine Familie nie gewalttätig vorgegangen, obwohl seine Ex-Frau "eine Weltmeisterin in Provokation" sei.

   Von der Vorsitzenden auf eine polizeiliche Amtshandlung im vergangenen März angesprochen, die nötig geworden war, weil der Vater seine Tochter mit einem Messer angegriffen haben soll, meinte der Angeklagte: "Meine Tochter hat sich selbst verletzt." Er habe ihr "nichts getan".

   Es sei ihm "im Exil" sehr schlecht gegangen, berichtete der Mann weiter: "Ich war obdachlos. Ich bin 59. Ich bin Diplomingenieur. Ich war auf der Straße." Nachdem er sich, um seinen Kummer zu ertränken, am 7. Mai in einem Lokal dem Alkohol hingegeben hatte, ließen sich Mutter und Tochter erweichen und erlaubten ihm, ausnahmsweise in der einst ehelichen Wohnung zu übernachten. Da die Frauen aber Schwierigkeiten befürchteten, fassten sie den Entschluss, die Nacht bei Bekannten zu verbringen. Einzig der 17-jährige Sohn blieb in der Wohnung, weil er stark verkühlt war und leicht fieberte.

Mit Messer und Wasserkocher am Bett des Sohnes

Irgendwann, während der Bursch im Halbschlaf im Bett lag, ging der Vater in die Küche, machte einen Wasserkocher halbvoll, erhitzte diesen bis zum Kochen, nahm noch ein Messer an sich und trat damit ans Bett seines Sohnes. Er habe diesem "ein bisschen Wasser auf den Kopf gegossen", gab der Angeklagte zu Protokoll. Als Begründung lieferte der Mann folgende Erklärung: "Ich war total fertig, ich war verzweifelt. Ich wollte ihn verletzen." Hundert Mal habe er seinen Sohn gebeten, sich auf seine Seite und gegen die Mutter zu stellen, "dass er mir zurück ins Haus hilft." Der Sohn sei aber nicht zu ihm gestanden: "Er wollte nicht, dass ich wieder zurückkomme."

Der Jugendliche, dessen linke Gesichtshälfte, linke Hand und rechter Unterschenkel verbrüht wurden, ließ sich panikartig aus dem Bett fallen. Da machte der Vater laut Anklage vom Messer Gebrauch, indem dem am Boden Liegenden Schnittwunden am Hinterkopf und im Nacken zufügte und ein Mal in den Rücken stach. "Papa, bring mich bitte nicht um!", schrie der 17-Jährige in Todesangst, während er sich unter einem Schreibtisch verkroch. Schließlich gelang es ihm, den Angreifer mit einem Fußtritt zu Fall zu bringen.

Diese Gelegenheit nutzte der Verletzte, um aus seinem Zimmer zu laufen, ein ebenerdig gelegenes Fenster zu öffnen und ins Freie zu springen. Über einen Zaun gelangte der Bursche in den Garten des Nachbarn, wo er bemerkte, dass der Vater ihm mit dem Messer folgte. Der 17-Jährige läutete voller Angst bei Nachbarn und rief um Hilfe, die ihm vorerst nicht zu teil wurde. So lief er weiter in Richtung eines Parkplatzes, wo Passanten auf die Szene aufmerksam wurden und Polizei und Rettung verständigten. Schließlich brach der Jugendliche zusammen. Im Spital wurde festgestellt, dass die Schnitte nicht lebensbedrohlich waren und beim Stich die Klinge des Messers einen Knochen getroffen hatte und zum Glück keine Organe beschädigt hatte.

Verletzungen schlimmer als zunächst gedacht

Bei der Untersuchung des Schülers stellte ein Sachverständiger fest, dass diesem mit dem Küchenmesser mindestens 15 Stich- und Schnittverletzungen zugefügt wurden. Mehrere davon gingen in den Kopf. So ließ sich ein Stich gegen die rechte Schläfenregion mit einem Stichkanal von sechs bis sieben Zentimeter nachweisen. "Selbst ein kräftiges Einstechen auf die Schädeldecke führt in der Regel nicht zur Perforation", dozierte der Gerichtsmediziner. Auch hinter dem Ohr und im Nackenbereich wurde der Bursch getroffen.

Eine Vielzahl von Stichen kassierte der 17-Jährige auf der Flucht, im Zuge derer ihn sein Vater nach Sprüngen aus dem Fenster und über einen Zaun bis auf die Straße verfolgte. Noch dort bekam der Bursch einen Stich in den Rücken, wie eine Augenzeugin dem Schwurgericht schilderte. Mit letzter Kraft und brechender Stimme hätte sich der Schüler mit den Worten "Bitte helfen Sie mir" an sie gewandt. "Der Junge war komplett von Blut überströmt. Ein wunderschöner Junge, der voller Blut war", beschrieb sie die Szene.

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