Laxe Gesetzeslage und Schwäche der Nachrichtendienste als Gründe - Hauptakteure sind Russland, China, Iran und Türkei
Österreich gilt seit Jahrzehnten als bevorzugtes Operationsgebiet ausländischer Geheimdienste. Dies wird nun auch von der österreichischen Spionageabwehr offiziell bestätigt. Ein Grund dafür sei die Gesetzeslage, die "ein Operieren auf österreichischem Staatsgebiet aufgrund der vergleichsweise sehr niedrigen Strafdrohung attraktiv macht", heißt es im jüngst veröffentlichten Verfassungsschutzbericht 2021. Hauptakteure seien Russland, China, der Iran und die Türkei.
"Nach wie vor nutzen ausländische Staaten den neutralen Boden Österreichs als ein präferiertes Tätigkeitsgebiet für nachrichtendienstliche Aktivitäten", schreiben die Verfassungsschützer. Als begünstigende Faktoren wird neben der Gesetzeslage, der guten geopolitischen Lage, der wirtschaftlichen Stärke des Landes und der Präsenz einer Reihe von internationalen Organisationen auch die Schwäche der einheimischen Spionageabwehr genannt. Die österreichischen Nachrichtendienste könnten nämlich "im Vergleich zu anderen europäischen Diensten in der Aufklärung nur auf minimal-invasive Befugnisse zurückgreifen, mit denen die Operationen fremder Nachrichtendienste im Bundesgebiet nur schwer bis kaum nachzuweisen sind", heißt es in dem von der Direktion für Staatsschutz und Nachrichtendienst (DSN) verantworteten Bericht wörtlich.
Spioniert werde vorrangig unter dem Deckmantel von sogenannten "Legalresidenturen" in Botschaften, Vereinen, Kulturzentren, Presseagenturen, Fluggesellschaften oder anderen Unternehmensstandorten. In Botschaften tätige Nachrichtendienstoffiziere würden sich mit dem Diplomatenstatus gegen strafrechtliche Verfolgung schützen. Ihr Verantwortungsbereich erstrecke sich nicht nur auf Österreich, sondern auch auf andere EU-Staaten. Angestrebt sei auch eine Kontrolle der eigenen Diaspora, wobei Mittel eingesetzt werden, "die mit der Rechtsordnung des Landes oft nicht vereinbar sind". Diesbezüglich habe man in den vergangenen Jahren auch vermehrt die Rekrutierung von "Spitzeln" feststellen können, so die DSN.
Als wichtigste Spionageakteure werden Russland, China, der Iran und die Türkei genannt. Russische Nachrichtendienste würden "mit unverändert hoher Intensität" in Österreich agieren, heißt es in dem Bericht, der sich auf den Zeitraum vor Beginn der russischen Aggression gegen die Ukraine bezieht. Russland würde auch die österreichischen Nachrichtendienste und Sicherheitsbehörden ausspähen, wobei etwa auf die Anwerbung von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern gesetzt werde. Den drei anderen Ländern werden explizit keine entsprechenden Aktivitäten zur Last gelegt.
China sammle über Österreich etwa "Informationen über militärische Kapazitäten von ausländischen Militärkräften sowie wissenschaftliche und technologische Informationen mit militärischen Bezug". Beim Iran spiele die militärische Spezialeinheit Quds-Force "eine nicht unwesentliche Rolle". Diese sei "neben extraterritorialen Militäroperationen auch auf nachrichtendienstliche Informationsgewinnung spezialisiert". Die Türkei lege ihr Hauptaugenmerk auf Regimekritikerinnen und -kritiker sowie die Gülen-Bewegung und die Kurdische Arbeiterpartei (PKK).
Als größte Bedrohungen sieht der Bericht für die Zukunft die versuchte Anwerbung von Informanten, insbesondere in den Bereichen Hightech, Diplomatie, Staatsangestellte und Wissenschaft, sowie von Desinformationskampagnen in Form von Fake News, Online Trolling (absichtliche Diffamierung im Internet) und Doxing (Veröffentlichen geheimer E-Mails und Dokumente). Solche Einflussnahmen "dienen dem Zweck der Destabilisierung eines Staates, der Schaffung von Unruhe und Ungewissheit sowie der gesellschaftlichen Polarisierung durch Einflussnahme auf die öffentliche Meinung, um die Stimmungslage eines Landes in eine für sie nützliche Richtung zu lenken".