Ein Italiener als Englands Teamchef? Englische Trainer steigen auf die Barrikaden.
Man kann es nicht allen recht machen. Wenn in England ein neuer Teamchef gekürt wird und dieser noch dazu aus dem Ausland kommt, dann gehört es auf der Insel fast schon zur Fußball-Tradition, dass Kritiker hervortreten. Nachdem der Italiener Fabio Capello am Donnerstag als zweiter Nicht-Engländer nach dem Schweden Sven-Göran Erikssion (2001 bis 2006) vom Verband als Nachfolger von Steve McClaren eingesetzt worden war, meldeten sich gleich mehrere Experten zu Wort.
"Nicht in Ordnung"
Darunter befindet sich auch Gareth
Southgate, der Coach des österreichischen Teamverteidigers Emanuel Pogatetz
in Middlesbrough. "Als ich noch selbst im Team unter Sven gespielt habe,
dachte ich mir noch, ein Ausländer als Teamchef sei in Ordnung. Doch ich
habe seither meine Meinung geändert", sagte der frühere englische
Internationale.
Southgate erhielt Unterstützung durch seinen Landsmann und Kollegen Steve Coppell. "Um ehrlich zu sein, bin ich über diese Entscheidung traurig. Ich hätte gerne einen Engländer als Teamchef gesehen", meinte der Coach von Reading. Gerade jetzt in dieser sehr schwierigen Phase warte auf den Teamchef viel Arbeit, die Mannschaft wieder ins Spitzenfeld zu führen.
"Enttäuscht"
"Ich bin enttäuscht, weil das Amt
wieder einem Ausländer gegeben wurde und die britischen Trainer so wieder
eine große Gelegenheit verpasst haben", kritisierte der Waliser Mark Hughes,
der Coach der Blackburn Rovers. Und Ex-Teamspieler Tony Adams, derzeit
Assistent in Portsmouth: "Es gibt so viele gute Trainer bei uns, da liegt es
doch auf der Hand, einen Engländer zu nehmen."
"Armutszeugnis"
Aber nicht nur aus der Premier League,
sondern auch aus unteren englischen Ligen kommen kritische Worte. "Es ist
für den englischen Fußball ein Armutszeugnis, nach Europa zu gehen und von
dort einen Teamchef zu engagieren. Wir besitzen genug Trainer in England,
die gute Teamchefs wären", meinte der 40-jährige Paul Ince. Der frühere
ManU-Star, 53-fache Internationale und Ex-Teamkapitän ist derzeit Chef des
Viertliga-Spitzenreiters Milton Keynes Dons.
Eriksson begeistert
Dass Capello, einem der erfolgreichsten
Trainer der Gegenwart in Europa, auf einem besonders heißen Sitz Platz
nimmt, ist Fakt. Doch dem 61-Jährigen bläst nicht nur kalter englischer Wind
ins Gesicht. Es gibt auch Befürworter seines Engagements. "Capello ist einer
der besten Trainer, die man finden kann. Ich habe ihn während meiner Zeit in
Italien in zehn Serie-A-Jahren kennengelernt. Seine Visitenkarte spricht
eine deutliche Sprache", meinte Eriksson.
8 Millionen pro Jahr
Capello stand am Freitag kurz vor der
Unterzeichnung des viereinhalb Jahre laufenden Vertrages, der ihm
umgerechnet rund acht Millionen Euro jährlich bringen soll. Der Italiener,
der in seiner Heimat in 16 Jahren neun Titel geholt und mit AC Milan 1994
die Champions League gewonnen hat, hatte davor noch mit dem Verband
Detailfragen zu klären. Fest steht, dass er seinen Trainerstab mitbringen
darf, der wahrscheinlich durch den englischen Ex-Internationalen Stuart
Pearce ergänzt wird.