Hickersberger

"Kritik war unerträglich"

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Im ÖSTERREICH-Interview erzählt der Teamchef über die harten letzten Wochen und den Druck der Medien.

ÖSTERREICH: Nach dem 2:1 über die Schweiz haben Sie gesagt, dass Sie der Sieg überrascht hat. Warum?
Josef Hickersberger: Der Sieg gegen Liechtenstein war eine Erleichterung für die Spieler. Aber als Trainer weiß man nie, wie es im nächsten Spiel laufen wird. Deshalb war für mich der Sieg gegen die Schweiz eine Überraschung, ja sogar eine Sensation.

ÖSTERREICH: Wie haben die Spieler reagiert?
Hickersberger: Sie haben sich sehr gefreut. Sie leiden ja viel mehr als ich unter den äußeren Umständen.

ÖSTERREICH: Weil Sie als Trainer schon mehr Erfahrung mit Krisen hatten?
Hickersberger: Weil der Trainer sich schon in viel schlimmeren Situationen befunden hat. Die Spieler lechzen ja nach Anerkennung und Lob. Das ist ihre Motivation. Es ist keine Motivation, eine Blamage zu vermeiden wie gegen Liechtenstein. Das ist nur Schadensbegrenzung und bringt einen nicht weiter. Für die Spieler war der Sieg gegen die Schweiz dagegen unglaublich wichtig.

ÖSTERREICH: Glauben Sie, dass die Kritik der Medien eine Reaktion bei der Mannschaft bewirkt hat?
Hickersberger: Es hat schon einen Effekt gehabt: die Mannschaft ist einfach zusammen gerückt. Alle sitzen in einem Boot und es entsteht so etwas wie eine Bedrohung von außen, und dagegen müssen wir uns gemeinsam wehren. Die Kritik war zwar gerechtfertigt, aber teilweise überzogen. Wenn ich der These jetzt zustimme, dann wird die Kritik bei Niederlagen unerträglich werden. Das hat dann nichts mehr mit Kritik zu tun, sondern dann geht es nur noch: Rübe ab.

ÖSTERREICH: Welche Entwicklung haben Sie in den zehn Tagen Trainingslager bei der Mannschaft bemerkt?
Hickersberger: Nehmen wir Fitness-Coach Roger Spry her. Gleich zu Beginn ist mir aufgefallen, dass fast alle Spieler das neue Programm interessant gefunden haben. Alle haben sich extrem engagiert. Manche haben das Rhythmus-Gefühl vermissen lassen. Da dürften einige zu wenig in der Disco gewesen sein.

ÖSTERREICH: Trotz der Neuerungen ist das Spiel gegen Liechtenstein letztendlich nicht ins Auge gegangen.
Hickersberger: Irgendwo finde ich es ja schade, dass ich noch immer nicht weiß, wie das Ganze bei einer Niederlage gegen Liechtenstein abgelaufen wäre. Irgendwie schade. Das wäre eine wertvolle Lebenserfahrung geworden. Aber ich kann ganz gerne darauf verzichten.

ÖSTERREICH: Vor dem Spiel gegen die Schweiz wirkten Sie sehr angespannt.
Hickersberger: Ich werde in solchen Situationen grantig. Ich habe einen gewissen Selbstschutz, dann grantle ich gerne. Da hab ich ein bissl was vom „Herrn Karl“. Aber es geht nicht um meine Person. Es geht um die Spieler. Wenn die täglich lesen, ihr Trainer ist rücktrittsreif - wie soll ich die motivieren?

ÖSTERREICH: Wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit, dass dieser Sieg gegen die Schweiz falsch eingeschätzt wird?
Hickersberger: 100 Prozent.

Von Alex Strecha/ÖSTERREICH

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