0:2 gegen Chile war Armutszeugnis. Fans forderten im Stadion den Abgang von Teamchef Hickersberger.
Stimmen Sie ab: Ist Hicke rücktrittsreif?
Um 22.27 Uhr war Schluss im Ernst-Happel-Stadion. Teamchef Hickersberger stürmte sofort in die Kabine, danach ins Fernsehstudio. Dort bot er vor laufenden Kameras seinen Rücktritt an. Hicke im O-Ton: „Wenn man der Meinung ist, dass es einen Besseren gibt als mich, dann muss man mit mir reden, das ist kein Problem für mich“, sagte er. Und: „Natürlich hinterfrage ich mich ständig selbst.“ Die Pfiffe und die „Hicke raus!“-Rufe nach dem Tor zum 0:2 haben ihm weh getan. Lesen Sie hier den Matchbericht.
Zeit und Geduld
Freiwillig schmeißt Hicke jedoch nicht hin. „Ich
kann der Mannschaft helfen, aber wir brauchen Zeit und Geduld.“ Doch die
Zeit bis zur EURO wird knapp. Neun Monate noch – und unsere
Nationalmannschaft ist auf dem Tiefpunkt. Noch gibt’s beim ÖFB keine
Trainerdiskussion. Alle stehen zu Hicke. Präsident Friedrich Stickler: „Wir
ziehen das durch.“ Der ÖFB-Boss hat eigentlich gar keine Alternativen.
Im Visier
Hickersberger war am Match-Abend schon von Beginn an
im Mittelpunkt gestanden. Vor dem Anpfiff scharten sich die Fotografen um
ihn. Bei der Trauerminute für den verstorbenen Ex-Teamchef Helmut
Senekowitsch hatte Hickersberger rote Augen. „Senekowitsch ist nicht nur
mein Trainer gewesen, sondern auch einer meiner besten Freunde.“ Brutal
harte Tage für Hicke. Die österreichische Nationalmannschaft wollte auch für
ihren Trainer spielen.
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Hinter den Kulissen
Es fiel Hickersberger schwer, sich aufs
Chile-Match zu konzentrieren. In der Öffentlichkeit stellte er sich vor das
Team, intern flogen die Fetzen. Hickersberger zeigte den Spielern auch noch
die Grusel-DVD vom 0:0 gegen Japan in voller Länge. Zur Abschreckung.
Was er gestern zu Beginn sah, gefiel ihm. Da spielte das Nationalteam gefällig – leider nur zehn Minuten. Hicke: „Wir sind besser ins Match gekommen als gegen Japan, aber wir haben den Schwung nicht mitnehmen können.“ Der Anfang vom Ende. Die „Hicke raus!“-Rufe signalisieren: Es brodelt!
Das Interview
ÖSTERREICH: Denken Sie jetzt an Rücktritt, Herr
Hickersberger?
JOSEF HICKERSBERGER: Wenn man der Meinung ist, dass
es in Österreich irgendwo einen Besseren gibt als mich, ist das kein
Problem. Dann soll man es mir sagen.
ÖSTERREICH: Stellen Sie sich nicht manchmal die Frage, ob das alles noch
Sinn macht?
HICKERSBERGER: Ich hinterfrage mich ständig selbst.
ÖSTERREICH: Glauben Sie, dass Sie der Nationalmannschaft neun Monate vor
der Europameisterschaft noch helfen können?
HICKERSBERGER: Ja,
davon bin ich überzeugt. Aber man muss Geduld haben, man muss den Spielern
Zeit geben. Wir haben uns dafür entschieden, die Mannschaft umzubauen. Von
heute auf morgen geht das nicht. Aber ich weiß schon: Das österreichische
Fußballvolk ist nicht mit Geduld ausgestattet.
ÖSTERREICH: Nach dem 0:0 gegen Japan haben alle auf Wiedergutmachung
gehofft – warum hat das nicht geklappt?
HICKERSBERGER: Wir
haben den Schwung aus der Anfangsphase leider nicht mitnehmen können. Japan
und Chile sind auch nicht miteinander zu vergleichen. Die Chilenen sind im
Angriff viel gefährlicher, das habe ich gewusst, darauf habe ich immer
wieder hingewiesen. Aber ich schau nicht nur aufs Ergebnis. Ich habe in
dieser Begegnung durchaus auch positive Ansätze gesehen.
ÖSTERREICH: Welche sollen das sein?
HICKERSBERGER: Wir sind
besser ins Spiel gekommen als zuletzt in der Partie gegen Japan, wir sind
mehr im Ballbesitz gewesen. Natürlich spricht dieses Resultat gegen uns, das
ist mir klar.