Peter Schöttel ist in den kommenden Wochen gefordert. Der Sportdirektor muss dem ÖFB-Präsidium bis spätestens Ende April einen neuen Teamchef zur Abstimmung vorschlagen.
Über die aktuellen Herausforderungen, den Status der Suche und darüber, was ein Fußball-Nationaltrainer in Österreich derzeit kosten darf, sprach der 55-jährige Wiener am Mittwoch mit der APA.
Das Nationalteam hat in den vergangenen Jahren auch gegen sehr starke Gegner mitunter deutlich mehr Ballbesitz gehabt, diese Spiele aber nie gewonnen. Ist es ein Thema, die Spielidee für die Zukunft anzupassen?
Schöttel: "Anschauen wird man sich alles, auch die Spiele gegen stärkere Mannschaften. Gegen Schottland (2:2 am Dienstag in Wien) war es so, dass wir nicht nur sehr viel Ballbesitz gehabt haben, sondern auch in der ersten Hälfte drei, vier hundertprozentige Chancen, die der Tormann gehalten hat. Es zählen immer die Tore. Aber das eine oder andere Match hätte durchaus auch anders ausgehen können."
Sie haben vergangene Woche den Zwiespalt zwischen zwei Strömungen im österreichischen Fußball angesprochen - dem Red-Bull-Stil und der mehr an Ballbesitz orientierten "Wiener Schule". Was ist der Ansatz, um das beim Nationalteam zu lösen?
Schöttel: "Ich habe vor ein paar Wochen ein Interview mit Julian Nagelsmann gehört, bei dem er vor dem Spiel nach dem System gefragt worden ist. Er hat gesagt: 'Aufpassen mit dem System, ich muss einmal schauen, welche Leute ich zur Verfügung habe.' Das sagt viel aus. Als Verein hast du die Möglichkeit, das Thema Spielanlage täglich zu verfeinern. Als Teamchef musst du in anderen Dingen sehr stark sein. Du musst sehr rasch Dinge auf den Punkt bringen, musst sehr überzeugend sein auf Spieler. Du musst sehr hohe soziale Kompetenz haben, Fachkompetenz haben sie eh alle."
Wie ist der Status bei der Teamchef-Suche? Wie viele ernsthafte Kandidaten gibt es?
Schöttel: "Da gibt es keine Aussage. Es läuft, der Prozess ist in Gang. Ich habe mir vorgenommen, den Prozess nicht begleitend zu kommentieren. Wir schauen, dass es bis spätestens Ende April die Lösung gibt, idealerweise früher. Wir haben es im Herbst 2017 auch in ein paar Wochen geschafft."
Damals haben sie drei Kandidaten vorgeschlagen. Das Präsidium fordert nun sehr stark von Ihnen ein, dass Sie einen Teamchef liefern müssen.
Schöttel: "Der Prozess wird derselbe sein. Ich werde mit Leuten reden und eine Liste zusammenschreiben. Diese Liste werde ich reduzieren und dann mit drei oder fünf Kandidaten ins Präsidium gehen. Wenn es gewünscht ist, wird es eine klare Empfehlung von mir geben."
Sie haben einen unbefristeten Vertrag, im Verband viele andere Aufgaben. Aber wenn es gefordert ist, nur einen Namen zu nennen: Inwiefern erzeugt das auch auf Sie mehr Druck, dass es funktionieren muss?
Schöttel: "Das finde ich gar nicht. In Wahrheit suchen wir ja keinen Teamchef, sondern ein Trainerteam. In der heutigen Zeit geht alles immer mehr in Richtung Spezialisierung. Am Ende des Tages sollte da ein Team sein, das alle Bereiche abdeckt. Es geht nicht nur um diese eine Person - auch wenn es oft auf die reduziert wird."
Es gibt auch einen Budgetrahmen. Was sind diesbezüglich Ihre Vorgaben?
Schöttel: "Wir müssen mit unseren Finanzen haushalten. Bei einige Namen, die kursieren, kann man sich die Kontaktaufnahme sparen. Trotzdem gibt es genug interessante Leute. Ich denke, dass wir mit einer sehr spannenden Mannschaft punkten können. Wir haben eine EM in Deutschland als nächste Qualifikation, das wird für viele Trainer im deutschsprachigen Raum interessant sein. Und für erfahrenere Trainer, die schon im Nationalteam-Bereich tätig sind und nicht mehr den täglichen Stress haben wollen, haben wir mit Wien natürlich auch eine sehr lebenswerte Stadt."
Konkreter gefragt: Darf ein neuer Teamchef mehr kosten als Marcel Koller oder Franco Foda?
Schöttel: "Das kann man nicht vergleichen, da sind wir ja weit auseinander."
Darf er mehr kosten als Koller?
Schöttel: "Nein, natürlich nicht. Das ist damals gegangen. Der Rahmen wird ähnlich sein, wie er bei Franco war. Das Thema ist: Wir haben uns jetzt für die letzten sechs Weltmeisterschaften nicht qualifiziert. Jede WM- und jede EM-Teilnahme bringt dem Verband Geld. Wenn du sechsmal hintereinander nicht bei einer WM bist, wirst du dir schwerer tun, Projekte umzusetzen und Entwicklungen voranzutreiben. Das muss man probieren, aber trotzdem müssen wir jetzt noch mehr haushalten als zuletzt."
Stichwort spannende Mannschaft: Viele Spieler haben ihre Qualitäten in der Offensive.
Schöttel: "Aber eine relativ schlechte Quote in der Torausbeute. Gegen Schottland hatten wir genug Chancen, um in der ersten Hälfte 2:0 zu führen. Man darf sich nicht in Statistiken verlaufen. Dass wir permanent mehr Ballbesitz als der Gegner haben, ist normal, sagt aber mittlerweile nichts mehr aus. Wir haben in den meisten Fällen auch mehr Großchancen als die Gegner. In letzter Zeit haben wir aber etwas die Kaltschnäuzigkeit vor dem Tor vermissen lassen."
Franco Foda hat schon vor dem Schottland-Spiel informiert, dass seine Ära zu Ende ist. Wie ist das aus Ihrer Sicht abgelaufen?
Schöttel: "Er hat uns alle sehr kurzfristig informiert, dass er diesen Schritt gehen will. Ich habe es extrem gut gefunden, wie die Mannschaft reagiert hat. Wenn man vor dem Spiel in der Kabine war, würden sich einige Märchen und Mythen der letzten Jahre ad absurdum führen. Nach dem Spiel war minutenlanger Applaus, es waren gerührte Menschen. Das sollten die Leute auch wissen, die permanent behauptet haben, es gibt Probleme zwischen Mannschaft und Teamchef. Das Verhältnis war immer sehr respektvoll und korrekt. Ganz am Schluss war es noch sehr berührend."
Der ÖFB wollte eine Verlängerung mit Foda nach dem Aus im WM-Play-off in Wales noch nicht gänzlich ausschließen. Wie realistisch war das tatsächlich?
Schöttel: "Wir haben uns nicht von außen treiben lassen. Wir haben immer sehr klar analysiert. Unter dem Strich bleibt, dass er eine gute Bilanz hat, dass wir aber das letzte große Ziel nicht geschafft haben. Das wollten wir mit ein paar Tagen Abstand besprechen. Ich persönlich glaube, dass eine Verlängerung schwer geworden wäre, aber es war weder das Verhältnis mit der Mannschaft zerrüttet, noch kann man ihm wahnsinnig viel vorwerfen."
Wie ist der Fahrplan bis Ende April?
Schöttel: "Zuerst werden Informationen eingeholt, Hintergrundinformationen besorgt. Es werden Gespräche geführt, auch indem man die eine oder andere Reise macht. Zuerst werden auf sportlicher Ebene die Dinge abgesteckt. Wenn es um wirtschaftliche Dinge geht, kommt mit Bernhard Neuhold der Geschäftsführer der ÖFB Wirtschaftsbetriebe GmbH dazu. So haben wir es vor vier Jahren auch gemacht."
Zu Peter Stöger müssen Sie keine weite Reise machen. Was spricht gegen ihn?
Schöttel: "Das möchte ich überhaupt nicht kommentieren. Ich habe natürlich meine Gedanken. Ich werde in den nächsten Wochen aber ganz sicher keine konkreten Meldungen abgeben."
Wie schnell möchten Sie eine konkrete Liste mit Kandidaten beisammen haben, die alle finanzierbar, frei und imstande wären, das Team weiterzubringen?
Schöttel: "So rasch wie möglich. Aber ich denke schon, dass es ein paar Wochen dauert, wenn man den Prozess seriös macht. Es war schon klar, dass es ein Stress wird, falls wir im März ausscheiden und uns vom Teamchef trennen. Aber das werden wir ganz sicher bewältigen."