Doping-Pflicht

Ex-Radprofi packt aus

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Patrick Rottenhofer in ÖSTERREICH über sein jähes Karriere-Ende: "Habe gesehen, dass Trainieren alleine nicht reicht. Doping war Standard."

Sie haben in den 90er Jahren als eines der größten Talente im österreichischen Radsport gegolten. Was waren ihre größten Erfolge?
1996 sind wir zu viert zum Jugend-Giro nach Italien gefahren, Drei Villacher und ich. Für den Start mussten wir viel zahlen, solche Nobodys wie uns hätte keiner eingeladen.

In der ersten Etappe ging’s mir schlecht, da hatte ich einen Defekt. Das Ersatzrad des Veranstalters hatte noch alte Schlaufen, und das Rad war mir drei Nummern zu klein. Die zweite Etappe war eine Bergankunft. Die erste Bergwertung hab ich gewonnen, dann bin weggerollt. Mit mir ein Italiener. Der Vorsprung wurde immer größer. Der Schlussanstieg war 10 km, eine Bergankunft. Als wir rauf sind, hab ich schon gemerkt, der pfeift aus dem letzten Loch.

Nach der Etappe hab ich erfahren, dass der Manager des Italieners meinen Manager im Auto angerufen hat. Wie viel Geld er haben wolle, dass ich ihn gewinnen lasse. Am Ende hatte ich 1,5 Minuten Vorsprung auf den Italiener herausgefahren. Ich gewann damals das Gesamttrikot, das Bergtrikot und das Punktetrikot. Und an ein Junioren-Weltcup Rennen in Frankreich kann ich mich erinnern. Erste Etappe war ich Erster, Zweiter ein gewisser Ivan Basso.

Und nach dem Giro-Sieg?
Michael Moser, mein Manager von Wüstenrot war gut im Verhandeln, ich hatte Angebote von zwei, drei Mannschaften.

Welche Mannschaft ist es dann geworden?
Im November habe ich bei Mapei, einem der renommiertesten Nachwuchsteams in Italien unterschrieben. Michael Moser hat denen aber gesagt, wenn sie mich wollen, will er einen zweiten Österreicher unterbringen – das war der Gerrit Glomser. Der Gerrit ist mitgekommen.

Wie ist es Ihnen als Neo-Profi ergangen?
Nach der Matura ging ich fix nach Italien. Und dann bin ich draufgekommen, wie es im Radsport wirklich zuging, hatte erst den Durchblick.

Was meinen Sie konkret?
Ich habe sofort gesehen, dass Trainieren allein nicht reicht. Mir hat zwar keiner gesagt , du musst das oder das einwerfen!‘, aber ich merkte sofort, wo‘s langging. Es kommt dir schon komisch vor, wenn Leute, die du im Training locker im Griff hast, im Wettkampf plötzlich viel stärker sind, weil das Doping den Unterschied ausmacht. Ich hab‘ gesehen, mit welchen Sachen dort alle systematisch arbeiten.

Was haben die Fahrer damals genommen?
Vor allem EPO (Sauerstofftransport-förderndes Hormon, d. Red.). Das konnte damals nicht nachgewiesen werden.

Warum hast du dann Hals über Kopf hingeschmissen?
Ich habe mich über die Nebenwirkungen von EPO erkundigt. Als ich kapierte, dass ich ohne nicht dorthin kommen konnte, wo ich hinwollte, habe ich aufgehört. Ich habe meine Räder verklopft und mich drei Jahre lang auf keinen Sattel gesetzt. Aber ich kann nicht behaupten, dass ich böse auf den Radsport bin. Jeder muss eben wissen, wie viel ihm die Gesundheit wert ist.

Wie hart war dieser Schritt?
Klar war es schmerzhaft, auf eine große Karriere zu verzichten. Man arbeitet sechs Jahre darauf hin, und ich hätte ein Super-Sprungbrett gehabt. Wenn die Stars demnächst bei der Rad-WM bei meinem Haus in Hallwang vorbei fahren, werde ich trotzdem zusehen. Im Liegestuhl und dabei ein Bier trinken.

Und was dabei denken?
Dass meine Entscheidung richtig war, ich bin heute noch froh darüber. Sonst müsste ich jetzt da sitzen, und irgendwelche Doping-Ausreden auftischen. Was es da für skurrile Aussagen gibt lächerlich. Von der Zahnpasta über irgendwelche Verunreinigungen bis zur bösen Salbe der Schwiegermutter.

Wie haben die Leute damals reagiert?
Damals hat es geheißen, der Patrick hat’s nicht ausgehalten in Italien, war zu weich. Ich hab offen ausgesprochen, warum ich gegangen bin, aber den Leuten war’s egal. Der Presse großteils auch – die wollten es sich wohl nicht verscherzen. Mit der Zeit – als dann der Festina Skandal war – haben einige Leute gesagt; ah, der Patrick hatte doch recht.

Ihr Sohn ist gerade erst ein Jahr alt. Welche Sport werden sie ihm einmal empfehlen?
Ich hab mir schon überlegt was ich machen würde, wenn er zum Radfahren beginnt. Vielleicht sollte ich ihn in verschiedene Vereine schicken, dass er überall gut aber nirgends Spitze wird. Weil bis auf Schach und Sportfischen gibt es wohl kaum eine Sportart mehr, wo nicht gedopt wird.

Wie ist Ihr Kontakt zu den Spitzenfahrern heute?
Ich habe mit ihnen nicht viel zu tun. Eigentlich müsste ich sie – ironisch gesprochen – bewundern, wie sie ihre Gesundheit riskieren. Doping ist Standard. Egal wie sie alle heißen. Leider.

Von Stefan Müller/Österreich

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