Günter Bresnik packt aus: 'Es wird mir halt immer klarer, wie das gelaufen ist'
Normalerweise touren besonders die Tennis-Sportler das ganze Jahr rund um den Globus. Jetlag, Klimawechsel, lange Flüge, Belagwechsel gehören zum Profi-Leben. Doch wegen der Coronavirus-Pandemie steht schon die dritte Woche auch die Tennis-Welt still. Wann es weitergeht, steht Ende März in den Sternen. "Vielleicht gibt es nächstes Jahr einen kompletten Neubeginn", mutmaßt Coach Günter Bresnik.
Er bezieht dies auch auf die Kräfteverhältnisse, denn die lange Pause könnte auch zu leistungsmäßigen Verschiebungen führen. Nicht ranglistenmäßig, denn die Weltrangliste ist ja derzeit "eingefroren". "Man wird sehen, wie unterschiedlich schnell die Leute wieder in die Gänge kommen", sagte Bresnik jüngst im APA-Gespräch. Besonders bei körperlichen Defiziten könnten nun die jungen Spieler aber gegenüber den Routiniers aufholen.
Wettkampfverzerrung
Für die absolute Spitze wird sich hingegen wenig ändern, glaubt der frühere Thiem-Coach und -Manager. "Die Leute, die oben stehen, betrifft es weder wirtschaftlich noch sportlich wahrscheinlich sonderlich. Sie sind froh, wenn die Positionen eingefroren sind. Wirtschaftlich stehen die alle so gut da, dass sie ihr Leben lang nichts mehr arbeiten müssen", weiß Bresnik.
Allerdings mache die Situation, "die Kluft nach oben noch einmal größer", weil die Spitze "oben noch mehr einzementiert" sei, meint der 58-jährige Niederösterreicher. Die French Open sind bereits von Mai auf September verschoben worden, auch Wimbledon steht kurz vor der Absage bzw. Verschiebung. Eine Verschiebung ist wegen des sensiblen Rasenbelags heikel.
"Eigentlich ist das eine Wettkampfverzerrung", erklärt Bresnik. "Wenn einem Bauern im Sommer die Ernte abhandenkommt, weil es Hagel gibt, kann er das auch nicht im Herbst nachholen. Da musst wieder von vorne anfangen."
Trennung von Thiem
Für Bresnik selbst jährt sich demnächst das Ende der Zusammenarbeit mit Dominic Thiem. Der Weltranglisten-Dritte hatte sich sozusagen in zwei Etappen zunächst vom Trainer, dann kurz vor den French Open vom Manager Bresnik getrennt. Im Rückblick betrachtet der Ex-Davis-Cup-Kapitän und frühere ÖTV-Sportdirektor dies "nüchtern wie immer".
"Es wird mir halt immer klarer, wie das gelaufen ist. Es macht es um nichts ästhetischer. Es sind Dinge, die ich halt gar nicht verstehe. Ehrlichkeit, Loyalität, Werte ... Da ist nicht viel davon eingehalten worden", erklärte Bresnik und fügt hinzu, "ich habe eigentlich kein Problem damit, außer dass man sich vielleicht darüber ärgert, dass man sich täuschen hat lassen. Wenn ich jemandem alles zu verdanken habe, dann kann ich so nicht mit ihm umgehen. Wolfgang (Thiem) wäre ein Clubtrainer in Seebenstein und Dominic wäre ein Future-Spieler."
Im Leistungszentrum Südstadt ist Bresnik eine von drei Personen in der seit 2001 privat geführten Betreibergesellschaft. Der Vertrag wurde erst vor Kurzem um zwölf Jahre verlängert. Die Plätze dort sind laut Bresnik "bummvoll". Er sieht seine Zukunft auch weiter in der Südstadt, schließt aber ein neuerliches Engagement auf der Tour nicht aus. "Wenn was kommt, was mich aufregt, dann mach' ich das. Seit ich Familie habe, also seit fast 25 Jahren, habe ich es immer so gestaltet, dass das familienverträglich ist. Mich stört es nicht, ob ich zehn oder 25 Wochen unterwegs bin." Anfragen gäbe es nach wie vor, aber da müsse alles zusammenpassen.
Zum Chaos im ÖTV, wo nun gleich alle neun Landesverbandspräsidenten ins Präsidium wollen, hat Bresnik auch eine klare Meinung. "Es bringt nichts, wenn du irgendwelche Leute hast, die sich nur dadurch unterscheiden, welche Einsager sie haben. Bei den meisten fehlt mir komplett die Führungsqualität", so Bresnik. Die Person müsse das Team führen und sich nicht auf ein Podest stellen. Gute Führungskräfte machen dies aus Bresnik-Sicht "so unauffällig, dass das keiner mitkriegt". Man müsse einen Präsidenten wählen, der nicht von Eitelkeiten getrieben wäre. Er selbst hat "null" Interesse an einer Rückkehr in den ÖTV. "Ein Trainer soll sich darum kümmern, dass er Spieler besser ausbildet."