Trotz der seit Monaten bestehenden Unruhe im Österreichischen Tennisverband (ÖTV) kann sich Jürgen Melzer eine Zukunft in einer Verbandsfunktion vorstellen.
Auch wenn der 38-jährige Niederösterreicher noch aktiver Sportler ist, macht er sich schon länger Gedanken über die Zeit danach. Durchaus möglich, dass 2020 das letzte Profijahr für Melzer ist, der seit 1999 auf der Tour spielt.
"Ich habe das noch nicht endgültig entschieden. Es ist eine Chance da, dass das mein letztes Jahr ist", erklärte der French-Open-Halbfinalist 2010 und zweifache Grand-Slam-Sieger im Doppel. "Es wäre natürlich schade, wenn es wirklich so wäre und es wird nicht viel gespielt", bezog sich Melzer im APA-Gespräch auf die aktuelle Coronavirus-Epidemie.
Generalversammlung wegen Corona abgesagt
Melzer ist, ähnlich wie auch Wolfgang Thiem, hinter vorgehaltener Hand schon als ÖTV-Sportdirektor gehandelt worden. Melzer kann sich das nach seinem Karriere-Ende vorstellen. "Sicherlich eine reizvolle Aufgabe, aber ich glaube, dass im Verband einmal Ruhe einkehren muss", bezog er sich auf die Diskussionen um die Verbandspräsidentschaft, Statutenänderungen und dergleichen. "Ich habe immer gesagt, dass ich keine Abneigung habe, irgendwann einmal etwas für den Verband zu machen."
Noch während des Davis Cups hat man sich im Kreise der Landesverbandspräsidenten im ÖTV darauf geeinigt, künftig alle neun Landesbosse ins Präsidium zu holen, plus drei externe Personen. Dies muss allerdings erst in Statutenänderungen gegossen und auf einer Generalversammlung abgesegnet werden. Diese hätte am 22. März stattfinden sollen, wurde aber wegen der Coronavirus-Krise abgesagt. Man wollte die wichtige Causa aber nicht digital abstimmen lassen. Das heißt, dass ÖTV-Präsidentin Christina Toth damit vorerst weiter im Amt bleibt.
Die angestrebte ÖTV-Präsidiumslösung mit neun Landesverbandspräsidenten sieht Melzer ambivalent. "Ich glaube, dass das schwierig ist, aber auch durchführbar". Man müsse die Kompetenzen absichern und sicherstellen, dass man sich "nicht für jeden einzelnen Schritt, den man tätigt, in welcher Verantwortung du auch immer stehst, rechtfertigen muss".
Papa-Thiem geht von Südstadt weg
Sind dies die sprichwörtlichen viele Köche, die den Brei verderben (könnten)? "Wir leben halt in einer Demokratie und die haben das jetzt so entschieden. Ich glaube, wenn man generell in die Welt des Sports blickt, dass das nicht mehr üblich ist." Aber man habe sich eben auf keinen Wahlvorschlag einigen können. "Wer weiß, wenn es dann vielleicht einen neuen Sportdirektor gibt, vielleicht schafft man es dann, dass man ihn einfach arbeiten lässt. Schade, dass so viel Aufruhr gemacht wird."
Der vom ÖTV abgeschmetterte Vorschlag der steirischen Verbandspräsidentin Barbara Muhr mit Wolfgang Thiem als Sportdirektor sorgte in der Folge für Schlagzeilen. Thiem senior will mit "seinen" Spielern Dennis Novak, Sebastian Ofner, Jurij Rodionov und seinem Sohn aus dem Leistungszentrum Südstadt weggehen.
Davis-Cup für Spieler finanziell lukrativ
Melzer hat gehört, dass dieses Weggehen ohnehin schon länger geplant gewesen sei. Einen Machtkampf zulasten des Davis Cups zwischen Wolfgang Thiem und dem ÖTV erwartet Melzer nicht: "Die Gefahr sehe ich nicht. Die Leute, die jetzt in Premstätten dabei waren, spielen alle wirklich gern Davis Cup. Man braucht nicht um den heißen Brei herumreden, da werden finanzielle Mittel freigestellt, die sich diese Spieler nicht entgehen lassen wollen."
Auch der ÖTV nicht: allein die Qualifikation für Madrid im November bringt 256.000 Euro für den Verband. Die Spieler teilen sich nach gewissem Schlüssel 515.000 Euro in der Gruppenphase. Der Aufstieg ins Viertelfinale würde dem Verband 515.000, den Spielern 1,1 Mio. Euro einbringen.