ÖSV-Star spricht im oe24-Interview Klartext

Julian Schütter: 'Eliasch soll nicht an Märchen festhalten'

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Skiprofi und Klimaaktivist Julian Schütter (25) hofft auf eine CO2-freundlichere Weltcupsaison. Der Weltverband ist im Rückstand.

Der Sommer steht vor der Tür, an den Ski-Weltcup denkt nicht einmal der hartgesottenste Winterfan. Kaum öffentliche Aufmerksamkeit erregt da das FIS-Meeting heute in Dubrovnik bei nicht sommerlichen 16 Grad und Regen. Auf der Agenda: der Rennkalender für die Saison 2023/24.

Parallel arbeitet Julian Schütter (Riss des vorderen Kreuzbandes samt Meniskusverletzung im linken Knie) an seiner Rückkehr. Aquajogging steht nach dem Interview-Termin am Plan. Schütter fährt dann mit dem Rad zu seiner Arbeitsstätte ins Olympiazentrum. Klimagerecht. Es ist nicht die einzige Maßnahme, die der 25-Jährige trifft. Obwohl Schütter sagt, unser ökologischer Fußabdruck werde überschätzt. Dank seines Engagements bei der Ski-WM im Februar in Frankreich erreichte die Initiative „Protect Our Winters“ die breite Öffentlichkeit. Schütter ist der erste aktive Profi im Alpinsektor, der den Weltverband und seine Klimapolitik zur Verantwortung zieht.

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oe24: Julian, was hat sich seit Ihrem Auftritt bei der Ski-WM im Februar getan?
Julian Schütter: Wir hatten einiges an Berichterstattung. Aber in der FIS, die wir ja angesprochen haben, kann ich schwer bewerten, wie viel sich wirklich bewegt hat. Bis auf die Reaktionen, die wir am Anfang gekriegt haben und ein paar persönlichen E-Mails habe ich noch nicht viel Neues gehört. Beim FIS-Kongress im Mai stehen Entscheidung an, die nicht direkt ums Klima gehen, aber wo sich anhand der Entscheidungsfindung ablesen lassen wird, ob diese Aktion etwas gebracht hat. Außerdem hat die FIS versprochen, dass eine Nachhaltigkeitsstrategie veröffentlicht wird.

oe24: Greenpeace unterstützt Ihre Initiative mit einem offenen Brief an die FIS. Der Vorwurf ist Greenwashing, also dass das klimafreundiche Image eine reine PR-Aktion ist.
Schütter: Wenn Greenpeace das als Greenwa­shing bewertet, will ich nicht widersprechen. Und es deckt sich auch mit meinem Eindruck.

Julian Schütter Training
© GEPA
× Julian Schütter Training

»Es ist aus jedem Blickwinkel unglaubwürdig.«

oe24: Aus der Distanz betrachtet: Wie macht sich Nachhaltigkeit bei der FIS bemerkbar?
Schütter: Es macht wenig Unterschied, ob man das von innen oder mit ­Abstand betrachtet. Es ist aus jedem Blickwinkel unglaubwürdig. Ich habe in den letzten Monaten eher schmerzlich lernen müssen, dass der Grundsatz „Vermeiden, Reduzieren, Kompensieren“ fehlerhaft ist. Der wird von verschiedenen Akteuren ausgenutzt, indem man sich rein auf dieses Kompensieren konzentriert. Das sehen sehr viele als Chance, ein bisschen Geld zu zahlen, dann hat man eine reine Weste und kann so viele Emissionen verursachen, wie man will. Die Rechnung geht aber nicht auf, weil die meisten von diesen Klimazertifikaten wertlos sind. Deswegen ist der neue Grundsatz „Vermeiden und Reduzieren“. Was dann überbleibt, muss nicht irgendwie ausgeglichen werden. Es ist gescheiter, die restlichen Emissionen transparent zu machen.

oe24: Wie viel Ehrlichkeit erwarten Sie von einem Gespräch mit FIS-Präsident Johan Eliasch?
Schütter: Ich würde ihm sagen, dass er aufhören sollte, an diesem unglaubwürdigen Märchen festzuhalten, dass die FIS klimapositiv wäre. Und wir würden gerne anbieten, gemeinsam mit den Athleten und Klimaprofis eine Strategie zu entwickeln, wie man die Ziele erreichen kann.

oe24: Wie die zweite Nordamerika-Tour zu streichen?
Schütter: Damit würden die Reiseemissionen halbiert werden. Es muss ja nicht gestrichen werden. Es wird doch wohl möglich sein, dass wir eine Woche länger bleiben und die Rennen in Aspen noch mitnehmen.

oe24: Der ÖSV ist im FIS-Rat durch Patrick Ortlieb vertreten. Unterstützt Sie der Verband?
Schütter: Ich habe vom ÖSV von Anfang an Unterstützung bekommen. Hauptsächlich durch Frau Stadlober. Mit Herrn Ortlieb bin ich nicht in Kontakt und weiß nicht genau, wie er dazu steht.

oe24: Was könnte der ÖSV tun?
Schütter: Wenn der ÖSV geschlossen sich dafür einsetzt, würde das sicher sehr viel bringen. Es gibt andere nationale Verbände, die da Ambitionen zeigen und vorstoßen – der schwedische zum Beispiel.

»Der ÖSV könnte mehr machen, als er jetzt tut.«

oe24: Kann sich der ÖSV von den Schweden was abschauen?
Schütter: Ja, schon. Die Verbände haben Interessenkonflikte. Sobald sie Maßnahmen einführen, die einen Wettbewerbsnachteil bedeuten, wäre das kontraproduktiv. Der ÖSV könnte mehr machen, als er jetzt tut. Aber die großen Brocken gehen nur gemeinsam. Und in so einer großen Struktur wie der FIS, heißt gemeinsam nur über das Reglement.

oe24: Prominente Namen wie Mikaela Shiffrin unterstützen Ihre Initiative ‚Protect Our Winters‘. Genügt es, Unterschriften zu sammeln oder wäre Aktionismus Mittel zum Zweck?
Schütter: Für mich persönlich nicht. Ich kann mir zivilen Ungehorsam oder ein Rennen zu blockieren nicht vorstellen. Ich glaub nicht, dass das zielführend wäre. Wir als Athleten haben die Rolle, aufzuzeigen, dass dieser Wandel positiv sein kann. Und auch Menschen anzusprechen, die bis jetzt mit dem Thema noch nicht so viel anfangen können.

oe24: Wie reagieren Sie auf Menschen, die die Klimakrise leugnen?
Schütter: Ich versuche meistens mit rationalen Argumenten zu widersprechen. Es erfordert sicher ein bisschen Geduld, aber es ist möglich.

oe24: Sie wirken sehr besonnen. Was passiert, wenn Sie die Geduld verlieren?
Schütter: Gute Frage. Es kann in Resignation enden. Dann würde ich aber auch den Sport nicht mehr weiter betreiben. Resignation im Klimathema würde gleichzeitig meine Karriere beenden.

oe24: Sitzen Sie zwischen den Stühlen?
Schütter: Durch meine Rolle habe ich die mediale Aufmerksamkeit. Und zwischen den Lagern zu stehen, ist eine Chance, weil sich alle Gesellschaftsschichten verändern müssen, um dieses Problem zu lösen. Wir müssen Schichten unserer Gesellschaft mitnehmen, die noch nicht viel von Nachhaltigkeit wissen wollen. Es ist leichter, die von innen heraus zu überzeugen. Deswegen sehe ich das als gute Möglichkeit, den Skisport in Richtung Nachhaltigkeit zu pushen. Das geht viel leichter als Athlet.

oe24: Auch das Kitzbühel-Wochenende ist ein Reizthema in Sachen Nachhaltigkeit.
Schütter: Ich sehe in dieser Veranstaltung etwas Positives. Was in Kitzbühel in meiner Wahrnehmung gut funktioniert, ist die Anreise der Zuschaue­rInnen. Wo man sicher noch Potenzial hat, sind die Hubschrauber. Es wird nicht vermeidbar sein – wir brauchen Hubschrauber, um verletzte Athleten so schnell wie möglich versorgen zu können. Aber es gibt eine Flugshow, und das finde ich nicht mehr zeitgemäß. Ich denke auf der einen Seite, das ist ein richtig geiles Event und ich bin gerne da. Andererseits: Okay, ginge noch besser.

oe24: Wie bereiten Sie sich klimafreundlich auf die Saison vor?
Schütter: In der jetzigen Phase geht es hauptsächlich ums Konditraining. Das ist die Zeit, wo die meisten von uns einen eher geregelten Alltag haben. Wir haben unsere Trainingsstätte, wie zum Beispiel im Olympiazentrum in Innsbruck. Und die ist mein Arbeitsplatz, wo ich meine 30 Stunden in der Woche verbringe. Es ist wie in einem normalen Berufsalltag. Ich wohne nicht weit weg, fahr mit dem Radl in die Arbeit. Ich ernähre mich vegetarisch, kaufe Secondhand. Das sind aber Kleinigkeiten. Unser ökologischer Fußabdruck wird überschätzt und unser politischer Handabdruck unterschätzt. Man kann viel mehr bewirken, indem man versucht, die Rahmenbedingungen so zu verschieben, dass es für alle leichter wird, sich nachhaltig zu verhalten. Und das kann man nur in dem Umfeld machen, auf das man Einfluss hat.

oe24: Im August geht’s zum Skitraining nach Südamerika. Nicht gerade nahe gelegen.
Schütter: Das fällt ein großer Teil unserer Emissionen an. Aber da die Saison so früh beginnt, haben wir Druck, dass wir im Oktober oder November bereit sein müssen. Da unsere Gletscher in Europa so zurückgegangen sind, finden wir diese Bedingungen nicht mehr zu dieser Jahreszeit, wo wir sie bräuchten.

»Passen uns Klimakrise so an, dass wir sie mehr befeuern.«

oe24: Da beißt sich die Katze in den Schwanz.
Schütter: Ja, es ist sehr ironisch. Wenn du auf den Gletscher rauffährst und ein Bagger schaufelt die Gletscherspalten zu, dass du Skifahren kannst, und hinten raucht es raus. Im Prinzip ist das ein Bild für die ganze Situation. Wir passen uns der Klimakrise so an, dass wir sie noch mehr befeuern.

oe24: Ist das beängstigend?
Schütter: Ja. Schon. Es ist so widersprüchlich. Es macht die Hoffnung nicht größer, dass wir die Ka­tastrophe noch abwenden können.

oe24: Glauben Sie, dass sich die FIS wirklich ­etwas überlegt?
Schütter: Ich kann schwer einschätzen, was die Motive der Entscheidungsträger sind, aber ich habe schon Hoffnung, dass diese Strategie veröffentlicht wird.

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