Größter Karriere-Erfolg nach 19 Operationen

Ortlieb: Silber als Lohn nach langer Leidenszeit

Teilen

19 Operationen um des Skisports Willen sind am Samstag zumindest zum Teil mit Silber entschädigt worden.

Nina Ortlieb gewann als nächste Schmerzpatientin aus dem ÖSV-Speed-Team nach Cornelia Hütter ihre erste WM-Medaille. Die Krankenakte der 26-jährigen Vorarlbergerin ist bücherfüllend. Erst zwei Tage vor dem Rennen hatte ihr der Teamarzt die Fäden der letzten Hüft-Operation entfernt.

Das Durchspülen eines Hämatoms war im Vergleich zu Ortliebs sonstigen Verletzungen eine Kleinigkeit. Viel Schneetraining war nach ihrem Sturz von Cortina im Vorfeld der WM dennoch nicht möglich. Lange wackelte sogar der Start. "Ich bin erst am Samstag (vor einer Woche/Anm.) wieder das erste Mal Ski gefahren. Da habe ich entschieden: Ich fühle mich körperlich bereit, das möchte ich probieren. Es war wirklich sehr knapp. Umso schöner, dass ich mit mehr Gepäck heimfahren kann", sagte Ortlieb, die sich dieser Tage eher schleppend im Zielgelände von Méribel bewegt hatte.

In diesem Moment der Freude wolle sie ihre Verletzungen, Blessuren und Spitalsaufenthalte vergessen und sich denken: "Das war es wert." Der um vier Hundertstel verpassten Goldmedaille trauerte sie nicht nach. Silber empfand sie als "Entschädigung, Belohnung und Bestätigung" der harten Arbeit. Glücklich, aber nüchtern absolvierte sie den Interviewmarathon. Partystimmung war noch ein frommer Wunsch für den Abend. "Ich würde mir wünschen, ich könnte öfter ein wenig leichter lockerlassen."

Kreuzbandriss vor einem Jahr

Bei einer, die so verbissen kämpfen musste, klingt das verständlich. Ortlieb zählt zur Riege der mental Wehrhaften, zu ihrem Antrieb sagte sie: "Ich glaube, das ist in einem drinnen. Man weiß: Man hat noch mehr, man hat noch etwas zu zeigen. Im Endeffekt mache ich es einfach brutal gern." Sie habe ihren ersten WM-Start einfach nur genießen wollen. "Es ist ein Privileg heute da zu stehen, gerade als Österreicherin schafft man es gar nicht so leicht zu einem Großereignis."

Erst vor einem Jahr - ebenfalls im Jänner - hatte Ortlieb erneut einen Totalschaden im rechten Knie zu verdauen gehabt. Das vordere Kreuzband, das Innenband, der Außenmeniskus und die Patellasehne waren gerissen. Olympia fand ohne sie statt.

Méribel machte den Erfolg für die "Viertelfranzösin" Ortlieb, die im Weltcup bisher einen Sieg ((2020 Super-G in La Thuile) und zwei weitere Podestplätze erreicht hatte, nun noch spezieller. Großvater Guy stammte aus dem Elsass und brachte die französische Küche mit auf den Arlberg - noch immer stehen in der Gastwirtschaft Ortlieb Schnecken auf der Speisekarte.

Papa Patrick jubelte nach Silber-Fahrt

Vater Patrick Ortlieb steht für die nächste Parallele. Der nunmehrige ÖSV-Vizepräsident hat fast auf den Tag genau vor 31 Jahren (9. Februar 1992) bei den Olympischen Winterspielen von Albertville in Val d'Isére Abfahrtsgold gewonnen. Eine Bürde sei der väterliche Erfolg nicht wirklich gewesen, auch wenn sie sich in Kindertagen blöde Sprüche hatte anhören müssen, sagte Ortlieb. Der Papa gebe Tipps, versuche ihr Ruhe zu geben, mische sich ansonsten aber nicht in die Detailarbeit ein. "Das ist auch gut so, er ist kein Schneetrainer."

Zuvor war sie von ihrem Vater noch innig im Zielgelände umarmt worden. "Es ist eine Seltenheit und ein Privileg, dass der Papa da ist und sogar die Schwester hat es auch hergeschafft", meinte Nina Ortlieb. "Wir haben ein Hotel und im Winter geöffnet, da ist viel Arbeit." Die Medaillenübergabe am Abend fand deshalb auch ohne Ortlieb senior statt. "Wir haben doch Hochsaison, ich bin nicht immer abkömmlich. Aber es ist ihre Feier, ich muss da nicht im Vordergrund stehen", ließ Patrick Ortlieb via Audiobotschaft über den Verband mitteilen. In Courchevel war auch Ninas Schwester Lara Ortlieb zu Gast.

Fehler im Artikel gefunden? Jetzt melden.