Paukenschlag am Schlusstag der Nordischen Ski-WM in Trondheim! Norwegens Sportdirektor gab in einer Pressekonferenz den Springeranzug-Betrug der zu.
Damit erreicht der Anzug-Skandal unfassbare Dimensionen. Die überraschend starken Auftritte der norwegischen Skispringer sind offenbar durch Betrug zustande gekommen!
- Anzug-Skandal: Werden jetzt alle Ergebnisse annulliert?
- Das steckt hinter der Disqualifikation der Norweger
Das gab Sportdirektor Jan-Erik Aalbu in einer Pressekonferenz im norwegischen Teamhotel in Trondheim bekannt. Tags zuvor waren drei Norweger beim Großschanzen-Bewerb disqualifiziert worden, Normalschanzen-Weltmeister Marius Lindvik verlor seine Silbermedaille, die der Salzburger Jan Hörl erbte.
"Wir haben betrogen", gestand Aalbu im Rahmen der Skandal-Beichte. "Wir haben betrogen und damit alle Skisprungfans enttäuscht, auch uns selbst. Ich möchte mich bei den anderen Teams, den Springern, den Sponsoren und den Fans entschuldigen. Wir werden der Sache auf den Grund gehen."
Aaalbu geht es bei seiner Flucht nach vorne offenbar um Schadensbegrenzung. Der Norweger betonte allerdings, dass es sich nur um die Anzüge von Lindvik und Johann André Forfang beim Großschanzenbewerb am Samstag gehandelt habe. Er selbst will keine Kenntnis von den Praktiken gehabt und erst am Sonntagvormittag davon erfahren haben. Personelle Konsequenzen ließ der Sportchef offen.
FIS leitete Untersuchung ein
Zuvor hatte die FIS mitgeteilt, dass eine Untersuchung gegen die Norweger eingeleitet wurde. "Die unabhängige Ethik- und Compliance-Abteilung der FIS untersucht nun den Verdacht einer illegalen Manipulation der Ausrüstung durch das norwegische Team", hieß es in einer Mitteilung. Dabei sollen die Umstände der Disqualifikationen von Lindvik und Forfang sowie des Kombinierers Jörgen Graabak, der bei der Bronzemedaille im Teambewerb am Freitag wegen einer regelwidrigen Skisprung-Bindung aus der Wertung genommen worden war, näher geprüft werden. Außerdem will die Abteilung die Umstände untersuchen, wie das Material der Sportler bei den FIS-Kontrollen vorgelegt wurde.
ÖSV fordert Annullierung aller Ergebnisse
Der ÖSV pochte am Sonntag unverändert auf die Aberkennung aller norwegischen Resultate auf den Schanze. "Unser Protest ging in die Richtung, dass die gesamten WM-Ergebnisse der Norweger im Skispringen und in der Nordischen Kombination annulliert werden. Dazu stehen wir auch", betonte ÖSV-Sportdirektor Mario Stecher im APA-Gespräch. "Wenn das bei einem Anzug passiert, dann ist das sicher auch für das gesamte Team machbar. Dieser Verdacht erhärtet sich schon, das gehört aufgearbeitet."
Beweis-Videos: Heimliche Videos aus der Anzugschneiderei
Nachdem mehrere geheim aufgenommene Videos aus der Anzugschneiderei der Norweger aufgetaucht worden waren, in denen laut vielen Skisprung-Experten zu sehen ist, wie im Beisein von Chefcoach Magnus Brevig nachts Anzüge manipuliert wurden, reichte der ÖSV gemeinsam mit Slowenien und Polen einen Protest bei der FIS ein. Stecher: "Das war definitiv der richtige Weg." Nun müsse nachgehakt werden, auch ÖSV-Geschäftsführer Christian Scherer macht Druck auf die FIS. Stecher: "Das gehört sich nicht, dass sich die Norweger da Vorteile verschaffen."
FIS-Generalsekretär Michel Vion hatte vor dem Eingeständnis der Norweger im ORF erklärt, dass der Untersuchungsprozess erst beginne und auch Monate dauern könnte. Der Weltverband könne alle Anzüge für jeden einzelnen Sprung wegen eingenähter Chips auch nachträglich überprüfen. Sollten weitere Vergehen ans Tageslicht kommen, seien auch Disqualifikationen und damit Änderungen bei den Medaillengewinnern nicht ausgeschlossen. Vion: "Das ist dann eine andere Geschichte. Dann gibt es nach den Untersuchungen weitere Strafen. Das könnten auch Disqualifikationen sein."
DSV-Sportchef: "Systematischer Betrug"
"Die Vermutung liegt nahe, dass hier systemisch betrogen wurde", sagte Horst Hüttel, Sportdirektor des Deutschen Skiverbandes (DSV). Dessen Cheftrainer Stefan Horngacher erklärt: "Ich habe ein paar Dinge gesehen, wo eine Nation wilde Dinge macht, die völlig untendurch sind. Und der frühere Tourneesieger Sven Hannawald forderte, den österreichischen Material-Kontrolleur Christian Kathol künftig bei der Überwachung der Anzüge durch eine Maschine zu ersetzen.
Am Samstag hatten sich die Veranstalter der WM in Norwegen noch unbeeindruckt gezeigt. WM-Organisationschef Age Skinstad: "Es gibt dadurch absolut keinen Schatten über der WM. Wir haben hier ein zweiwöchiges Volksfest gefeiert." Die Causa betreffe den norwegischen Skiverband, die Jury und die FIS.