Singin' in the Rain

Der Inder steppt in den Kammerspielen

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Gaines Hall und Jennifer Kossina als vorgebliches Traumpaar.

Darf Wien Hollywood werden? Hin und wieder beschleicht einen durchaus das Gefühl, dass man sich in der Bundeshauptstadt schon einiges von der Traumfabrik abgeschaut hat. Die Kinopremieren werden immer glamouröser, im Konzerthaus ertönt auf einmal die Filmmusik von "Harry Potter", und die großen Theaterhäuser bringen regelmäßig erfolgreiche Filmstoffe auf die Bühne. Auch gestern, Donnerstag, Abend wähnt man sich in den Kammerspielen wie im berühmtesten Stadtteil von Los Angeles: Draußen werden die stolzesten Roben hergezeigt, drinnen feiert "Singin' in the Rain" die umjubelte Premiere.

Flair der 1920er Jahre
Auf der Bühne dreht sich dann auch alles um die Filmindustrie, die Ende der 1920er Jahre den Umbruch vom Stummfilm zum Tonfilm zu verkraften hat. Das vorgebliche Traumpaar Don Lockwood und Lina Lamont (stark: Gaines Hall und Jennifer Kossina) ist in dem Musical nur so lange das ideale Duo, so lange Lina den Mund nicht aufmacht - denn ihre Quietschestimme geht auf keine Kuhhaut. Als der erste gemeinsame Tonfilm aus diesem Grund ein Flop zu werden droht, soll Kathy Selden (Nina Weiß) dem penetranten Star ihre Stimme leihen - und sie beginnt damit auch die Society-Liebe zu entzweien.

Eng an Vorlage
Regisseur Werner Sobotka hält sich eng an die Vorlage aus den 50er Jahren und lässt das Publikum im ersten Drittel kaum Atem holen: Tanznummern wechseln sich mit Singnummern ab, Slapstick mit Wortwitzen, die Bühne (Amra Bergman-Buchbinder) zerfließt förmlich in so schnelle Szenenwechsel, dass man sich wie im Kino vorkommt. "Kein Einwand gegen die Leinwand" wird vom Studioboss (Thomas Weissengruber) als altes Hollywood-Gesetz zitiert, ein anderes Sprichwort lautet "the show must go on" - und entsprechend dem inszenatorischen Feuerwerk gibt es immer wieder lauten Szenenapplaus.

Tanzchoreografien top
Doch das Pulver wirkt nach etwas mehr als einer Stunde verschossen: Die Schmähs zünden nicht mehr immer oder nützen sich ab, die Liebesgeschichte zwischen Don und Kathy bleibt nur lau, manche Figuren werden als Karikaturen verheizt, und auch die Dialogszenen funktionieren lange nicht so gut wie die Tanzchoreographien. Letztere ziehen sich aber ohnehin durch das gesamte Musical, weswegen das eingeschworene Publikum dankbar an der Stange bleibt und zurecht etwa die Stepptanzszenen von Don und Cosmo Brown (Ramesh Nair) oder Dons berühmten Tanz auf der regennassen Bühne feiert.

Dass die sehr klassische Inszenierung von Hitgarant Sobotka trotz allem wohl ein Erfolg wird, davon darf man getrost ausgehen. Fans des Films werden aber möglicherweise dennoch besser beraten sein, auf die Wiener Variante von Hollywood zu verzichten und sich stattdessen mit Gene Kelly auf DVD ein bisschen Hollywood in die eigenen vier Wände zu holen. Kein Einwand gegen die Leinwand.

Info
"Singin' in the Rain" in den Wiener Kammerspielen, täglich außer Montag, jeweils um 20.00 Uhr, sonntags zusätzlich um 15.00 Uhr; Regie: Werner Sobotka, Hauptdarsteller: Gaines Hall, Nina Weiß, Ramesh Nair, Jennifer Kossina, Thomas Weissengruber, u.a., Musikalische Leitung/Arrangements: Christian Frank, Bühnenbild: Amra Bergman-Buchbinder, Kostüme: Elisabeth Gressel, Choreographie: Ramesh Nair; www.josefstadt.org)
 

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