Bald bei 1,50 Dollar

US-Geldpolitik treibt Euro-Kurs hoch

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Trotz Schuldenkrise legt die Gemeinschaftswährung weiter zu.

Wer soll das noch verstehen: In Europa drängt die Schuldenkrise ein Land nach dem anderen an den Rand der Staatspleite - doch der Euro legt immer weiter zu. Experten sind sich einig: Es ist nur eine Frage der Zeit, bis die Gemeinschaftswährung erstmals seit fast zweieinhalb Jahren die Marke von 1,50 US-Dollar überspringt. Allein seit Jahresbeginn hat der Euro fast zwanzig Cent oder 15 Prozent an Wert gewonnen. Am Freitag stand er bei über 1,48 Dollar. Es ist noch kein Jahr her, dass Schwarzmaler beim Kurs von 1,19 das Ende der Währung prophezeiten.

US-Geldpolitik stärkt Euro
Was auf den ersten Blick unerklärlich scheint, hat bei genauerem Hinsehen handfeste Gründe: Vor allem die hohen Schulden in den USA und die lasche US-Geldpolitik stärken den Euro.

Starker Euro - stimmt das überhaupt? So einfach ist das nicht. "In den letzten Wochen zeigte sich vorwiegend eine Dollar-Schwäche", erklärt die Helaba. Ihre Chefvolkswirtin Gertrud Traud sagte, die europäische Staatsschuldenkrise sei zwar noch nicht ausgestanden, inzwischen werde die Zukunft des Euro aber zumindest nicht mehr angezweifelt. Die Märkte hätten ihren Blick gen USA gerichtet.

Die Dollarschwäche wird daran deutlich, dass der Euro zwar zum Dollar stark zugelegt hat. Zu anderen wichtigen Währungen - etwa dem britischen Pfund - sind die Kursgewinne aber bei weitem nicht so ausgeprägt wie zur US-Währung.

Darüber hinaus neigt der Dollar nicht nur zum Euro zur Schwäche, sondern auch zum Schweizer Franken oder zum Australischen Dollar. Und hier sind die Kursverluste des Greenback sogar noch drastischer.

Fed bleibt bei niedrigen Zinsen
Als wichtigster Grund für die Dollar-Schwäche gilt unter Experten die Geldpolitik der amerikanischen Notenbank Fed. Denn im Gegensatz zu anderen Zentralbanken, die ihre Geldpolitik wie die EZB bereits straffen, geben die US-Währungshüter weiter Vollgas. So liegt der wichtige Leitzins in den USA seit Ende 2008 bei faktisch null Prozent. Zudem pumpen die US-Notenbanker um ihren Chef Ben Bernanke immer noch unglaublich hohe Summen in den Geldkreislauf, um Konjunktur und Arbeitsmarkt anzukurbeln.

Im internationalen Vergleich findet sich kaum eine Notenbank, die einen derart expansiven Kurs fährt. Ein Ende sei nicht in Sicht, bekräftigte Fed-Chef Bernanke - der wegen seines nicht ganz ernst gemeinten Vorschlags, im Notfall auch Geld aus einem Hubschrauber abzuwerfen, den Spitznamen "Helikopter-Ben" trägt.

EZB startete Zinswende
Anders sieht die Lage in Europa aus, wo sich die Europäische Zentralbank (EZB) im April von ihrem Kurs extrem niedriger Zinsen verabschiedet hat. Weitere Zinserhöhungen in diesem Jahr gelten als sicher, was den Dollar zusätzlich schwächt. Damit macht die EZB Euroland-Anlagen nicht nur attraktiver, wie Experten der Dekabank schreiben. Sie sende auch das Signal, dass die Konjunktur wieder anziehe und sich die Lage an den Märkten normalisiert habe.

Zudem gerät die laxe amerikanische Finanzpolitik zusehends unter Beschuss. So sehr, dass die weltweit führende Ratingagentur Standard & Poor's (S&P) den USA den Entzug ihrer Top-Bonität angedroht hat. Und die Agentur scheint nicht ganz falsch zu liegen mit ihren Befürchtungen: Derzeit liegt die Neuverschuldung in den USA bei über zehn Prozent der Wirtschaftsleistung. Sie ist damit die höchste aller großen Industrienationen. Der Schuldenstand nähert sich rasant der 100-Prozent-Marke. Zum Vergleich: Im Euroraum haben nur Griechenland und Italien höhere Schuldenberge angehäuft. Das schwächt den Dollar.

Der Chef der US-Fondsmanagement-Firma Pimco, Bill Gross, wettet bereits gegen den Dollar und wettert gegen die Finanzpolitik: Washington sei unfähig anzuerkennen, dass das Defizit schon längst außer Kontrolle ist, schreibt Gross: "Wie man es dreht und wendet, erscheint unsere Situation prekär." Wären die USA eine Firma, niemand würde ihr Geld leihen, ist Gross überzeugt.

Zwei Jahre Zeit für Konsolidierung
S&P gibt den USA zwei Jahre Zeit, die Staatsfinanzen in Ordnung zu bringen. Ansonsten droht die Herabstufung der Kreditwürdigkeit. Das könnte dramatische Konsequenzen nach sich ziehen, ist die größte Volkswirtschaft der Welt doch auf einen immens hohen Zustrom an ausländischem Kapital angewiesen. Schließlich konsumieren die USA viel mehr, als sie selbst produzieren: Die Amerikaner leben auf Pump.

Weil die USA wirtschaftlich angeschlagen sind, wird immer häufiger die Rolle des Dollar als weltweite Reservewährung infrage gestellt. China hat mehrfach gefordert, die Vormachtstellung der US-Währung in der Finanzwelt aufzuweichen. Dass der Dollar schnell seine Marktmacht verlieren wird, hält jedoch kaum ein Experte für wahrscheinlich.

Einerseits mangelt es schlicht an Alternativen. Wichtiger noch: Die umlaufende Dollar-Geldmenge ist so groß, dass ein schneller Wechsel mit erheblichen Schwierigkeiten und vermutlich schweren Verwerfungen an den Märkten verbunden wäre. So wie es aussieht, wird die Welt also noch lange mit dem Dollar leben müssen - gleich, ob er schwach oder stark ist. Oder wie es Ex-US-Finanzminister John Conally formulierte: "Der Dollar ist unsere Währung, aber euer Problem."

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