"Virgin Mary" bleibt Ausnahme im Reich von Guinness und Whiskey.
Ein alkoholfreies Gasthaus in Irland? Seit Mai gibt es in Dublin das "Virgin Mary", das statt Guinness und Whiskey alkoholfreie Biere und Null-Prozent-Wein offeriert. Es machte sich schnell einen Namen in dieser Stadt, in der traditionelle Pubs mit Starkbier und Hochprozentigem die Szene bestimmen. Ein Zeichen für den Wandel ist es noch nicht: Bisher bleibt "Virgin Mary" mit seinem nullprozentigen Angebot die Ausnahme.
"Das Trinken ist in der Gesellschaft hier verwurzelt", sagt Mitgründer Vaughan Yates. "Aber wenn man sich die Iren ansieht, sind sie eine sehr fortschrittliche und liberale Nation, sehr offen für Veränderungen", gibt sich der 51-Jährige optimistisch. "Weltweit findet ein echter kultureller Wandel beim Alkohol statt, und wir sind an vorderster Front dabei." Sein Geschäftspartner Oisin Davis betont, dass in vielen Pubs der Stadt zunehmend alkoholfreie Alternativen angeboten würden.
Alternative Pubkultur
Auch in Irland rollt derzeit die Wellness-Welle - angetrieben von Online-Plattformen wie Instagram. Viele Drinks im "Virgin Mary" werden denn auch Instagram-kompatibel exotisch dekoriert und in feinen Gläsern serviert - perfekt für Fotos, die dann auf der Plattform gepostet werden können, verbunden mit dem stolzen Hinweis, dass am nächsten Tag kein Kater droht.
"Es gibt auch bei uns diese Wellness-Bewegung, und unsere Drinks spiegeln dies wahrscheinlich wider", sagt Yates. In Dublin wurde gerade ein Wellnessfestival veranstaltet mit Yogalehrern, Achtsamkeitsexperten und Ernährungswissenschaftlern. Viele Menschen stellen ihre Ernährung um, Kuhmilch-Alternativen wie Hafer- oder Kokosdrinks gehören in den Cafes der irischen Hauptstadt zum guten Ton.
Alkoholproblem in Irland
Laut der Organisation Alcohol Action Ireland steigt der Alkoholkonsum im Land trotzdem weiter - sowohl beim pro-Kopf-Konsum wie auch bei der Zahl der Konsumenten, sagt Geschäftsführerin Sheila Gilheany: Tranken 2010 noch etwa 82 Prozent der Bevölkerung Alkohol, so seien es heute schon 84 Prozent. Die Bilder und Kommentare in den sozialen Medien vermittelten ein falsches Bild, warnt sie.
In einer Studie der Weltgesundheitsorganisation zum Komasaufen kam Irland 2014 auf Platz zwei von 194 Ländern, hinter Österreich. Die irische Regierung versucht seitdem, gegenzusteuern: Im Oktober verabschiedete das Parlament ein Gesetz, das Krebswarnungen auf Alkoholetiketten vorschreibt. Gesundheitsminister Simon Harris betonte, die "zerstörerische Kultur" ums Trinken müsse sich ändern.
Die Drinks im "Virgin Mary" wurden in Anlehnung an die Angebote der 750 traditionellen Pubs der Stadt entwickelt. Statt Guinness fließt ein dunkler, cremiger "Nitro Coffee" aus dem Bierhahn. Die Kühlschränke sind mit alkoholfreiem Bier gefüllt. Zutaten für alkoholfreie Cocktails, etwa eine kalte Kaffeemischung und alkoholfreier "Sauerkirschlikör", stapeln sich wie Zaubertränke.
Und natürlich werden auch Virgin Marys aus Tomatensaft, Muskat, Gurke, Limette und Gewürzen serviert. Um Überschneidungen mit Saftbars und Cafes zu vermeiden, orientieren sich die Öffnungszeiten an denen anderer Pubs.
"Am Anfang wussten wir nicht, wie die Stimmung sein würde", erzählt die 39-jährige Bar-Chefin Anna Walsh. "Aber am ersten Abend, als das Pub voll war, hätte man auf den ersten Blick nicht erkannt, dass es keinen Alkohol gibt."
Paula Gearty gehörte damals zu den ersten Kunden. "Es ist ganz schön, mal was anderes zu haben", sagt die 49-Jährige bei alkoholfreiem Weißwein mit Arbeitskollegen an der Bar. Sie hofft, dass sich ein Pub ohne Alkohol in Dublins hart umkämpfter Gastronomieszene behaupten kann.