Aufregung herrscht um die Salzburger Arzneimittel-Sparvereinbarung zwischen Ärztekammer, Gebietskrankenkasse (SGKK) und Paracelsus Medizinische Privatuniversität Salzburg (PMU). Der Verband der Pharmazeutischen Industrie (Pharmig) prüft rechtliche Schritte. Andere Landesärztekammern sind gegen solche Verträge. Die Salzburger Apotheker kamen in Managementprobleme. Eine Vereinbarung mit der SGKK soll ihnen in der Arzneimittelversorgung helfen. Die SGKK-Obmann Siegfried Schluckner betonte gegenüber der APA, dass die Regelungen die Patienten keinesfalls schlechter stellen sollten.
Die Vorgeschichte: Seit Anfang Oktober versuchen SGKK und Salzburger Ärztekammer auf der Basis einer eingeschränkten Liste auf Kassenkosten verschreibbarer Arzneimittel die Ausgaben weiter zu dämpfen. Pharmig-Generalsekretär Jan Oliver Huber: "Wir haben 4.813 Präparate, die verschrieben werden können. Rot angestrichen (also tunlichst aus Kostengründen nicht mehr zu verschreiben, Anm.) sind 1.394 oder 29 Prozent. Wir lassen das rechtlich prüfen." Hier werde das Arzneimittelverzeichnis des Hauptverbandes der Sozialversicherungsträger ausgehebelt.
SGKK-Obmann Schluckner: "Es gibt täglich neue und sehr gute Medikamente auf dem Markt. Die wollen wir den Patienten nicht vorenthalten. Aber bei den anderen sollten nicht die teuersten, sondern die billigsten vewendet werden." Man erhoffe sich eine Kostendämpfung von vier bis fünf Millionen Euro pro Jahr.
Die Vereinbarung wurde von Kassen- und Ärztevertretern gemeinsam bei Bezirksärzteversammlungen in Salzburg offenbar vehement vertreten. Bei Übertretungen sollte die Ärztekammer mit ihren betroffenen Mitgliedern "Gespräche" über günstigere Verschreibungen führen. "Entweder wird bei Ärztehonoraren gespart oder bei den Medikamenten", heißt es in einer in Gesundheitskreisen kolportierten Mitschrift aus einer solchen Sitzung.
Das Ergebnis laut einem Apotheker: "Die Salzburger Ärzte verschrieben nur noch nach der Liste." Es gab einen Aufschrei bei Apothekern und Großhandel. Der Apotheker: "Auf der Liste waren auch völlig unbekannte Präparate." Apotheker und Großhandel "saßen" buchstäblich auf "Ladenhütern", oft die bisher gebräuchlichsten Arzneimittel. Der pharmazeutische Großhandel - so der Pharmazeut - nahm Präparate zwar zurück, um sie dann in anderen Bundesländern auszuliefern.
Nun sollte dieser Zustand repariert werden. Der Salzburger Apothekerkammerpräsident Friedemann Bachleitner-Hofmann erreichte für seine Kollegenschaft eine Zusatzvereinbarung mit der SGKK, diese erklärte sich "auf Widerruf einverstanden, dass in Ausnahmefällen bei nicht unmittelbarer Verfügbarkeit binnen angemessener Frist im Sinne einer medizinisch notwendigen Versorgung nach Möglichkeit mit Rücksprache mit dem behandelnden Arzt ein anderes Medikament der gleichen ATC-Gruppe auf Kosten der SGKK abgegeben wird, soferne es pro Packung max. 35 Cent KVP (Kassenpreis, Anm.) teurer ist." "Es gibt da einen Vertrag zwischen Gebietskrankenkasse und Apothekerkammer", sagte der Salzburger Ärzte-Standesvertreter Josef Lohninger (niedergelassene Ärzte) am Montag gegenüber APA. Die Pharmig wolle klagen, man könne momentan nicht sagen, wie sich die Sache weiter entwickle.
Lohninger fürchtete offenbar auch die Wiederkehr des Prinzips von "Aut idem" - der Arzt verschreibt etwas, der Apotheker gibt auch ein anderes (billigeres) Medikament auf Kassenkosten ab. Schluckner: "Es ist kein Aut idem. Wir haben (mit der Salzburger Apothekerkammer, Anm.) besprochen, dass der Apotheker nur nach Absprache mit dem Arzt eventuell ein anderes vergleichbares Medikament abgeben können soll."
Wiener Ärztekammer massiv dagegen
Was die Salzburger Ärztekammer mit der SGKK in Sachen Arzneimittel vereinbart hat, stößt bei anderen Landes-Ärztekammer auf Unverständnis bzw. heftige Kritik. "Wir möchten von Seiten der Kurie Niedergelassene Ärzte der Ärztekammer für Wien ganz klar und deutlich festhalten, dass wir die Medikamentenvereinbarung der Salzburger Ärztekammer mit der Salzburger GKK auf das Schärfste verurteilen. (...) Wir Ärzte treten für die beste und nicht für die billigste Medizin ein!!! (...) Wir hoffen, dass es noch die Möglichkeit gibt, diese Vereinbarung wieder rückgängig zu machen (...)", hieß es vergangene Woche in einem Brief der Kurie der Wiener Standesvertreter an die Bundeskurie und an alle Landesärztekammern (Kurien niedergelassene Ärzte).
Der Wiener Kurienobmann Johannes Steinhart: "Wir schätzen die Sache in Salzburg nicht sehr. Für uns ist das nicht nachvollziehbar und für Wien unvorstellbar. Es muss eine Wahlmöglichkeit gegeben sein. Wir Ärzte sind die Anwälte der Patienten und dem Einzelpatienten verpflichtet." In der Wiener Ärztekammer fürchtet man auch ein Bild in der Öffentlichkeit, in dem der Arzt dem Kassenpatienten aus schierer Angst um das eigene Honorar nicht mehr die optimale Therapie zukommen lasse.
Auch in Oberösterreich - dort gibt es seit Jahren eine funktionierende Vereinbarung über die Arzneimittelverschreibungen zwischen Ärzten und Gebietskrankenkasse - sollen zwar die Kostendämpfungsbemühungen auf dem Arzneimittelsektor intensiviert werden, in dem man auch auf günstigere wirkstoffähnliche Präparate ausweichen kann - doch an das Muster von Salzburg denkt man nicht. Der Obmann der niedergelassenen Ärzte, Oskar Schweninger: "Das Salzburger Modell wünschen wir uns nicht." Andere Bundesländer sind wiederum anders: Im Burgenland ist man übereingekommen, die Einsparungen bei Arzneimitteln über fünf Prozent durch Verschreibung kostengünstigerer Medikamente auf Gebietskrankenkasse und Ärzte aufzuteilen.
Unbestritten ist, dass im Rahmen des "Kassensanierungspakets", das zwischen Ärztevertretern und Hauptverband der Sozialversicherungsträger ausgehandelt wurde, zu neuen Vereinbarungen auf Landesebene bezüglich der Arzneimittel kommen kann. Günther Wawrowsky, Obmann der Bundeskurie der Niedergelassenen Ärzte: "Ärztekammer und Gebietskrankenkassen können regional Vereinbarungen treffen. Wir werden bei einem Seminar die (bundesländerweise unterschiedlichen Vorgangsweisen, Anm.) besprechen."
Die neue Detailregelung zwischen SGKK und den Salzburger Apothekern verteidigte Kammerpräsident Friedemann Bachleitner-Hofmann aus praktischen Gründen: "Besorgen kann ich alles. Aber vor mir steht die Mutter mit dem weinenden Kind mit einer Antibiotika-Verschreibung. Wir Apotheker haben auch einen Versorgungsauftrag." Selbstverständlich werde man im Einzelfall jeweils Rücksprache mit den Ärzten halten. Die seien ja rund um die Uhr erreichbar, meinte der Apotheker.