In diesem dänischen Dorf bestimmt Demenz den Alltag
Zur Hafenstadt Svendborg in Dänemark gehört ein ganz besonderer Stadtteil: Ein „Dorf“, in dem praktisch jeder Bewohner an einer Form von Demenz erkrankt ist. Das ist kein Zufall.
Künstliches Demenzdorf
Die Bewohner des besagten Örtchens, 125 an der Zahl, sind genau genommen Patienten. Sie sind Teil eines Projekts, das Demenzkranken ein möglichst normales, aber im geschützten Rahmen verbrachtes Leben ermöglichen soll. In diesem Dorf, das die Gemeinde Svendborg eigens für Demenzkranke eingerichtet hat, gehen die Menschen einem relativ normalen Tagesablauf nach: Friseur, Greißler, Café, Fitnessstudio und ein Park samt Teich vermitteln ein heiles und eigenständiges Lebensgefühl. Einzig der Zaun, der das Areal umschließt, markiert den nicht ganz natürlichen Kontext der Bewohner.
Was nach Science-Fiction klingt, ist ein längst in der Realität angekommenes Konzept: Auch in den Niederlanden und in Deutschland gibt es sogenannte „Demenzdörfer“ mittlerweile. Sie entstanden aus der Betreuungsnot für Menschen mit zwar fortgeschrittener Demenz aber guter körperlicher Fitness. Für diese Demenzkranken, die nicht permanent beaufsichtigt werden müssen, gebe es kaum passende Einrichtungen. Diese sollten nämlich den nötigen Schutz bieten aber zur gleichen Zeit nicht zu stark einschränken. Im Demenzdorf ist genau dieser Spagat möglich: Schutz und Unterstützung bei relativ normalem Alltag. Wird zusätzliche Hilfe oder Betreuung benötigt, kann diese jederzeit in Anspruch genommen werden. Für den Notfall ist jeder Patient mit GPS-Sender ausgestattet.
Kritik an „Truman Show“-Konzept
Viele Experten sind sich sicher, dass Demenzdörfer adäquatere und humanere Betreuungsformen für entsprechende Patienten sind als durchschnittliche Pflegeheime. In Kritik gerät allerdings immer wieder die Tatsache, dass die so geschaffene Umgebung in vielen Fällen kaum Berührungspunkte mit der realen Außenwelt hat. Kritische Stimmen nennen den Spielfilm „Die Truman Show“ in der Diskussion als Vergleichswert. (Jim Carrey spielt darin einen jungen Mann, der ohne sein Wissen in einer TV-Scheinwelt lebt und dessen komplettes Leben sich auf den Bildschirmen der realen Welt abspielt.) Man mache den Menschen etwas vor und lasse sie vor Kulissen leben, hieß es bereits. Auch der deutsche Demenzforscher Wolf Dieter Oswald sieht Demenzdörfer als problematisch, denn Inklusion und Teilhaben an der realen Welt seien enorm wichtig für demenzerkrankte Menschen.
Diese Kurz-Dokumentation gibt einen kleinen Einblick in das deutsche Demenzdorf Tönebön: