Jeder achte Mann erkrankt im Laufe seines Lebens an Prostatakrebs. Urologe Prim. Anton Ponholzer erklärt die Hintergründe, Behandlungsmöglichkeiten und wie die Früherkennung abläuft.
Die Nachricht sorgte weltweit für Schlagzeilen: Bei Ex-US-Präsident Joe Biden wurde ein Prostatakarzinom diagnostiziert, laut Medien ein „aggressiver, hormonempfindlicher Tumor“. Der Tumor habe einen Gleason-Score von 9 und bereits in die Knochen gestrahlt. Der Gleason-Score ist ein Bewertungssystem zur Beurteilung der Aggressivität von Prostatakrebs. Ein Wert von 8 bis 10 weist auf einen sehr aggressiven Prostatakrebs hin.

Beim früheren US-Präsidenten Joe Biden (82) wurde, wie sein Büro kürzlich bekannt gab, ein Prostata-Karzinom in fortgeschrittenem Stadium diagnostiziert.
Was bedeutet das medizinisch – und was können andere Männer daraus lernen? Wir haben mit dem Vorstand der Abteilung für Urologie des KH Barmherzige Brüder Prim. Anton Ponholzer gesprochen.
Bei Joe Biden wurde laut Medienberichten ein aggressives, hormonempfindliches Karzinom diagnostiziert. Was bedeutet das?
PRIM. ANTON PONHOLZER: Diese Formulierung ist etwas unklar. Was man den Medien entnehmen kann, ist, dass der Tumor metastasiert hat – also fortgeschritten ist. Insofern kann man ihn als aggressiv bezeichnen. Der Begriff „hormonempfindlich“ ist dabei irreführend, denn etwa 99,5 Prozent aller Prostatakarzinome sind anfangs hormonabhängig. Das ist also nichts Besonderes.
Welche Behandlungsmöglichkeiten stehen Biden nun zur Verfügung?
PRIM. PONHOLZER: In fortgeschrittenen Stadien, wenn bereits Metastasen wie bei Joe Biden vorliegen, können eine Reihe von Medikamenten zum Einsatz kommen, die man in Kombination und in einer bestimmten Abfolge einsetzen kann. Die medikamentöse Behandlung zielt darauf ab, das Wachstum von Krebszellen zu bremsen oder zu stoppen. Dann kann man die Erkrankung schonend behandeln und gut kontrollieren, aber nicht mehr heilen. Die meisten Prostatakarzinome werden heute jedoch frühzeitig entdeckt und können geheilt werden – entweder durch eine Operation oder durch eine Strahlentherapie. Beides sind etablierte und effektive Methoden. Bei sehr langsam wachsenden Tumoren besteht auch die Möglichkeit einer aktiven Überwachung, ohne sofortige Behandlung.
Können Sie sich erklären, warum das Karzinom bei Biden so spät diagnostiziert wurde?
PRIM. PONHOLZER: Entweder hat er in den vergangenen Jahren nicht an einem Früherkennungsprogramm, bei dem der PSA-Wert erhoben wird, teilgenommen oder er hat einen der ganz seltenen Tumore, bei denen der PSA-Wert nicht erhöht ist.
Was ist der PSA-Wert und ab welchem Alter sollten Männer ihn bestimmen lassen?
PRIM. PONHOLZER: Grundlage der Vorsorge ist der sogenannte PSA-Wert, ein Blutwert, der als zentraler Baustein der Früherkennung gilt. Wir empfehlen Männern ab dem 45. Lebensjahr, sich mit der Prostatavorsorge zu beschäftigen. Falls eine familiäre Vorbelastung vorliegt – also etwa Vater oder Bruder betroffen sind – kann es sinnvoll sein, früher zu beginnen.
Den PSA-Wert kann man durch eine einfache Blutabnahme feststellen?
PRIM. PONHOLZER: Genau – ähnlich wie z. B. beim Cholesterinwert. Eine Blutabnahme reicht aus. Früher wurde standardmäßig eine Tastuntersuchung durchgeführt, das wird heute jedoch nicht mehr generell empfohlen. Sollte der PSA-Wert auffällig sein, folgt in der Regel eine MRT zur weiteren Abklärung.
Das heißt, die gefürchtete Tastuntersuchung gehört der Vergangenheit an?
PRIM. PONHOLZER: Es genügt, zunächst den PSA-Wert im Labor bestimmen zu lassen. Ist dieser unauffällig, besteht kein Handlungsbedarf. Bei Auffälligkeiten, Beschwerden oder weiteren Fragen sollte man sich an eine Fachärztin oder einen Facharzt für Urologie wenden.
Gibt es frühe Anzeichen, auf die Männer selbst achten können?
PRIM. PONHOLZER: Leider nicht. Das Prostatakarzinom verursacht im Frühstadium keine Beschwerden. Es kann ausschließlich über den PSA-Wert entdeckt werden. Wenn Symptome auftreten, ist die Erkrankung in der Regel bereits fortgeschritten – etwas, das wir vermeiden wollen.
Welche Risikofaktoren sind bekannt?
PRIM. PONHOLZER: Nachgewiesene Risikofaktoren wie Rauchen oder Übergewicht gibt es beim Prostatakarzinom nicht. Der wichtigste Risikofaktor ist das Alter. Der zweite bedeutende Risikofaktor ist die familiäre Vorbelastung: Wenn Vater, Bruder oder Onkel betroffen sind, ist das eigene Risiko erhöht.
Anmerkung der Redaktion: Biden und seine Familie beraten mit seinem Ärzteteam über das weitere Vorgehen, so hieß es. Bei den modernen Behandlungsmöglichkeiten heute beträgt die Lebenserwartung auch bei aggressivem Tumor mehrere Jahre.