Theater an der Wien

Radamisto: Ein großes Nichts mit Fischen

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Durchwachsene Ensembleleistung und Buhs für Regisseur Boussard.

Relativ schnell sind dann sogar die Fische verschwunden und die Sänger finden sich in einem grauen Nichts allein auf der Bühne: Am 20. Jänner hat im Theater an der Wien ein minimalistischer "Radamisto" von Georg Friedrich Händel seine Premiere gefeiert. Der französische Regisseur Vincent Boussard legte eine hybride Mischung aus symbolistischer Interpretation und völliger Leere vor, der sich eine durchwachsene Ensembleleistung hinzugesellte. Einzig Dirigent Rene Jacobs wusste mit seinem Freiburger Barockorchester wirklich zu überzeugen. Am Ende hagelte es laute Buhs für Boussard.

Ensemble konnte nicht wirklich überzeugen
Dabei hatte der Abend so inspiriert begonnen, setzt Boussard doch nicht die Ouvertüre vor das Spiel, sondern das Spiel vor die Ouvertüre: Die Hofgesellschaft, in der die Soldaten durch Zofen in den hervorragend ahistorischen Kostümen von Christian Lacroix ersetzt sind, erschrickt mit dem Einsetzen der Musik - zu Unrecht, wie man konstatieren muss. Schließlich führte Jacobs das Freiburger Barockorchester doch mit neckischen Verkürzungen, Tempovariationen und Betonungswechseln voller Energie durch das Werk um den Tyrannen Tiridate, der die Frau seines Schwagers begehrt und dafür sogar einen Krieg anzettelt. Jacobs nimmt bekannte Arien wie "Ombra Cara" mit Verve und lässt den Sängern dabei dennoch Raum - den diese allerdings nur fallweise nutzten.

Viel Raum auch noch für Bühnebild
Viel Raum, sogar sehr viel Raum gab es auch im Bühnenbild. Anfangs trennt Regisseur Boussard die Sänger noch durch eine weiße Tafel als Laufsteg der Eitelkeiten vom Auditorium. An die kahlen Wände werden Videoaufnahmen von Goldfischchen projiziert, das Geschehen somit gleichsam in der begrenzten Welt eines Aquariums verortet. Der wenigen optischen Ideen entledigt man sich allerdings mit einem szenografischen Coitus interruptus bereits in der Mitte des ersten Aktes. Dann reduziert Boussard das Geschehen auf eine nackte Wand mit drei Durchgängen, vor der die Sänger wie zur Entstehungszeit der 1720 uraufgeführten Oper an der Rampe ihre Arien zum Besten geben und auf Personenführung gepfiffen wird. Irgendwann freut sich das Auge schon über einen weißen Schirm.

Herausragende Sänger fehlten
Das Konzept mit einem nackten, schwach ausgeleuchteten Raum könnte indes nur aufgehen, wenn man herausragende Sänger zur Verfügung hätte, die dieser Inszenierung jedoch mehrheitlich fehlen. Leider gleichen sich die meisten Interpreten dem nichtssagenden Bühnenbild an. Erstaunlicherweise galt dies auch für den Starcountertenor David Daniels in der Titelrolle, der mit dem Atem haderte und bei den Koloraturen streckenweise dem Orchester hinterherhinkte. Auch Jeremy Ovenden hatte als Tigrane Mühe, mit seinem Tenor das Orchester zu übertönen, während Sophie Karthäuser als betrogene Gattin Polissena eine immerhin solide Leistung zeigte.

Zwei Stimmen übezeugten trotzdem
Für die sängerischen Glanzleistungen waren zwei Kollegen zuständig: Die irische Altistin Patricia Bardon überzeugte als Zenobia mit ausladendem Organ und ebensolchem Spiel, während ihr Gegenspieler Tiridate vom österreichischen Bassbariton Florian Boesch als psychopathischer Tyrann mit ironischen Untertönen entsprechend mächtig interpretiert wurde. Dennoch: Dieser Radamisto war bestenfalls ein Sturm im Goldfischglas.

(Von Martin Fichter-Wöß/APA)

Info
 "Radamisto" von Georg Friedrich Händel wird im Theater an der Wiennoch am 22., 24., 27., 29. und 31. Jänner aufgeführt.  Alle Informationen sowie Tickets erhalten Sie unter www.theater-wien.at.

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