Oper

Lady Macbeth an der Staatsoper

Teilen

Die Nachkritik von Karl Löbl und ein Interview mit Regisseur Matthias Hartmann.

Der Titel ist irreführend. Die Lady Macbeth von Mzensk verleitet nicht ihren Mann, zu morden, wie bei Shakespeare und Verdi. Sie mordet selbst.

Aber diese Katerina ist auch Opfer. Das Milieu des russischen Dorfes, in dem sie lebt, die Ehe, die sie einengt, scheinen wie ein Gefängnis. Darin entwickelt sich eine Tragödie ungehemmter Sexualität.

In der Oper von Schostakowitsch ist Katerina von Zynismus und Brutalität umgeben. Deshalb erregt sie eher unser Mitgefühl als Abscheu vor ihren Taten.

Mehr als eine Opern-Produktion
Angela Denoke rechtfertigt dieses Mitgefühl. Sie ist das Ereignis eines großen, starken Theaterabends mit Musik. Matthias Hartmanns Inszenierung ist mehr als eine Opernproduktion: Das Stück und seine Schicksale sind glaubhaft.

Abgründe
Die Denoke kann mit ihrer Körpersprache und mit ihrem totalen Stimmeinsatz, mit knappen Gesten und großer Leidenschaft die Gefühle und Abgründe dieser Katerina begreiflich machen. (Mehr über Partner und Dirigent in der großen Kritik morgen.)

(Karl Löbl)

ÖSTERREICH: Katerina wird stets als Opfer der Umstände gesehen – und bei Ihnen?

Matthias Hartmann: Ich zeige diese Frau nicht als Opfer, sondern als Täterin.

Denn so arm ist sie ja gar nicht: Ihr Mann ist ein Schlappschwanz, ihr Schwiegervater belästigt sie, vor ihrem Liebhaber wurde sie gewarnt – ist das jetzt eine Katastrophe? Sollte man deshalb ihren doppelten Mord entschuldigen? Ich würde höchstens auf „mildernde Umstände“ plädieren.

ÖSTERREICH: Wie ist Ihre Zusammenarbeit mit dem Dirigenten Ingo Metzmacher?

Hartmann: Wir hatten wenig Zeit für Proben, trotzdem habe ich noch nie so intensiv mit einem Dirigenten zusammengearbeitet wie mit ihm. Wenn er da ist, ist er präsent, bereichernd und sensibel. Dafür bin ich ihm extrem dankbar.

ÖSTERREICH: Sind Sie glücklich mit Ihrem Wien-Start?

Hartmann: Wir sind alle Zirkustierchen. Wenn die Menge applaudiert, freuen wir uns. Und was hier passiert, ist ja ein Traum! Wir waren aufs Schlimmste vorbereitet, aber mit Ausnahme von zwei, drei deutschen Großkritikern, die gemault haben, lief alles wie am Schnürchen.

ÖSTERREICH: Warum maulen die Großkritiker?

Hartmann: Zum einen, weil das deutsche „Groß-Feuilleton“ machtpolitische Interessen verfolgt. Es geht ihnen um Bedeutung und Unsterblichkeit. Und wenn eine Theaterproduktion oder gar eine ganze Theatersaison einmal unabhängig von ihrem Dazutun funktioniert, sind sie beleidigt. Denn das beweist ihre Ohnmacht und Einflusslosigkeit. Und zum anderen findet das deutsche „Groß-Feuilleton“ es immer suspekt, wenn man als Theaterdirektor die Komponenten scheinbar „spekulativ“ mischt. Also: Moretti, Voss und Faust – da krampfen sie sich ein.

ÖSTERREICH: Besonders Gerhard Stadelmaier von der „FAZ“ ...

Hartmann: Wenn man von Stadelmaier gelobt wird, hat man etwas falsch gemacht ... Im Übrigen verstehe ich nicht, weshalb man sich hier so für deutsche Kritiken interessiert! Da will ich den Österreichern zurufen: mehr Selbstbewusstsein, bitte! Denn Wien ist verglichen mit Berlin ja eine „Kulturnation“! Hier ist alles heterogen, vielfältig, vermischt, spielerisch und veränderlich. Während die Deutschen in fader Einhelligkeit die Faschismuskeule schwingen. Und wenn Deutschland sich als die wahre „Kulturnation“ aufspielt, darf ich die Frage stellen: Gibt’s in der 80-Millionen-Nation zehnmal mehr Kultur als in Österreich?

Fehler im Artikel gefunden? Jetzt melden.