Interview

Piero Lissoni: "Design ist Dialog"

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Der italienische Gestalter spricht über seine neue Kollektion für Kartell.

Piero Lissoni zählt zu den einflussreichsten Gestaltern unserer Zeit. Für Kartell hat der italienische Architekt und Designer nun eine seiner ikonischen Kollektionen neu interpretiert – mit einem ungewöhnlichen Twist: historischen Liberty-Stoffen. Wir haben mit ihm über das Spannungsfeld zwischen Purismus und Opulenz, Markenidentitäten und die Schönheit der Form gesprochen.

Herr Lissoni, Ihre überarbeitete Kollektion für Kartell kombiniert klare Volumen mit auffälligen Mustern. Was war der Ausgangspunkt?
Piero Lissoni:
Sie Trix – ein pures, fast abstraktes Objekt. Es ist mehr Volumen als Design, eine leere Bühne. Und genau deshalb lässt es sich in jede Richtung interpretieren. Die Idee war: Wenn die Form so ruhig ist, warum nicht mit etwas Extrovertiertem wie Liberty-Stoffen spielen?

Kartell x Liberty
© Simona Pesarini

Sie sind bekannt für Ihre minimalistische Ästhetik. War es schwierig, sich auf so expressive Muster einzulassen?
Lissoni:
Natürlich – aber genau das macht es spannend. Ich verstehe mittlerweile beide Seiten des Designs: die Zurückhaltung und das Spiel. Warum also nicht?

Ihre Designs bewegen sich oft zwischen Reduktion und Experiment. Wann wissen Sie, dass ein Entwurf „fertig“ ist?
Lissoni:
Fertig? Niemals. Ich höre einfach auf. Ein Entwurf ist wie ein Gespräch – irgendwann sagt man: Genug geredet. Aber Perfektion gibt es nicht. Man stoppt nur, weil der Moment es verlangt.

Kartell x Liberty
© Sara Magni

Sie arbeiten für viele Marken. Wie gelingt Ihnen der Wechsel zwischen unterschiedlichen Identitäten?
Lissoni:
Jede Marke hat eine eigene Seele. Kartell zum Beispiel erlaubt mehr Risiko. Bei anderen bin ich strenger, strukturierter. Es geht darum, sich auf die Geschichte und Kultur eines Unternehmens einzulassen – nicht, sich selbst zu wiederholen.

Sie sagen, jede Marke hat ihre eigene Seele. Wie erkennen Sie, ob Designer und Marke zueinander passen?
Lissoni:
Das ist wie in jeder Beziehung – es braucht Chemie. Wenn der Dialog funktioniert, entsteht etwas Gutes. Wenn nicht, sage ich auch mal nein. Ich habe vielen Marken abgesagt. Denn Design ist Zusammenarbeit. Niemand gestaltet allein.

Kartell x Liberty
© Kartell

Und wie wichtig ist Material in Ihrem Prozess?
Lissoni:
Ich beginne nie mit einem bestimmten Material. Erst kommt die Idee, dann das richtige Material – je nach Funktion, Technik und Kontext. Manchmal Holz, manchmal Kunststoff, manchmal Metall. Es gibt keine Lieblingsmaterialien, nur intelligente Entscheidungen.

Was würden Sie jungen Designer:innen raten?
Lissoni:
Zuerst: Seid neugierig wie Kinder. Zweitens: Seid neugierig – ohne Neugier und Kultur kann man nichts gestalten. Und drittens: Habt Respekt. Vor der Geschichte, der Vergangenheit, der Tradition. Wenn ihr all das kennt, könnt ihr in die Zukunft springen und wirklich etwas verändern. Und ihr müsst arbeiten. Viel arbeiten. Und das Wichtigste: Bleibt unsicher. Sicherheit tötet den Gestaltungswillen.

Kartell x Liberty
© Sara Magni

Zum Schluss: Form oder Funktion – was kommt zuerst?Lissoni: Das eine existiert nicht ohne das andere. Aber wenn ich wählen müsste: die Form. Schönheit zieht mich an – und dann versuche ich, sie funktional zu machen. Niemals andersherum.

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