Ist Emanzipation heutzutage mit voller Hingabe möglich? Heike Kleen beleuchtet im Buch „Geständnisse einer Teilzeitfeministin“ unsere Vorsätze und macht dabei Widersprüche deutlich.
Gleichberechtigung von Frauen und Männern ist das Ziel des Feminismus. Doch: Ist das in einer modernen Gesellschaft überhaupt umsetzbar? Zwischen Karriere, Familie und Haushalt warten Kompromisse, unsere Vorsätze scheitern – die deutsche Journalistin Heike Kleen analysiert dies in ihrem neuen Werk „Geständnisse einer Teilzeitfeministin. Mein Verstand ist willig, aber der Alltag macht mich schwach“ humorvoll und schonungslos.
Heike Kleen, 1975 in Bremen geboren, ist Journalistin und Autorin. Sie ist verheiratet und hat zwei Kinder.
Vollzeit-Emanzipation? So bemerkt Kleen: „Ich dachte, ich wäre Feministin, und stelle im Alltag plötzlich fest, dass ich es nicht immer bin. Woran liegt das: Biologie, Patriarchat, Sozialisierung – und wie kann ich das ändern? Dass Frauen noch nicht so gleichberechtigt sind, wie es gern heißt, ist kein Geheimnis, spätestens mit Kindern setzt eine schleichende Traditionalisierung ein. So auch bei mir. Also ergründe ich mit viel Selbstironie, wie es so weit kommen konnte, aber fange bei mir selbst an, anstatt direkt dem System oder sämtlichen Männern die Schuld zu geben.“ Motto: „Ich bin lieber eine Teilzeitfeministin als gar keine.“ Im Buch plädiert sie dafür, sich selbst zu beobachten und zu hinterfragen. Dabei führt sie uns die fünf größten Alltags- und Erziehungsfallen vor Augen, in die Frauen trotz guter Absichten schlittern können.
1. Falle: Mutterschaft = Mutter schafft
Ich bin als Feministin in den Kreißsaal gegangen und als Hausfrau und Mutter wieder rausgekommen. Außer mir kannte keiner die wahren Bedürfnisse meines Kindes, da war ich mir plötzlich sicher. Und das bisschen Haushalt konnte ich auch noch machen, ich war ja gerade daheim ... Die Folgen dieses klassischen Anfängerfehlers: Zwölf Jahre später ist meine To-do-Liste länger als die Chinesische Mauer, denn ich rutschte in die zweite Falle.
2. Falle: Teilzeit forever
Karriere, Kinder, Küche – alles kein Problem, dafür gibt es doch Teilzeit-Jobs! Man muss sich halt gut organisieren ... Und wenn die Kinder aus dem Gröbsten raus sind, stocke ich wieder auf! Willkommen in der Teilzeit-Falle! Plötzlich hat man zwei Jobs, wird aber nur für einen schlecht bezahlt und hat immer das Gefühl, nicht zu genügen. Ich wollte nie „Hinzuverdienerin“ sein oder mir Gedanken über Altersarmut machen – jetzt ist es an der Zeit, ehrlich über unsere Arbeitswelt und Chancengleichheit zu sprechen.
3. Falle: Gefallsucht
Ich möchte, dass Frauen sich keinem Schönheitsdiktat unterwerfen, sie sollen doch bitte ihren Körper so lieben, wie er ist und nicht den männlichen Blick bedienen! Eine halbe Stunde später buche ich einen Waxing-Termin, versehe mein Instagram-Foto mit einem hübschen Filter und esse abends nur einen Salat. Wer hat uns Frauen so erfolgreich beigebracht, gefallen zu wollen? Und wie kommen wir aus der Nummer wieder raus?
4. Falle: Doppelmoral
Einem gut gebauten Alpha-Männchen hinterhergucken – aber schimpfen, wenn ein Mann einer Frau hinterherpfeift? Die Bluse aus strategischen Gründen etwas aufknöpfen – aber kritisieren, dass in der Werbung zu viel nackte Haut gezeigt wird? Lautstark Frauensolidarität einfordern und hinterher über die Kollegin lästern? Geben wir es zu, die Widersprüche lauern überall. Aber erst wenn wir ihnen auf den Grund gehen, können wir unser Verhalten verändern – oder dazu stehen. Denn diese Freiheit haben wir natürlich auch.
5. Falle: Rosa-hellblaue Erziehung
„Sei kein Weichei!“, sage ich zu meinem Sohn und fasse mir gleichzeitig an den Kopf. Er sollte doch ohne toxische Männlichkeit aufwachsen! Aber wie reagiere ich, wenn er zum pinken Nagellack greift? Und warum frage ich mich bei meiner Tochter insgeheim, ob sie hübsch ist – während mich das bei meinem Sohn nie interessiert hat? Bei den eigenen Kindern tappt man plötzlich in Fallen, die man nie für möglich gehalten hätte.
Das Buch „Geständnisse einer Teilzeitfeministin“, erschienen im Rowohlt Verlag um 12,90 Euro.