Bei seinen Bühnenauftritten könnte er auch als Penner durchgehen: schlecht rasiert, abgetragenes Jackett, einen zerbeulten Hut tief ins Gesicht gezogen: Der amerikanische Kultsänger Tom Waits pflegt immer noch das Image des schrägen Außenseiters. Am 7. Dezember wird der publikumsscheue Star 60 Jahre alt.
Auch wenn er längst zu den herausragenden innovativen Köpfen der modernen Musikgeschichte zählt - Tom Waits will so wenig Aufhebens um seine Person machen wie nur möglich. "Die Öffentlichkeit ist ein wildes Tier. Es ist besser, sie nicht allzu gut zu füttern" - an dieses Motto hat er sich immer gehalten.
Von der Debüt-Platte "Closing Time" (1973) bis zu seinem kürzlich erschienenen Live-Album "Glitter and Doom" (edel Records) mit Konzert-Mitschnitten seiner Europatournee 2008 fasziniert Waits die Fans seit fast vier Jahrzehnten mit abgründigen, düsteren Songs: Er erzählt von den Verlierern und Underdogs der amerikanischen Gesellschaft, von Gewalt, Suff und Depression. Der Konzertmitschnitt, der erste seit 1988, enthält zusätzlich zu den Songs eine mehr als 30-minütige Collage von herrlich bizarren Geschichten, erzählt bei Konzerten. Das gesungene Material umfasst in erster Linie spätere Alben wie "Black Rider" oder "Real Gone", genial live umgesetzt während einer Tournee im vergangenen Jahr.
1949 als Sohn eines später geschiedenen Lehrer-Ehepaars in Kalifornien geboren, verdingte sich Waits nach der Schule zunächst in San Diego als Pizza-Bäcker, Geschirrspüler und Türsteher. Aus den aufgeschnappten Dialogen der Gäste entstehen die ersten eigenen Songs, in den Clubs der Stadt bringt er sich selbst das Klavierspielen bei.
Als langjähriger Gast des legendären Tropicana-Motels, einer heruntergekommenen Künstlerabsteige in Los Angeles, wird der Querkopf in den 70er Jahren zum Geheimtipp der Szene. Beeinflusst von Autoren der sogenannten Beat-Generation wie Allen Ginsberg und Charles Bukowski entwickelt er sein Image als kettenrauchender, melancholischer Robin Hood der Outlaws. "Ich habe kein Problem mit dem Alkohol, außer wenn ich keinen Drink kriegen kann", singt er - und so ist es.
Nach mehreren Alben, die vor allem vom Blues und Jazz geprägt sind, kommt 1983 mit "Swordfishtrombones" der internationale Durchbruch. Erstmals experimentiert Waits mit lauten Geräuschen und ungewöhnlichen Instrumenten. Seither sind mehr als zehn Alben erschienen, die stets auf positive Kritik stießen. Neben zahlreichen anderen Auszeichnungen erhielt er für "Bone Machine" (1992) und "Mule Variations" (1999) je einen Grammy. Der kommerzielle Erfolg dagegen war in Europa häufig besser als im heimischen Amerika.
Daneben machte Waits eine zweite Karriere als Schauspieler und Komponist von Filmmusik. Zu seinen Glanzleistungen gehört der arbeitslose Discjockey und Häftling Zack in Jim Jarmuschs Kultfilm "Down by Law" (1986), für den er auch Musiktitel beisteuerte. Der Soundtrack zu Francis Ford Coppolas Kinomusical "Einer mit Herz" (1982) wurde mit einer Oscar-Nominierung geehrt.
Bei den Arbeiten zu diesem Film lernte Waits auch seine spätere Frau Kathleen Brennan kennen, eine Regieassistentin Coppolas. Für sie gab er das Trinken auf. Das Paar bekam drei Kinder und arbeitet auch beruflich eng zusammen. Er teile alles mit seiner Frau, sagte Waits einmal. "Einer macht den Abwasch, der andere trocknet ab. Ich kratze ihren Rücken, sie meinen. Wir sind wie zwei Messer, die sich gegenseitig wetzen."
Ein verspätetes Geburtstagsgeschenk bekommt der Musiker in Deutschland: Das Hamburger Thalia Theater, das 1990 seine Freischütz-Persiflage "The Black Rider" mit großem Erfolg uraufführte, will im Januar eine Neuinszenierung des Rockmusicals "Woyzeck" aus dem Jahr 2000 vorstellen. "Es geht um Wahnsinn und Kinder, Besessenheit und Mord", schreibt Waits auf seiner Internetseite, "all die Dinge, um die wir uns Sorgen machen - heute so sehr wie damals."