Neue Leitung

Claudia Banz: Museumsdirektorin im Talk

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Die neue Direktorin Claudia Banz des Weltmuseums Wien über die Ausstellung "Wer hat die Hosen an?".

Museen versteht Claudia Banz (59) als Orte, an denen wir über die demokratische Gestaltung der Welt nachdenken können – und müssen. Das erklärte sie bei ihrem Amtsantritt als neue Leiterin des Weltmuseums Wien (weltmuseumwien.at). Ihre erste Amtshandlung war die Eröffnung der Ausstellung „Wer hat die Hosen an?“, ein Blick auf die Geschichte der Hose. In MADONNA spricht Banz über Hosen und ihre Pläne.

Was ist eine Hose für Sie?
Claudia Banz:
Für mich ist eine Hose ein sehr politisches Kleidungsstück, weil sich daran viele Themen entfalten, die auch hier in der Ausstellung aufgezeigt werden. Es geht natürlich um die Genderfrage, es geht um Macht- und Hierarchiefragen. Aus der weiblichen Perspektive hat die Hose noch mal eine ganz andere Bedeutung als aus der männlichen. Gleichzeitig steht die Hose stellvertretend für Mode. Damit sind viele soziale, politische, aber auch nachhaltige Aspekte verknüpft.

Was gefällt Ihnen an der Ausstellung besonders?
Banz:
Das Tolle ist, dass sie den Bogen über 3.000 Jahre Gestaltungsgeschichte spannt. Eines meiner Lieblingsobjekte ist ein schwarzes Tuch, das ca. 150 Jahre alt ist und aus Chile kommt. Durch geschicktes Falten und Wickeln lässt sich daraus eine Hose kreieren. Für mich ist das ein fantastisches Beispiel für Zero Waste Design. Damals gab es den Begriff noch nicht, aber heutzutage ist das ein großes Thema im Design: Wie können wir Kleidung so gestalten, dass sie zu 100 Prozent rezyklierbar ist? Beispielsweise sind Reißverschlüsse, Knöpfe, andere Accessoires in diesem Kontext ein Problem. Gleichzeitig sind in der Ausstellung auch Schnittmuster ausgestellt. Bei Schnittmustern entsteht in der Regel auch viel Stoffabfall und damit eine unnötige Verschwendung von Ressourcen.

"Wer hat die Hosen an?": Die neue Ausstellung im Weltmuseum.

Claudia Banz: Museumsdirektorin im Talk
© KHM-Museumsverband
× Claudia Banz: Museumsdirektorin im Talk

Sie haben einen Ausblick auf dieses Jahr gegeben, in dem Frauen sehr präsent sind. War Ihnen das wichtig?
Banz:
Ja, das ist ein ganz wichtiges Thema. Zukünftig wollen wir auch in unseren Sammlungen verstärkt nach Künstlerinnen, Handwerkerinnen, Gestalterinnen recherchieren. Viele der Cultural Belongings und Objekte, die wir in den Sammlungen haben, sind zum Beispiel mit Riten verbunden, die oft auch von Frauen ausgeübt wurden. Da gibt es auch noch sehr viel über das Matriarchat zu erforschen, das es in vielen Kulturen durchaus gab.

Es ist einfach, die Geschichten von Frauen, die heute leben, zu erzählen. Historisch wurden Frauen oft übergangen. Wie schwer ist es, diese Geschichten zu finden?
Banz:
Da nennen Sie ein wichtiges Stichwort. Das ist absolut schwierig. Teilweise wissen wir von den meisten der Cultural Belongings und Objekten in unseren Sammlungen gar nicht, wer sie gemacht hat. Das wurde nicht aufgezeichnet. Dieses Wissen, wie stelle ich zum Beispiel einen Bogen her oder wie stelle ich ein bestimmtes Bekleidungsstück her, wurde innerhalb der Communities mündlich weitergegeben. Unseren westlichen Begriff von Autorschaft gab es auch, aber er war nicht so weit verbreitet. Deshalb müssen wir auch in den Austausch mit den Herkunftsgesellschaften gehen und nachfragen: Sind das Objekte, die in eurer Tradition von Frauen hergestellt wurden? Da gibt es noch große Wissenslücken und daran werden wir verstärkt forschen.

Sie haben über Ihre digitalen Agenden gesprochen. Warum ist das für ein Museum so wichtig?

Banz: Digitale Formate sind ein weiter, wichtiger Schlüssel zu mehr Offenheit und Transparenz im Hinblick auf Sammlungsgeschichte und Provenienz der Museumsobjekte. Gleichzeitig sehen wir digitale Plattformen als wichtiges Tool zur gemeinschaftlichen Wissensproduktion, die klassische, akademische Hierarchien hinterfragt und alternative Wissensformen einbindet. Wie wir alle wissen, können nicht alle Menschen, gerade wenn sie aus fernen Ländern stammen, zu uns reisen. Dinge zu digitalisieren und online zu stellen ist deswegen ein großer Schritt in die richtige Richtung, damit auch die Menschen in den Herkunftsgesellschaften erfahren, was sich eigentlich in westlichen Museen befindet. Durch offene, interaktive Formate möchten wir auch den Austausch zwischen Forschung, Herkunftsgesellschaften und der Öffentlichkeit befördern und neue Räume für Teilhabe, Kollaboration und kritische Reflexion schaffen. Nicht zuletzt möchten wir als Weltmuseum Wien auch noch mehr über die Dinge lernen, die wir in unseren Sammlungen aufbewahren.

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